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Es gibt mehrere unterschiedliche Typen von Bewegungssensoren, inklusive Beschleunigungssensoren, Gyroskope, Kompasse und Drucksensoren. Beschleunigungssensoren messen die lineare Beschleunigung entlang der X-, Y- und Z-Achsen und können zur Erfassung der Gravitationsbeschleunigung eingesetzt werden. Die Eigenschaften eines Beschleunigungssensors wurden bereits seit Jahren in vielen Produkten wie beispielsweise Airbags in Autos und Festplatten-Sicherheitssystemen (Schutz vor Datenverlust durch Fall) für portable PCs eingesetzt. Kompasse messen das Magnetfeld der Erde, um einen absoluten Richtwert zu erstellen, der die Orientierung aller Himmelsrichtungen (Nord, West, Süd und Ost) ermöglicht. Drucksensoren messen den atmophärischen Druck und können zur Höhenerfassung eingesetzt werden. Gyroskope messen die Rotationsbewegungen um die X-, Y- und Z-Achsen und werden für Applikationen wie beispielsweise Stabilitätskontrolle in Flugzeugen und Satelitenempfängern in GPS-Systemen eingesetzt. Die Verwirklichung einer vollständigen 3D-Bewegungserfassung benötigt das Zusammenspiel aller vorab genannten Sensoren.

Auf einen Blick

Industrieanwendungen erfordern bessere Leistungsparameter in Gyroskopen und Bewegungssensoren, als jene, die in Konsumerapplikationen eingesetzt werden. Bias-Instabilität, Temperaturbereich, Rausch- und Vibrationsverhalten sind Schlüsselbereiche, in denen Gyroskop-Hersteller Leistung erbringen müssen, um den Anforderungen von Industrieanwendungen gerecht zu werden. Der im Nasiri-Prozess gefertigte CMOS-MEMS Motion-Tracking-Baustein MPU-3300 von Invensense ist das erste industrielle 3-Achsen-Gyroskop am Markt, das zehnmal kleiner ist als herkömmliche Industrie-Gyroskope.

Industrieapplikationen haben höhere Anforderungen als der Konsumerbereich. Es gibt vier Hauptfelder in denen Gyroskope für Industrieanwendung bessere Leistungen liefern müssen. Bei diesen vier Bereichen handelt es sich um den Temperaturbereich, Bias-Instabilität, Rauschverhalten und Vibration. Gleichzeitg wird von diesen Gyroskopen erwartet, dass ihr Formfaktor und Preis-Leistungs-Verhältnis beibehalten wird.

Bei der Inbetrachtziehung unterschiedlicher Applikationen wird sehr schnell sichtbar, warum die verbesserte Leistung notwendig ist. In landwirtschaftlichen Anwendungen, in welchen die Maximierung des Ernteertrags obligatorisch ist, muss ein Traktor in der Lage sein, innerhalb von wenigen Zentimetern zu rangieren. Um diese Voraussetzung zu erfüllen, muss ein Präzisions-Gyroskop eingesetzt werden, welches trotz Traktormotorvibration und -hitze, sowie Umgebungswärme und Rauschen aufgrund des unebenen Untergrundes, die präzise Lage des Traktors erfassen kann. Ein weiteres Beispiel kommt aus der Schifffahrt und betrifft die Stabilisierung einer Satellitenantenne. In diesem Fall muss die Antenne eines Schiffes in der Lage sein, sich so ausrichten und stabilisieren zu können, dass ein ständiger Kommunikationslink mit dem Satelliten besteht. Industriegradige Gyroskope werden hierbei verwendet, um die Bewegung des Bootes durch die Oszillation der Wellenbewegung auszugleichen. In einer derartigen Anwendung muss das Gyroskop außerdem in der Lage sein, das Rauschverhalten kleinerer Wellenbewegungen und die Vibration des Schiffsmotors auszugleichen und seine Genauigkeit über einen langen Zeitraum beibehalten.

