iee-buw-anlauf-2015-9754.jpg

"Flexibilität bei der Busauswahl, Stabilität bei der Safety-Kommunikation." Christian LangRedaktion IEE/Renate Schildheuer

Herr Lang, was ist Safe Link und wie funktioniert diese Form der sicher­en Kopplung?

Bei Safe Link tunneln wir ein sicheres Protokoll über Ethernet, und zwar unabhängig vom Bussystem. So können wir Maschinen und Anlagenteile miteinander verbinden, auch dann, wenn sie mit verschiedenen Feldbussystemen arbeiten.

Und dieses Protokoll ist Bihl+Wiedemann-spezifisch?

Richtig, das ist eine Lösung von uns, bei der die Sicherheit im Protokoll steckt, nicht im Übertragungsweg. So können wir problemlos die Standard-Ethernet-Netzwerke verwenden, die in den Anlagen eh schon vorhanden sind.

Nutzt Safe Link das klassische Black-Channel-Prinzip wie die Ethernet-basierten Safety-Systeme oder gibt es Unterschiede?

Das Black-Channel-Prinzip beschreibt das sehr treffend.

Welche Daten und Volumina überträgt Safe Link?

Das Protokoll wurde mit Blick auf zwei Aspekte entwickelt. Zum einen wollten wir alle sinnvollen Sicherheitssignale, die in einem Gerät anfallen, an die anderen Geräte im Netzwerk verteilen können. Das heißt, das jeweilige Gerät hat genügend Bandbreite nach oben im Upload, um seine Informationen an alle anderen Teilnehmer zu kommunizieren. Im Gegenzug steht genug Bandbreite zur Verfügung, um dann auch alle sicherheitsrelevanten Daten der anderen Geräte zu empfangen und zu verarbeiten. Hin­sichtlich der Übertragungsrate für ­schnelle Feldbusse haben wir uns keine Begrenzung auferlegt. Wichtig war es aber, auch bei langsamen Feldbussystemen genügend Reserven zu haben, um eine maximale Anlagenperformance zu gewähr­leisten. Sollten im Black-Channel über den Feldbus einzelne Telegramme verloren gehen, hat Safe Link durch intelligente Mechanismen genügend Reserven, um dies auszugleichen. Damit erreichen wir mit Safe Link für den Endkunden eine optimale Zuverlässigkeit auch unter schwierigen Bedingungen.

Können Sie mir kurz Beispiele für die Informationen geben, die als Upload zu den anderen Teilnehmern im Netzwerk beziehungsweise als Download zu den Geräten gesendet werden?

Zum einen können das Informationen über einzelne AS-i-Slaves oder sichere Eingänge sein, etwa einzelne Lichtschranken, die unterbrochen werden. Es können aber auch Geschwindigkeiten sein, die überschritten werden und den Prozess oder die Sicherheit in anderen Anlagenbereichen beeinflussen. Und auch logische Verknüpfungen, beispielsweise bei einer Förderstrecke, kommen in Frage. Wenn die Förderstrecke im Maschinenteil A sehr langsam fährt, besteht auch im Bereich B für Personen keine Gefahr. Fährt die Strecke dagegen sehr schnell, dürfen sich im Bereich B auch keine Personen mehr aufhalten. Daher kommt es häufig vor, dass nicht mehr die einzelnen ­Signale, sondern nur noch Ergebnisse aus dem jeweiligen Gerät an die anderen Safe Link Teilnehmer verteilt werden.

Die Safe Link Teilnehmer kommunizieren per Multicast: Jeder redet mit jedem, ohne einen Master?

Hinsichtlich der Hardware stimmt das zu 100 Prozent; die ­Geräte sind alle gleich aufgebaut. So gesehen gibt es technisch keinen Master, der die Kommunikation koordiniert. Diese Funktion wird bei der Parametrierung einem Gerät zugeordnet, das als Manager im Betrieb dann die Protokollreihenfolge überwacht und die Verfügbarkeit aller Teilnehmer am Safe Link Bus kontrolliert. Es ist aber die gleiche Hardware.

Angenommen, eine Sicherheitssteuerung fällt aus oder wird aus dem Maschinenverbund herausgenommen. Was passiert dann, gibt es sozu­sagen einen Flying-Master?

