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Mit diesem Testaufbau kann der Einschlag eines ionisierenden Teilchens in ein elektronisches Bauteil nachgeahmt werden. (Bild: int.fraunhofer)

In den letzten 20 Jahren ist die Relevanz des Themas SEE stark gestiegen. Wissenschaftler der Abteilung Nukleare Effekte in Elektronik und Optik (NEO) am Fraunhofer-Institut für Naturwissenschaftlich-Technische Trendanalysen INT in Euskirchen starten nun eine Versuchsreihe mit einem neu installierten Pikosekundenlaser. Dr. Stefan Metzger, einer der Projektleiter und Leiter der Abteilung Nukleare und Elektromagnetische Effekte (NE) am INT, erklärt: „Es zeigt sich eine Tendenz zur Miniaturisierung von Bauteilen und, damit verbunden, zur Steigerung der Packungsdichte. Kommt es zu einem Einschlag eines ionisierenden Teilchens, ist die Zahl der betroffenen Bauteile heute größer als vor einigen Jahren und damit der Schaden bedeutender für die Leistung des Geräts. Gerade bei neuen Trends wie Autonomem Fahren und E-Mobilität, bei denen höchstintegrierte Steuer- und Leistungs-Elektronik zum Einsatz kommt, ist das ein Problem.“ Da SEEs bei solchen Anwendungen eine immer größere Rolle spielen, gewinnt auch ihre Erforschung an Bedeutung. Der Laser am INT bietet die Möglichkeit zu testen, welche Bauteile an welchen Stellen für SEEs empfindlich sind und stellt damit eine Grundlage bereit, um Gegenmaßnahmen für SEEs treffen zu können.

Auf sehr kleine Bereiche fokussiert

Zur Simulation der SEEs wird ein Neodym-dotierter Yttrium-Vanadat Laser mit einer Wellenlänge von 1064 Nanometern eingesetzt. Durch die geringe Wellenlänge kann der Laser auf sehr kleine Bereiche fokussiert werden. Da es sich außerdem um einen Pikosekundenlaser handelt, ist dieser im Stande, extrem kurze Impulse mit einer Dauer von neun Pikosekunden zu erzeugen. Eine Pikosekunde entspricht lediglich dem Billionstel einer Sekunde. Mittels des Lasers kann der Einschlag eines ionisierenden Teilchens in ein elektronisches Bauteil nachgeahmt und anschließend die Auswirkungen dieses simulierten SEEs analysiert werden. Im Gegensatz zu vergleichbaren Tests mit Beschleunigern gestaltet sich die Arbeit mit dem Laser leichter, da unter anderem keine aufwändigen Maßnahmen zum Strahlenschutz getroffen werden müssen. Zudem ist der Einsatz von Lasertechnologie insgesamt günstiger und wirtschaftlicher. Alternative Versuche zu SEEs wie beispielsweise der Beschuss von Bauteilen mit Schwerionen mittels Beschleunigern sind nicht annährend so genau. Es kann nicht gezielt gesteuert werden, wo ein Schwerion das Bauteil treffen soll und da es beim Einschlag zur Ausstrahlungen kommt, lässt sich die genaue Stelle des Effekts nicht lokalisieren. Mit dem Laser hingegen ist die Position des SEEs auf den Mikrometer genau bestimmbar. Dadurch kann exakt festgestellt werden, an welchen Stellen eines Bauteils und mit welcher Wahrscheinlichkeit die verschiedenen SEE-Typen auftreten. Ebenfalls wurden bei Versuchen mit dem Lasersystem bereits SEE-Muster beobachtet, die in Tests mit Schwerionen nicht beobachtet wurden. „Durch die Testreihen mit dem Laser ergeben sich völlig neue Möglichkeiten der Fehleranalyse“,  erläutert Dr. Metzger.

Dafür muss das Bauteil geöffnet werden, da das Laserlicht ansonsten nicht durch die Ummantelung dringt. Dieser Schritt erfolgt ebenfalls am INT mit Hilfe einer speziellen Vorrichtung zum Aufätzen von Bauteilen. Der Laserstrahl mit einem Durchmesser von fünf Mikrometern wird mithilfe eines Mikroskopobjektivs auf das zu beschießende Bauteil fokussiert. Währenddessen lässt ein akustooptischer Modulator (AOM) immer nur einen Impuls zum Bauteil hindurch, der ein einziges ionisierendes Teilchen simulieren soll. Das Bauteil wird anschließend in Schritten von bis zu 100 Nanometern abgetastet, mit variierenden Energieleveln beschossen und die Effekte analysiert. Dadurch ist eine Karte des Bauteils erstellbar, welche die Regionen zeigt, die anfällig für SEEs sind.

 

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Beschuss aus dem Weltraum

Auslöser für die untersuchten Effekte ist ein Phänomen aus der Astrophysik, denn die Erde steht kontinuierlich unter Beschuss von kosmischer Strahlung. Diese Strahlung stammt aus den Tiefen des Weltraums und besteht größtenteils aus Protonen, Heliumkernen und schwereren Atomkernen. Ein Teilchen dieser kosmischen Strahlung kann einen Single Event Effect verursachen. Dabei können verschiedene Typen von SEEs auftreten. Ein Single Event Functional Interrupt (SEFI) beispielsweise führt zum vorübergehenden Verlust der normalen Funktionalität, während bei einem Single Event Burnout (SEB) ein permanenter Kurzschluss entsteht.

Gerade in der Luft- und Raumfahrt rücken Strahlungseffekte auf elektronische Bauteile wie SEEs aufgrund der erhöhten Strahlendosis im Weltraum in den Fokus. Dadurch sind besonders Bauteile von Apparaturen in Satelliten, Raumkapseln oder auch Flugzeuge anfällig für SEEs. Die Intensität der Strahlung aus dem Weltraum nimmt zur Erde hin ab, da diese von Atmosphäre und Magnetfeld gedämpft wird. Aber auch bis zur Erdoberfläche dringen vereinzelt ionisierende Teilchen durch, welche SEEs auslösen können. So soll ein Bitkipper, der durch einen SEE hervorgerufen wurde, zum Beispiel eine Unregelmäßigkeit bei der Wahl im belgischen Wahlkreis Schaerbeek verursacht haben, in welchem 4.096 Stimmen, also exakt 212, zu viel registriert wurden. Noch dramatischer jedoch sind Fehlfunktionen und Ausfälle von Herzschrittmachern und anderen gesundheitsrelevanten Geräten, die durch solche Effekte hervorgerufen werden können.

Thomas Loose

ist Mitarbeiter am Fraunhofer-Institut für Naturwissenschaftlich-Technische Trendanalysen in Euskirchen.

(hw)

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