Heute unter dem Begriff Mechatronik weit verbreitet und bestens bekannt: die Vereinigung von Mechanik und Elektronik in einer Baugruppe. Dafür unterziehen sich spritzgegossene dreidimensionale Bauteile speziellen Verfahren zur Strukturierung, Metallisierung und Bestückung mit geeigneten Bauteilen.

Der Entschluss für den Aufbau einer eigenen Mechatronik-Prozesskette gründet in den Erfahrungen aus Versuchsprojekten und der Betrachtung von Projekten von Konsortien. Große Probleme traten in den produktstrukturierten Kooperationen stets regelmäßig dann auf, wenn es um die Ursachenforschung für Produktbeanstandungen ging. Das hat Kromberg dazu veranlasst, sich für einen Alleingang zu entscheiden.

Außer einer leeren Halle gab es am Anfang nichts. Joachim Czabanski, seit 2007 am Standort in Renningen für die Leitung des Bereichs Mechatronik verantwortlich, sowie Erik Rega, Entwicklungsleiter des Bereichs Mechatronik, konnten damit nahezu aus dem Vollen schöpfen.

Der initiierte Masterplan, bei dem es nicht darum ging zukünftiges vorherzusagen, sondern vielmehr die Zukunft nach Kräften herbeizuführen, sah darum von Beginn an die komplette Prozesskette im eigenen Haus vor. „Wenn etwas schief ging, dann wussten wir auch wo wir zu suchen hatten“, weiß Czabanski aus den Erfahrungen der ersten Stunden.

Start mit Hindernissen

Der Weg bis zum ersten Probelauf war mit erheblichen Hindernissen gespickt. Zum Beispiel gab es nicht die gewünschte Laserbearbeitungsmaschine. Sie musste erst in vielerlei Hinsicht modifiziert und real 3D-fähig gemacht werden.

Schwierig gestaltete sich auch die Suche nach geeigneten Bestückungsautomaten und Handlingssystemen. Im Zuge intensiver Recherchen wurden die geeigneten Hersteller abseits bekannter Großlieferanten gefunden.

Parallel versammelten sich in Renningen qualifizierte Fachleute jedweder Fachrichtung. Spezialisten für Metallurgie, Kunststofftechnik, Galvanisierung, Bestückung, Automation, Maschinenbau, Werkzeugmacher… das gesamte Spektrum der interdisziplinären Techniken, die für diese Aufgabe notwendig sind. Dazu verhalf die langjährige erfolgreiche Zusammenarbeit mit der Automobilindustrie zu ersten Früchten.

BMW orderte für seine Motorräder der R- und K-Baureihe, der F800-Modelle sowie der S1000RR kompakte und mehrfunktionale Schalter am Lenkrad. Erster Auftrag, erste Bewährungsprobe zugleich.

Das 3D-MID-Material

Motorräder sind durchweg extremen Belastungen ausgesetzt. Erschütterungen, Stößen, Feuchtigkeit, Nässe, wechselnden Temperaturen, Schlamm, Staub … Voraussetzungen, die der Suche nach dem geeignete Material nicht gerade sehr zuträglich waren. Nach ersten Tests mit Polyamid wurde eine erhebliche Durchdringung des Werkstoffs mit Wasser festgestellt, das somit in dieser Form für den Verwendungszweck ungeeignet war.

Intensive Gespräche und Versuche mit dem Hersteller halfen dem Material auf die Sprünge. Das Ergebnis ist ein laserstrukturierbares Polyamid mit einem Schmelzpunkt von 295 °C und reduzierter Wasseraufnahme. Dieses Polyamid zeichnet sich zudem durch sehr gute mechanische und elektrische Werte ebenso aus wie durch optimale chemische Beständigkeit und hohen Widerstand gegenüber Verschleiß.

Auch die Verarbeitung im Spritzgießverfahren bereitet keine Probleme. Beste Voraussetzungen also für den geplanten Einsatz.