Das ist eine ganz wichtige Anforderung, die Sie gerade beschreiben. Bei vielen Maschinenbauern und auch bei diversen Anlagenbauern können sich die Konfigurationen ändern. Das bedeutet auch, dass Sicherheitskomponenten unter Umständen dazukommen oder entfallen können. Das Hinzufügen und Entfernen von Teilnehmern geht verhältnismäßig einfach und teilweise auch ‚on the fly‘. Das hängt von der Gesamtstruktur ab. Die einzige Einschränkung besteht beim Manager, der muss immer vorhanden sein.

iee-buw-interv-2015-7255.jpg

"Wir nutzen die vorhandene Infrastruktur für Safe Link." Christian LangRedaktion IEE/Renate Schildheuer

Bei einer neuen Maschinenkonfiguration ändert sich auch die Safety-Konfiguration. Hat das keine Auswirkungen auf die geforderte Risikoanalyse einer Maschine?

Das ist ein sehr komplexes Thema. Das kommt sehr auf Ihre Applikation an. Als verantwortlicher Betreiber der Anlage oder als deren Errichter müssen Sie alle möglichen Kombinationen in Betracht ziehen und sicherstellen, dass den Mitarbeitern zu keinem Zeitpunkt etwas zustoßen kann. Das ist einer der Grund­sätze in der Sicherheitstechnik. Wenn Sie viele verschiedene Varianten haben, müssen diese auch vorher betrachtet werden, spätestens vor der Inbetriebnahme.

Die Modularität, mit der Sie Ihre Anlage mit Safe Link parame­trieren, hilft natürlich, auch hochkomplexe Maschinen oder Anla­gensysteme in überschaubare Einheiten aufzuteilen und so das Gesamtprogramm einfach und übersichtlich zu halten. Und das erleichtert wiederum auch die Risikoanalyse.

In der Vergangenheit gab es bei Bihl+Wiedemann auch die sichere AS-i-Kopplung. Wie sind hier die Zusammenhänge?

Die sichere AS-i-Kopplung ist der Vorläufer des heutigen Safe Link. Hier wurden die Geräte über einen AS-i-Koppelkreis miteinander vernetzt, natürlich noch mit eingeschränkten Möglichkeiten hinsichtlich der Anzahl der zu koppelnden ­Signale. Mit der Ethernet-Technologie sind wir jetzt viel flexibler.

Inwiefern?

Die sichere AS-i-Kopplung war ein AS-i-Koppelkreis, bei dem die Geräte über ein AS-i-Kabel verbunden waren und der den Austausch von bis zu 31 sicheren Signalen unterstützte. Bei Safe Link können dagegen bis zu 31 Geräte mit insgesamt bis zu 1 922 Safety-Komponenten miteinander gekoppelt werden.

iee-buw-interv-2015-7326.jpg

"Safe Link funktioniert busübergreifend." Christian LangRedaktion IEE/Renate Schildheuer

Sie reklamieren für Ihre Lösung, die günstigste Variante zu sein. ­Worauf stützen Sie diese Behauptung?

Ich unterscheide zwischen zwei Arten von günstig. Es gibt einmal die monetäre Form, wenn man lediglich die Komponentenpreise betrachtet. Das macht es leicht, sich einen Überblick zu verschaffen. Und da schneidet Safe Link ganz gut ab. Aber was kostet mich eine Maschine inklusive der Inbetriebnahme und der typischen Fehlersuche bei der Inbetriebnahme?

Wir könnten natürlich den Anspruch erheben, dass kein Mitarbeiter Fehler macht. Die Anlage läuft, egal in welcher Größe, sofort perfekt. Das mögen manche Einkäufer so sehen, in der Praxis sieht es in den meisten Fällen aber anders aus. Es kommt also ein weiterer Aspekt dazu: Wie gut und wie einfach ist die Fehlersuche und Diagnose?