Obwohl es viele unterschiedliche Gyroskope am Markt gibt, sind MEMS-Gyroskope für gewöhnlich bevorzugt, da Preis-Leistungs-Verhältnis und Größe attraktiver sind. Industriegradige MEMS-Gyroskope können nicht nur extreme Umgebungsbedingungen bewältigen, sondern adressieren auch die Anforderungen nach besserer Bias-Stabilität, weitem Temperaturbereich und besserer Rausch- und Vibrationsunterdrückung. Nachfolgend wird auf die Schlüsselparameter von industriegradigen MEMS-Gyroskopen eingegangen.

Bias-Instabilität

Bild 1: Allan-Varianz-Diagramm des MPU-3300 Gyroskops.

Bild 1: Allan-Varianz-Diagramm des MPU-3300 Gyroskops.InvenSense

Bias-Instabilität beschreibt den systematischen Fehler, der sich bei einem Gyroskop über die Zeit und bei einer konstanten Temperatur ausprägt. Das Bias (Ruhezustand) eines Gyroskops wird durch sein Ausgangssignal festgelegt, wenn keine Rotationsbewegung zu detektieren ist. Bias-Instabilität wird definiert durch die Änderung in Bias über die Zeit und bei einer konstanten Temperatur. Obwohl das konstante Bias eines Gyroskops kalibriert werden kann, generiert die Bias-Instabilität einen Fehler, der leider nicht einfach zu kalibrieren ist. Aus genau diesem Grund müssen Systementwickler ihre Gyroskop-Anforderungen genauestens auf ihre Anwendung ausrichten. Je länger ein Gyroskop im Einsatz ist, desto größer ist sein Grundfehler. Für Anwendungen, die exzellente Genauigkeit über einen langen Zeitraum fordern, ist es daher essenziell, dass ein Gyroskop mit niedrigem Grundfehler ausgewählt wird.

Bias-Instabilität wird von der Standardabweichung des Ausgangssignales beim Gyroskop abgeleitet und über einen festgesetzten Zeitrahmen gemittelt. Wird diese Standardabweichung für unterschiedliche Zeitblöcke über der Größe eines korrespondierenden Zeitblocks dargestellt, entsteht ein so genanntes Allan-Varianz-Diagramm. Der niedrigste Punkt im Allan-Varianz-Diagramm ist der definierte Punkt, in welchem die Bias-Instabilität eines Gyroskops spezifiziert ist. Je niedriger dieser Wert ist, desto stabiler ist das Gyroskop. Ein Gyroskop mit einer niedriger liegenden Allan-Varianz-Kurve hat eine bessere Gesamtleistung als ein Gyroskop mit einer höher liegenden Varianz-Kurve. Bild 1 zeigt die Bias-Instabilität des 3-Achsen-Industrie-Gyroskop MPU-3300 vom Inven Sense mit einer Instabilität von weniger als 15°/h. Die drei Allan-Varianz-Kurven korrespondieren mit der Rotationsrate der X-, Y- und Z-Achsen.

Rauschen

Bild 2: Zeitbereichsdarstellung des Rauschverhaltens zweier Wettbewerbsprodukte.

Bild 2: Zeitbereichsdarstellung des Rauschverhaltens zweier Wettbewerbsprodukte.InvenSense

Ein weiterer wichtiger Faktor in der Leistungsbestimmung eines Gyroskops ist sein Rauschverhalten. Rauschmittelwerte, die über einen kurzen Zeitraum hinweg mit dem Allan-Varianz-Diagramm dargestellt werden, sind eindeutig vom Rauschen des Sensors bestimmt. Das Rauschverhalten eines Gyroskops wird mittels der ARW-Spezifikation (Angle Random Walk) dargestellt und kann dem Allan-Varianz-Diagramm am 1-s-Kreuzungspunkt entnommen werden (Bild 2). ARW wird am 1-s-Kreuzungspunkt gemessen, so dass er mit jedem beliebigen Wert (t) multipliziert werden kann, um den Orientierungsfehlerbeitrag durch Rauschen zum Zeitpunkt t festzulegen. Angenommen t = 100 s und ARW = 0,2°/√, dann entspricht der Orientierungsfehler durch Rauschen über eine Periode von 100 s einem Winkel von 2° (0,2 x √100).