Parallel wurde auch PBT (Polybutylenterephthalat) unter die Lupe genommen. Das wiederum hat dem PA einiges voraus. Für den Spritzguss ist PBT aufgrund des günstigeren Abkühl- und Prozessverhaltens besser geeignet und wird wegen seiner Festigkeit und Steifigkeit einschließlich hoher Maßbeständigkeit geschätzt. Der Einsatz von bleifreiem Lot ist dagegen diffizil, da der Schmelzpunkt deutlich unter dem des eingesetzten Polyamids liegt.

Und was speziell für Motorradeinsätze auch wichtig ist: Gerade bei Stürzen kommen weitere Eigenschaftsprofile wie Reibungs- und Verschleißfestigkeit zum Tragen. Zwar ist das Material wie PBT empfindlich gegen Molekulargewichtsabbau durch Hydrolyse, kann jedoch für kurze Zeit mit heißem Wasser in Kontakt gebracht werden. Aus diesem Grund wird PBT auch in Kaffeemaschinen oder Dampfbügeleisen verwendet.

Zur 3D-MID-Fähigkeit gesellt sich dann noch die zusätzliche Anreicherung des Polymers mit Metallanteilen. Das kann Kupfer oder auch ein anderes Material sein. Doch das größte Problem bei der Beschaffung des geeigneten Materials wurde die für die Aufgabe gewünschte Menge, denn wegen 15 oder etwas mehr Kilogramm rührt ein Lieferant kaum eine Hand.

Kromberg & Schubert verfügt über einen eigenen Werkzeugbau sowie eine leistungsfähige Spritzerei. Bei Auftragsspitzen kommen zusätzlich benachbarte qualifizierte Wertschöpfungspartner zum Zuge. Aktuell stehen mit Ultramid T4381 LDS PA6/6T von BASF und Pocan DP T 7140 LDS von Lanxess zwei Materialien zur Wahl, deren Eigenschaftsprofile je nach Anforderung genutzt werden. Beide Materialien sind LDS ausgerüstet, also laserfähig. Hierzu werden Additive mit compoundiert, die durch Laserbeschuss aktiviert werden.

Die Laserbearbeitung

Im nächsten Schritt kommen die gespritzten Bauteile unter den Laser, um das Material in Form der gewünschten Leiterbahnen zu öffnen und zu strukturieren. Beim dreidimensionalen Lasern wird die Basis für die Datamatrixcodierung gelegt, um die vielfältigen Variationen an Kombischaltern verlässlich unterscheiden zu können.

Zwar erscheinen die Unterschiede zwischen einzelnen Typen scheinbar unwesentlich. Sie sind aber für die weitere Verarbeitung von großer Bedeutung. Der Nd:YAG-Laser hatte nach einigen entscheidenden Umbauten in Eigenregie die gewünschte 3D-Fähigkeit erreicht. Strukturen um 100 bis 150 µm sind in der Regel die gebräuchlichsten Bahnbreiten und Bahnabstände.

Bestücken

Mit der Entscheidung für die flexibelste und neueste Herstellungstechnologie zur Produktion von dreidimensionalen Mechatronik-Baugruppen wurde zugleich die Suche nach den bestgeeigneten Maschinen und Geräten eingeläutet. Dazu zählt, neben dem Lasern, das Dispensen, also das Auftragen der Lotpaste, das Bestücken mit SMD-Bauteilen, das Löten sowie das Lackieren der Baugruppen zur Absicherung der Leiterbahnen gegen Umwelteinflüsse, Feuchtigkeit und Schmutz.

Beim vorgelagerten Dispensen mit Lotpaste muss diese in der Lage sein, sich in allen Dimensionen zu behaupten. Das setzt zuverlässige Haftung an allen Seiten voraus. Zu keinem Zeitpunkt durfte die Lotpaste ins Laufen kommen, wenn anschließend SMDs wie Widerstände, Dioden, LEDs… bestückt werden.