Bei Safe Link haben wir das analog zur Plug-and-Play-Funktionalität von AS-i realisiert: Die einzelnen Geräte werden auf einen beliebigen Switch geführt. Funktioniert das Kabel nicht, bleibt die LED dunkel. Dafür braucht man aber keine komplexen Diagnosewerkzeuge. Bei Problemen auf Telegrammebene spielen die Diagnosemöglichkeiten der Software dagegen eine große Rolle. Viele Firmen haben heute allerdings noch keine ausgefeilte Ethernet-Messtechnik, auch deshalb, weil es in ganz vielen Fällen dann doch irgendwie funktioniert. Für die Fälle, wo es nicht funktioniert, etwa, weil Kabel mit einer hohen Dämpfung geliefert wurden und häufige Telegrammwiederholungen verursachen, stellen wir mit der Software-Lösung Asimon und unserer Diagnose-Software Werkzeuge bereit, mit denen sich die Installation schnell selbst diagnostizieren lässt, ohne dass man dafür einen Ethernet-Fachmann braucht.

Sie haben erwähnt, dass Safe Link auch mit Wlan funktioniert. Hat sich die Akzep­tanz von Funkverbindungen geändert?

Die Denkweise hat sich besonders in der Logistikbranche und Fördertechnik ein Stück weit geändert, ­gerade weil diese Leute zunehmend verstanden haben, wie das Black-Channel-Prinzip funktioniert. Zudem benötigen wir kaum Bandbreite für Safe Link. SAP-Anwendungen und die Lageranbindung funktionieren daher problemlos weiter. Das ist in den Projekt­gesprächen immer wieder ein ganz wichtiger Aspekt. Deshalb haben wir bei Safe Link auch auf die Datenmengen geachtet, um andere Anwendungen nicht zu beeinträchtigen.

iee-buw-interv-2015-7347.jpg

"Industrie 4.0 braucht eine modulare und transparente Safety-Kommunikation." Christian LangRedaktion IEE/Renate Schildheuer

Leidet die Verfügbarkeit der Anlagen nicht unter einem eventuell schwächelnden Wlan?

Diese Aspekte müssen natürlich im Vorfeld betrachtet werden.

Beraten Sie Anwender auch hinsichtlich der Funkausleuchtung und Anordnung der Funk-Repeater und Access Points?

Wir beraten dahingehend, dass wir über Einstellungen eine ­erhöhte Verfügbarkeit gewährleisten können. Das heißt: Safe Link funktioniert auch dann noch, wenn andere Systeme bereits ausfallen. Eine HF-Ausmessung der Antennen machen wir selbst aber nicht. Das können andere besser als wir, und das ist in der Regel auch nicht notwendig. Hier gilt eher der Umkehrschluss: In der Fördertechnik, im Hochregallager und im Staplerverkehr ist ein funktionierendes WLAN-System sowieso Voraussetzung, dass die ganze Applikation funktioniert. Wenn das Regalbediengerät oder der Staplerfahrer nicht mehr weiß, welche Produkte als nächstes aus dem Regal zu holen sind, dann spielt die Sicherheitstechnik an dieser Stelle eine nachgelagerte Rolle.

Eignet sich Safe Link auch für Applikationen mit häufigen Umstellungen, etwa einem Aggregatswechsel an einem Roboter?

Dafür eignet sich Safe Link sehr gut. Inzwischen haben wir eine ganze Reihe an Applikationen realisiert, die von der Flexibilität von Safe Link profitieren.

Braucht jedes Maschinenmodul immer einen Safety-Master?

Es gibt verschiedene Ausprägungen. Was in jedem Safe Link Kreis immer vorhanden sein muss, ist der Manager. Alle anderen Komponenten sind auswechselbar. Auf den einzelnen Aggregaten können zum einen komplette AS-i Gateways mit Safe Link installiert sein. In einigen Fällen wäre das aber überdimensioniert. Es gibt durchaus Aggregate mit geringen Anforderungen an die Sicherheitstechnik und anderen E/A-Daten. Hier reicht ein Safety Basis Monitor als kleiner Bruder mit seiner Ethernet-Diagnoseschnittstelle und Safe Link Anbindung. Diese Geräte haben auf der Frontseite anstelle einer USB-Schnittstelle einen Ethernetport und lassen sich als Lowcost-Lösung in ein Safe Link Netzwerk einbinden.

Gibt es den Safety Basis Monitor auch in IP67?

Den gibt es Stand heute nicht in IP67. Aber wenn die Anforderung aus dem Markt kommt, sind wir dafür gerüstet.

Ist es denkbar, die Safe Link Funktion auch in ein einfaches I/O-­Modul in Schutzart IP67 zu integrieren, das sich bei Bedarf dann am Handling-Modul eines Robo­ters montieren lässt, etwa an einer Schweißzange oder einem Greifer?

