Um Erfahrungen zu sammeln und die Funktionalität des Open Core Engineering kennen zu lernen, entwickelte der Maschinenbauer Glaub Automation für ein Drei-Achs-Portal mit Greifer eine Bedien- und Diagnose-App für iOS und Android.

Um Erfahrungen zu sammeln und die Funktionalität des Open Core Engineering kennen zu lernen, entwickelte der Maschinenbauer Glaub Automation für ein Drei-Achs-Portal mit Greifer eine Bedien- und Diagnose-App für iOS und Android.Bosch Rexroth

Apps und Smart Devices werden in der Automatisierungstechnik einen Innovationsschub bewirken. Denn die Software-Technologie moderner Mobilgeräte wie Tablets und Smartphones eröffnet Herstellern und Anwendern neue Möglichkeiten, um Informationen von Produktionsanlagen zu verarbeiten. Damit bieten sie für Hersteller wie Betreiber gleichermaßen ein interessantes Innovations- und Differenzierungspotenzial.

Zu den bevorzugten Einsatzzielen mit eher lokalem Bezug gehören die Maschinenbedienung und der Service. Der lokale Zugriff auf Maschineninformationen bietet viele Anwendungsszenarien, die Maschinenbedienung, Betriebsdatenerfassung, Service, Diagnose oder Wartung zu vereinfachen. Zu erwarten ist, dass leistungsfähige mobile Geräte stationäre Terminals teilweise ablösen. Das gilt insbesondere für Bereiche, in denen das industrielle Umfeld keine erhöhten Anforderungen an die Geräte stellt.

Wider die Komplexität: Tablet und Smartphone

Angesichts der steigenden Komplexität von Maschinen und Anlagen versprechen Tablet und Smartphone in Verbindung mit Apps eine deutliche Erleichterung. Die gleichen Vorteile, die für den Boom von Smart Devices im Consumer-Bereich sorgen, führen auch zu neuen Bedienmöglichkeiten von Maschinen und Anlagen. Zu nennen sind hier: intuitive, gesten­gesteuerte Bedienung und an den Anwendungsfall angepasste Informationen mit weltweit verständlicher Symbolik.

Darüber hinaus bieten die in Smart Devices integrierten Technologien – von Kamera, Wlan bis GPS – Vorteile für Wartung, Instandhaltung und Betriebsdatenerfassung. Speziell Kamera und GPS schaffen interessante Möglichkeiten, beispielsweise für die Übermittlung von Bildinformationen und die ortsabhängige Informationsdarstellung. Nicht zu vergessen die integrierten Bewegungssensoren, die neue Wege für die Bedienung eröffnen, beispielsweise zum Ausführen von Bewegungen einzelner Achsen.

Bedienen und Beobachten

Multitouch in Hard- und Software

Zum Weiterblättern einfach über das Display wischen oder mit zwei Fingern einen Bildausschnitt vergrößern: Bei der neuen Generation von Multitouch-Bediengeräten überträgt Bosch Rexroth die Gestensteuerung auf die Automatisierung. Dabei vereinfacht ein einheitliches Software-Tool für alle HMI-Geräte die Projektierung: Winstudio ermöglicht ein effizientes Engineering durch die Wiederverwendung von Software-Modulen – über das gesamte Spektrum von Controller-basierten Compact-HMIs bis hin zu den großen Displays. Die kompakten Bediengeräte mit 4 bis 9″ Diagonale und Controller gibt es sowohl für Single- als auch Multitouch-Bedienung. Widescreen-Displays in 15, 18 und 21″ bieten Platz für eine hohe Informationstiefe. Die Aluminiumfront mit kratzfester Glasscheibe erfüllt die Schutzart IP65. Zusammen mit der hohen Schock- und Vibrationsfestigkeit eignen sich die Bediengeräte für den Einsatz unter robusten Produktionsbedingungen.