Die automatische Bestückungsanlage musste erst einmal konzipiert und dann den Anforderungen von Kromberg & Schubert gemäß gebaut werden. Die heute aktuellen dreidimensionalen Schaltungsträger dienen als Basis für einen Kombischalter, der in 50 Varianten produziert wird. Dabei muss die Bestückungsanlage Werkstücke mit unterschiedlichen Kantenlängen aufnehmen und das Umrüsten darf nur einen geringen Zeitfaktor in Anspruch nehmen.

In Kooperation mit dem Sondermaschinenbauer Xenon wurden alle Forderungen erfüllt. Gleichzeitig führt die Anlage die Wareneingangskontrolle, das Bestücken mit Kontaktpins und die anschließende elektrische Prüfung, das Dispensen mit optischer Prozesskontrolle, die Bestückung mit SMDs und Schaltelementen und nach dem Lötprozess die finale Inspektion durch.

Löten in der Dampfphase

Reflowlöten oder andere Verfahren schieden wegen zu hoher Temperaturen und der damit einhergehenden Unverträglichkeit der Bauteile und des Materials von Anfang an aus. Die einzige Alternative ist das Dampfphasenlöten – dank stets immer gleicher Temperatur an der Lötstelle. Alle Bauteile werden ausschließlich mit bleifreiem Lot verarbeitet.

Lackieren und Testen

Den Schutz der Kombischalter vor Feuchtigkeit und Umweltschmutz für den Einsatz in harschen Bedingungen sichert eine weitere individuelle Anlage der Prozesskette, die vollautomatische Lackierung. Aufgrund der Form der Schalter muss der geeignete Lack rundum sicher haften und darf nicht weglaufen oder abtropfen. Gemeinsam mit Xenon enstand die erste vollautomatische Lackierstation für dreidimensionale Bauteile.

An nachgelagerten manuellen Arbeitsplätzen erhalten die Schalter ihre endgültige Form. Beim abschließenden Funktionscheck in der individuellen Teststation werden alle Funktionen der Schalter geprüft. Ob Blinker links, Blinker rechts, Lichthupe, Windschott senken oder heben, Hupe und je nach Ausstattung Blaulicht und Sirene, alle Funktionen müssen vor der Lieferung zur Endmontage ins BMW-Motorradwerk in Berlin zuverlässig arbeiten.

Ausblick

Laut Joachim Czabanski und Erik Rega stehen nächste, noch feinere Schritte bevor: Die Chip-on-Bord-Technik (CoB) wird anvisiert. Damit sind nicht nur noch höhere Packungsdichten möglich, sondern noch mehr zusätzliche Funktionen. So kann dann z. B. der Chip gehäuselos aufgebracht und mit feinen Drähten mit den Leiterbahnen der Baugruppe per Wire-Bond-Prozess verbunden werden. Auch eine direkte Anbindung der Pads ist vorgesehen.

Kompetenzzentrum Renningen

In Renningen hat Kromberg & Schubert im Geschäftsbereich Mechatronik alle damit verbundenen Aktivitäten gebündelt. Zahlreiche Unternehmen aus den Bereichen Automotive, Medical und Defense nutzen das umfassende Know-how. Von der ersten Idee über CAD-Zeichnungen und Prototypen bis hin zu Musterserien und Vorserien wird hier alles koordiniert. Zwar sitzen die Spezialisten nicht alle unter einem Dach, doch moderne Medien halten die Kommunikation in alle Ecken der Welt auf dem Laufenden.

Ein weiterer Vorteil: Das hochmoderne Zentrallabor der Kromberg & Schubert-Gruppe, in dem nahezu alle Automotive-Tests durchgeführt werden können, ist gleichfalls am Standort Renningen verfügbar. 

Manfred Frank, Joachim Czabanski, Erik Rega

: Manfred Frank, Redaktionsbüro Frank, Joachim Czabanski, Director Mechatronics und Erik Rega, Entwicklungsleiter Mechatronics der Kromberg & Schubert GmbH & Co. KG.

(hb)

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Kromberg & Schubert GmbH Cable & Wire

Wiegenkamp 21
46414 Rhede
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