Gyroskope

Bild 3: Rauschverhalten (ARW Extraktion) des Gyroskops MPU-3300 im Vergleich zum Wettbewerb.

Bild 3: Rauschverhalten (ARW Extraktion) des Gyroskops MPU-3300 im Vergleich zum Wettbewerb.InvenSense

Das Rauschverhalten von Gyroskopen verschiedener Hersteller kann große Variationen aufweisen, was bedeutet, dass Entwickler besonders mit dieser Spezifikation aufmerksam umgehen sollten. In Präzisionsrobotikanwendungen, in welchen der Roboter beispielsweise die Windschutzscheibe eines Automobils einsetzt, wird vorausgesetzt, dass die Scheibe exakt nach dem Autorahmen ausgerichtet wird. Falls das Rauschen in derartigen Applikationen zu hoch ist, kann es dazu führen, dass die Scheibe nicht ordnungsgemäß eingepasst wird. Bild 3 zeigt das Rauschausgangssignal von Inven Sense‘s MPU-3300 im Vergleich zu dem eines Konkurrenten. Die Rauschleistung des MPU-3300 ist um das Dreifache besser als die des Wettbewerbers. Im Frequenzbereich wird das Rauschverhalten von Gyroskopen oftmals im Rauschdichte-Diagramm dargestellt. Bild 4 zeigt die Rauschdichte beider Hersteller im Frequenzbereich. Auch in diesem Diagramm demonstriert Inven Sense seine Vorteile gegenüber der Konkurrenz.

Bild 4: Frequenzbereichsdarstellung des Rauschverhaltens zweier Wettbewerbersprodukte.

Bild 4: Frequenzbereichsdarstellung des Rauschverhaltens zweier Wettbewerbersprodukte.InvenSense

Temperaturbereich

Im Vergleich zu Konsumeranwendungen benötigen Industrieanwendungen einen erweiterten Temperaturbereich von -40 °C bis +105 °C. Obwohl die Entwicklungsunterstützung für einen erweiterten Temperaturbereich üblicherweise in den Händen des Gyroskopherstellers liegt, ist es dennoch eine Herausforderung (für den Systementwickler) sicherzustellen, dass alle temperaturabhängigen Parameter möglichst unbeeinflusst bleiben. Gyroskop-Parameter, die sich mit Temperaturänderungen verschlechtern, sind: Bias-Instabilität, Rauschen und Empfindlichkeit. Es ist daher besonders wichtig, dass diese Parameter über die Temperatur verifiziert werden, so dass das Endprodukt trotz allem die erforderliche Leistung erbringt.

Vibration

Vibrationsunterdrückung ist ein essentieller Faktor in vielen Industrieanwendungen. Sicherzustellen, dass die Ausgangssignale eines Gyroskops auch in der Nähe eines Motors oder anderer Vibrationsquellen präzise arbeiten, stellt eine große Herausforderung dar. Wenn wir nochmals das Beispiel der präzisen Landwirtschaftsanwendung zugrunde legen, ist festzustellen, dass das Gyroskop für gewöhnlich im Traktor platziert wird, dessen Motor den Rahmen mit einer Frequenz vibrieren lässt, die vom Gasgeben des Fahrers abhängig ist. Diese Vibration kann als Rauschen im Ausgangssignal des Gyroskops betrachtet werden, was zu Ungenauigkeiten führt, welche die Genauigkeitsanforderungen des Systems übersteigen können. Ein Systementwickler kann dies beeinflussen, indem er das Gyroskop dort platziert, wo Vibration einen geringeren Einfluss auf die elektromechnischen Charakteristika hat (zum Beispiel im Führerhaus des Traktors). Es ist jedoch wünschenswerter, das Gyroskop unabhängig von idealen Lokalitäten plazieren zu können. Anti-Aliasing- und Dezimierungsfilter können ebenso in Betracht gezogen werden, um Vibrationseinflüsse auf Gyroskope zu minimieren. Die Entwicklungsanforderungen an derartige Filter vereinfachen sich, wenn die Vibrationsempfindlichkeit verringert werden kann.