Die bislang getrennten Engineering-Welten von Automatisierung und IT verbindet Bosch Rexroth mit dem Open Core Engineering. Dessen Kernelemente sind diverse Standard-Schnittstellen, Software-Tools und Funktionspakete sowie eine besondere Schnittstellentechnologie, das Open Core Interface, das eine Brücke zwischen SPS- und Hochsprachen-Programmierung schlägt. Das Open Core Interface steht für die Steuerungen Indra-Motion MLC und Indra-Logic XLC zur Verfügung. Es beinhaltet ein Software-Entwicklungskit (SDK) für die unterschiedlichen Programmierumgebungen, Betriebssysteme und Zielgeräte von Apps sowie für andere Anwendungen der IT-Automation. Die Schnittstelle ermöglicht Hochsprachen-basierten Anwendungen von unterschiedlichen Zielgeräten aus einen flexiblen Zugriff auf die Steuerungen. Anwendungen auf Basis von C/C++ sind direkt in der Echtzeitumgebung der Steuerungen lauffähig.

Die Einbindung von Tablet-PCs in Bedien- und Diagnosekonzepte ist über das Open Core Interface bereits heute möglich.

Die Einbindung von Tablet-PCs in Bedien- und Diagnosekonzepte ist über das Open Core Interface bereits heute möglich.Bosch Rexroth

Native App oder Browser-basiert?

Mit dem Interface können Maschinenhersteller Apps selbstständig und unabhängig von der Geräte-Plattform realisieren. Mit Apple iOS und Google Android unterstützt die Schnittstelle die derzeit wichtigsten Betriebssysteme für Smart Devices. Maschinenhersteller können darüber Applikationsprogramme mit Java oder Objective-C als native Apps umsetzen. Native heißt: Solche Apps können gezielt die Eigenschaften des jeweiligen Betriebssystems, die darauf basierenden Software-Architekturen und Oberflächen nutzen. Entsprechende Anwendungen unterstützen damit durchgängig die Bedienphilosophie des Geräts und dessen Funktionen wie die Sensorik. Die Erstellung dieser Apps erfolgt mit der Programmierumgebung des Betriebssystemherstellers.

Im Gegensatz dazu laufen webbasierte Apps im Browser des Geräts und sind damit unabhängig von Betriebssystem und Gerät. Die Programmierung erfolgt in der Regel mit Webstandards wie HTML, CSS und Javascript, die – und das ist ein Vorteil – für alle Mobilgeräte verfügbar sind. Der Nachteil liegt insbesondere in der nicht angepassten Bedienphilosophie des jeweiligen Geräts sowie im fehlenden Zugriff auf spezifische Funktionen des Betriebssystems und des Geräts. Hinzu kommt: Die Performance webbasierter Apps hinkt der nativer Apps hinterher und die HTTP-basierte Kommunikationsanbindung verlangt entsprechende Datenserver.

Zwei Blaupausen für SPS-Apps

Für die Systemdiagnose von elektrischen Antrieben und Steuerungen wird eine ganze Reihe von Daten benötigt: von der Seriennummer über Hardware-Details bis hin zur Firmware-Version der SPS. Um diese zu bekommen, muss der Maschinenbediener bislang den Schaltschrank öffnen, auf dem Typenschild die Seriennummer ablesen und über ein Notebook die Firm- sowie Software-Versionen auslesen. Anschließend muss er diese Daten telefonisch oder per Email an den Service weiterleiten. Abgesehen davon, dass er verschiedene Arbeitsmittel benötigt, dieses Vorgehen ist fehleranfällig.

Diagnose-Dialog: Die App greift über das Open Core Interface direkt auf die Parameter in der Motion-Steuerung zu.

Diagnose-Dialog: Die App greift über das Open Core Interface direkt auf die Parameter in der Motion-Steuerung zu.Glaub Automation

Effizienter wird der Prozess mit einer Diagnose-App auf einem Smartphone, wie sie Bosch Rexroth beispielhaft für Google Android umgesetzt hat. Mit diesem scannt er den QR-Code der Steuerung, der bei der Inbetriebnahme zum Beispiel außen am Schaltschrank angebracht wurde. Der QR-Code ist nichts anderes als ein Link mit der IP-Adresse der Steuerung, deren Informationen der Bediener abrufen möchte.