Auch solche Safe Link Slaves in IP67 sind denkbar, analog zu unseren bisherigen Modulen mit M12-Anschlüssen für die lokalen Sensoren. Eine solche Lösung lohnt sich vor allem dann, wenn an einem Punkt sehr viele sichere Daten anfallen. In der Praxis ist es aus unserer Sicht aber technologisch und wirtschaftlich besser, die sicheren Ein- und Ausgangsdaten im Feld über sichere AS-i-E/A-Module wie unser sicheres Ausgangsmodul in IP67 zu verteilen.

Können über Safe Link auch Antriebe überwacht werden?

Die wesentlichen Funktionen der Drehzahlüberwachung sind in den Safety Gateways sowie im neuen Safety Basis Monitor zusam­men mit Safe Link integriert. Die gesamte Bandbreite der Drehzahl- und Stillstandsüberwachung decken wir mit unseren Drehzahlwächtermodulen ab.

Welchen Sicherheitslevel erreichen Sie mit Safe Link?

Anwender können mit Safe Link Applikationen bis SIL3/Kat.4/PLe realisier.

Bei Safe Link binden Sie die Sensoren und Aktoren im Feld ausschließlich über AS-i Safety an. Warum nicht auch über Profisafe?

Wir haben das sehr genau durchgerechnet und uns Gedanken gemacht, auch Profisafe über Profibus oder über Profinet bei den Feldmodulen zu implementieren. Wir sind aber nach wie vor der Überzeugung, dass die Anbindung über AS-i hier die wirtschaftlichste Lösung bei Safety-I/Os ist. Natürlich können Sie mithilfe der AS-i-Safety-Gateways auch Profisafe und Safe Link miteinander kombinieren. Das kann bei bestimmten Applikationen eine sinnvolle Ergänzung sein.

Könnten Sie eigentlich auch Steuersignale huckepack über Safe Link transportieren, falls Bedarf bestünde?

Ja, können wir, aber nur in begrenztem Umfang. Technologisch ist das nicht das Problem. Aber Safe Link ist nicht dafür gedacht, Dutzende von I/Os oder Analogwerten zu übertragen. Dafür ist der Feldbus zuständig. Schließlich wollen wir hinsichtlich der Bandbreitenanforderung schmal bleiben.

Wie sieht Bihl+Wiedemann eigentlich das Thema Industrie 4.0?

AS-i und Safe Link eignet sich schon heute sehr gut für das Großprojekt Industrie 4.0. Schließlich geht es auch hier im Endausbau um modulare, selbstorganisierende Produktions­inseln. Hierfür das Sicherheitskonzept mit vertretbarem Aufwand zu realisieren, funktioniert nur mit abgeschlossenen Modu­len. Und das geht mit Safe Link sehr gut.

Ein Automatisierungsmodul benötigt vielleicht nur einen Safety Basis Monitor mit integrierter Drehzahlüberwachung, eine andere Komponente hat nur eine Lichtschranke und einen Not-Halt-Taster. Größere Komponenten nutzen wiederum ein Gateway mit entsprechender Steuerung von Hersteller A mit Profinet, die andere Komponente Steuerungshersteller B mit Sercos oder Steuerungshersteller C mit Ethercat oder Ethernet/IP. All diese Systeme können über Safe Link miteinander kommunizieren und werden dadurch extrem flexibel – zumindest, was die Sicher­heitstechnik betrifft. Sie finden vergleichbare Szenarien heute etwa im Automobilbau. Die Fertigungsstraßen sind dort auch nicht über die gesamte Strecke von einem Hersteller. Es gibt immer wieder Schnittstellen von der Fördertechnik zum Schweißroboter oder zum CNC-Bearbeitungszentrum. All diese Maschinen müssen sicher miteinander kommunizieren können. In der Vergangenheit wurde das klassisch über Relaiskontakte realisiert. Heute ist das über Safe Link elegant machbar.

Stefan Kuppinger

ist Chefredakteur der IEE.

(sk)

Sie möchten gerne weiterlesen?

Unternehmen

Bihl + Wiedemann GmbH Automatisierungstechnik

Floßwörthstr. 41
68199 Mannheim
Germany