Integrationsvorteile

Genauigkeit ist für die Bewegungssensorik wichtig, kann aber nicht immer einfach nur dadurch erreicht werden, genauere Sensoren einzusetzen. Viele handelsübliche Gyroskope sind für gewöhnlich auf 1- oder 2-Achsen ausgelegt und müssen daher mehrere Sensoren einsetzen, um 3-Achsen-Kompatibilität zu erreichen. Dies erfordert eine präzise 90°-Anpassung auf der Platine, um optimale Genauigkeit zu erreichen. Ist die Anpassung nicht optimal, fließen die Anpassungsfehler mehrerer Achsen in die endgültige Bewegung mit ein. Um die Anpassungsfehler mehrer Achsen zu vermeiden werden Kalibrationsroutinen implementiert. Hersteller, die 3-Achsen-MEMS-Gyroskope anbieten, kalibrieren Anpassungsfehler im Fertigungsprozess (das eliminiert den zusätzlichen Schritt in der Systemintegration), so dass das Endresultat ein perfekt angepasstes Gyroskop ist.

Ein 3-Achsen-Gyroskop, das als Ein-Chip-Lösung realisiert wurde, bietet überdies wirtschaftliche Vorteile. Systementwicklern, denen nur 1- oder 2-Achsen-Gyroskope zur Verfügung gestellt werden, stehen vor der schwierigen Aufgabe 3-Achsen mittels mehrer Sensoren zu realisieren. Dies führt dazu, dass das Endprodukt größer ist, die Herstellungskosten größer sind und die Produktvalidierung komplizierter ausfällt. Inven Sense bietet mit seinem integrierten 3-Achsen-Gyroskop MPU-3300 eine wesentlich kompaktere Lösung an.

Das Portfolio

Inven Sense ist ein bedeutender Anbieter von Motion-Tracking-Bausteinen und Gyroskopen. Im Portfolio befinden sich integrierte 2- und 3-Achsen-Gyroskope, sowie 6-Achsen Gyroskopen plus Beschleunigungsmesser und 9-Achsen-Gyroskopen plus Beschleunigungsmesser und Kompass. Die Basis der Inven Sense‘s Motion-Tracking-Bausteine ist der patentierte Nasiri-Fabrikationsprozess (NF), der MEMS mit CMOS (auch bekannt als CMOS-MEMS) in einem kleinen, kostengünstigen Gehäuse kombiniert. Die NF-Plattform verbindet die besten Charakteristika von Standard-CMOS-Fertigungsprozessen mit denen von MEMS (Bild 5), was dazu führt, dass sich Kosten, Bauteilegröße und Zuverlässigkeit gegenüber traditionellen Methoden verbessern.

Bild 5: CMOS-MEMS Herstellungsprozess auf Basis der NF-Plattform.

Bild 5: CMOS-MEMS Herstellungsprozess auf Basis der NF-Plattform.InvenSense

MPU-3300 ist das erste industrielle 3-Achsen-Gyroskop am Markt, das zehnmal kleiner als herkömmliche Industrie-Gyroskope ist. Es wird in einem 4 mm x 4 mm x 0,9 mm Gehäuse geliefert und verwendet den gleichen NF-Fertigungsprozess, der bereits in Konsumer-MEMS bahnbrechend war. Das MPU-3300 bietet außerdem ein zweimal niedrigeres Rauschen als andere Alternativen im Markt und hat eine Bias-Instabilität von nur 15°/h. Das Bauteil verbraucht im aktiven Betrieb 3,6 mA Strom und bietet damit eine exzellente Option für mobile batteriebetriebene Industrieanwendungen. Da das Bauteil in einem einzigen Gehäuse untergebracht ist, werden Anpassungsfehler eliminiert und Entwickler von industriellen Anwendungen können hiermit ein hochgenaues, digitales 3-Achsen-Gyroskop in ihre Motion-Tracking-Lösungen einplanen.

Kapil Kamra

ist Mitarbeiter von InvenSense in Sunnyvale/Kalifornien.

Vishal Markandey

ist Mitarbeiter von InvenSense in Sunnyvale/Kalifornien.

(jj)

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