Die Diagnose-App zeigt neben den Hardware-/Firmware-Versionen weitere Informationen sowie ein komplettes Logbuch der Steuerung. Darüber hinaus führt die App alle an der Steuerung angeschlossenen Antriebe auf, deren Meldungen sich ebenfalls aufrufen lassen. Neben dem elektronischen Typenschild sieht der Maschinenbediener auch die eingestellten Parameter und kann weitere hinzufügen, die er über die App abrufen möchte. Für Datensicherheit sorgen verschiedene Maßnahmen. Eine Option ist, nur bestimmte Smart Devices für den Verbindungsaufbau zuzulassen.

Handlingsystem mit dem Tablet bedienen

Mit der ‚Operation-App‘ stellt Bosch Rexroth in Kombination mit dem Steuerungssystem Indra-Motion for Handling eine komplette Bedienoberfläche unter Google Android zur Verfügung. Anwender können zwischen bis zu vier Kinematiken (Achsen) eines Handling-Systems umschalten und über verschiedene Bedienbilder und Gesten beeinflussen. Mit Wischen von links nach rechts wechselt der Nutzer zwischen verschiedenen Bedienbildern, per Touch lässt er sich Informationen anzeigen. So können Anwender ihre Maschinen über Tablet oder Smartphone bedienen. Die Operation-App bietet alle Funktionen für die Bedienung und Diagnose von Maschinen per Tablet oder einem Smartphone. Ergänzend zur Operation-App können Maschinen- und Anlagenbauer auch eigene Apps für die Automatisierung mit den Steuerungen von Bosch Rexroth erstellen.

Maschinenhersteller nutzt App zur Differenzierung

Um Erfahrungen zu sammeln und die Funktionalität des Open Core Engineering kennen zu lernen, entwickelte der Maschinenbauer Glaub Automation für ein Drei-Achs-Portal mit Greifer eine Bedien- und Diagnose-App für iOS und Android. Hier wurden alle aktuell verfügbaren technischen Funktionen und Möglichkeiten in der Bedienung und Diagnose umgesetzt. Mithilfe der OCE-Bibliotheken wurde mittels Hochsprache (C++, Objective-C, Java) nicht nur der Zugriff auf die Variablen der SPS realisiert. Darüber hinaus implementierten die Programmierer von Glaub auch Funktionen wie das Bewegen der Achsen oder Auslesen und Beschreiben von Achsparametern. Beispielsweise lassen sich über die Bewegungs-/Lagesensoren des Tablet-PCs alle drei Achsen verfahren (Betriebsart: Sensor). Legt der Anwender seine Daumen auf die stilisierten Fingerabdrücke fahren die Achsen in die Richtung, in die er das Tablet neigt. Die Geschwindigkeit ist dabei proportional zur Neigung des Tablets. Die Bewegung stoppt, sobald der Anwender einen der Fingerabdrücke loslässt. Sogar das intuitive Teachen von Bewegungszyklen ist damit via Mobile Device möglich. Über eine Toolbar am Bildschirmrand gelangt der Anwender direkt in die Hauptmenüs: Handbetrieb, Automatikbetrieb, Startseite, Grundstellungsfahrt und Einstellungen. Im Header der App befindet sich ein Diagnose-Button, über den sich der Anwender die Zustände der Achsen und der Steuerung sowie einzelne Parameter der Antriebe aufrufen oder das Fehlerlogbuch auslesen kann.

Mit seiner App will der Systemintegrator Kunden unterstützen, Zeit und Kosten zu sparen. Denn die in der Regel für die Bedienung einer Anlage notwendige Mitarbeiterschulung kann entfallen, da diese den Umgang mit Smart Devices bereits im privaten Bereich gelernt haben.

Die Integration von Smart Devices in die Automation gibt Maschinenherstellern Freiraum für kreative Ideen, die Diagnose, Bedienung und Inbetriebnahme ihrer Maschinen zu verbessern. Schließlich legen Maschinenbetreiber immer größeren Wert auf eine einfache Bedienung von Maschinen und Anlagen. Aufgrund der positiven Erfahrungen mit Smart Devices im Consumer-Markt zeichnet sich dabei ein unumkehrbarer Trend in der Automation ab.

Volker Schlotz

ist Leiter der Branche Montage & Handling, Applikation und Engineering bei der Bosch Rexroth AG in Lohr am Main.

(sk)

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