Technik im Detail: Ethercat

Mit Ethercat (Ethernet for control automation technology) wurde 2003 ein Ethernet-basierter industrieller Feldbus entwickelt, der sich durch schnelle Zykluszeiten von maximal 100 µs und einen Jitter (Taktungenauigkeit bei der Signalübertragung) von maximal 1 µs kennzeichnet. Ethercat ist mittlerweile genormt (IEC 61158, IEC 61784 und ISO 15745-4). Ethercat rangiert laut dem auf Automatisierungstechnik spezialisieren Marktforschungsunternehmen Quest Technomarketing in den Jahren 2010 bis 2012 hinter Profinet auf Rang zwei.
Wie Standard-Ethernet lässt sich Ethercat mit RJ45-Steckern und 100BaseT-Twisted-Pair-
Kabeln (CAT5, CAT7) in Linien-, Baum- oder Sternform auch über große Distanzen hinweg vernetzen. Switches und Hubs sind dabei nicht nötig. Auch Verbindungen im GBit-Bereich sind mittlerweile möglich. Im Gegensatz zu Ethernet, das nur die Schichten 1 und 2 des OSI-Referenzmodells umfasst, umfasst Ethercat auch die
Anwendungsschicht (Schicht 7).
Ethercat nutzt zwar den Ethernet-Physical Layer (ISO 8803-3) und Standard-Ethernet-Frames nach IEEE 802.3, der Unterschied und damit die gewonnene Geschwindigkeit von Ethercat liegt jedoch in der Art, wie die Datenpakete behandelt werden. Anstelle jedem Empfänger ein für ihn bestimmtes Paket zu senden, das dieser aus dem Netz entnimmt, die Prozessdaten ausliest und wieder zurückspeist, schickt ein Ethercat-Netzwerk Telegramme, auch Process Data Objects (PDOs) genannt, an alle Empfänger im Netzwerk. Sie bestehen aus Daten und Adresse eines oder mehrerer Slaves, wobei ein einziger Ethernet-Frame bis zu 1?486 Byte Prozessdaten enthalten kann, die mit einer Geschwindigkeit von 300 µs übers Netz gehen. Die entsprechenden Slaves entnehmen daraus on the fly nur die für sie relevanten Befehle oder fügen Daten ein. Die Verzögerungszeiten liegen bei diesem Verfahren bei wenigen Nanosekunden. Da ein Ethernet-Frame sowohl in Sende- als auch in Empfangsrichtung viele Teilnehmer erreicht, steigt die Nutzdatenrate auf über 90 % an.
Erreicht wird das durch den im IEEE-Standard 1588 beschriebenen Distributed-Clock-Modus, der vor allem in verteilten Automatisierungsanwendungen seine Vorteile ausspielt, wo zum Beispiel mehrere Achsen gleichzeitig bewegt werden müssen. Die Master-Uhr ermittelt den Laufzeitversatz zu den Slaves und synchronisiert die Kommunikation so, dass alle Slaves ihre Prozessdaten rechtzeitig erhalten.

Durch das Master-Slave-Prinzip fordert ein Ethercat-Netzwerk nur wenig von seinen Endgeräten. Der komplette Prozess erfolgt Hardware-orientiert und ist damit unabhängig von der Prozessorleistung des Controllers, von der in der Steuerung verwendeten Software und der Geschwindigkeit, in der die Protokolle intern abgearbeitet werden. Über sogenannte Ethercat-Klemmen lassen sich deshalb auch Schrittmotoren einfach in eine solche Automatisierungslösung einbinden. Grenzen treten dann auf, wenn der Motor mehr leisten soll als klassische Stellaufgaben in unkritischen Umgebungen. Das ist in vielen Ethercat-Netzwerken der Fall. Wird es anspruchsvoller, muss die Steuerung des Schrittmotors deshalb mehr bieten als ein oder zwei Ethercat-Schnittstellen.

Intelligenter kommunizieren

Ethercat eignet sich aufgrund seiner Echtzeitfähigkeit für dynamische Mehrachsanwendungen. Schrittmotoren treten hier zunehmend an die Stelle von Servoantrieben, vor allem, wenn nur ein enger Bauraum zur Verfügung steht und es auf ein hohes Drehmoment bei niedrigen Drehzahlen und eine schnelle Positionierung bei kurzen Distanzen ankommt. Dazu gehören unter anderem Anwendungen in der Halbleitertechnik, in der Optik, aber auch bei Textil- und Prüfmaschinen. Besonders Prüfanwendungen werden oft als ideales Feld für Ethercat-Vernetzung angepriesen, da man hier Schnelligkeit benötigt und sich Automatisierungslösung und Messtechnik über ein gemeinsames Bussystem verbinden lassen. Von einer Schrittmotorsteuerung im Netzwerk wird deshalb verlangt, dass sie nicht nur eingehende Ablaufsignale an den Schrittmotor weiterleitet, sondern auch Funktionen wie Positionsrückmeldung und Fehlerkorrektur, Laufruhe oder energieeffizienten Motorbetrieb unterstützt. Damit benötigt der Anwender also eine bestimmte Intelligenz am Slave, die zwar nichts mit der Kommunikationsinfrastruktur des Ethercat-Bus zu tun hat, aber die Qualität der Gesamtanwendung beeinflusst. Auch in einem Ethercat-Netzwerk wirkt sich die Genauigkeit der Strommessung der Motorstränge und die damit verbundene Regelgüte des internen Stromreglers, der im Slave ausgeführt wird, auf die Performance der kompletten Lösung aus. Controller, die mit digitalen Signalprozessoren arbeiten, etwa auf Basis der softwarebasierten Stromregelung dspDrive-Technologie, verbessern auf diese Weise die Leistungsfähigkeit des Schrittmotors in einem Ethercat-basierten Netzwerk.

Feldorientierte Regelung

Eine weitere wichtige Regelungstechnologie, die in den letzten Jahren immer mehr Verbreitung gefunden hat, ist die feldorientierte Regelung des Schrittmotors über einen Drehgeber (Closed Loop). Mit der Lage des Rotors wird die Lage des Magnetfeldes erfasst und die Bestromung der Statorwicklung diesem Magnetfeld anpasst. Mit einem richtig eingestellten und Last-nachgeführten Stromvektor, bei dem der Rotor dem Magnetfeld 90° hinterherhinkt, erreicht man nicht nur ein hohes Drehmoment, einen guten Wirkungsgrad und eine hohe Dynamik, sondern auch eine geringe Drehmomentwelligkeit und eine hohe Laufruhe. Denn Motoren, die zum Beispiel zu viel Strom erhalten, werden laut und erhitzen sich mehr. Im
Closed-Loop geregelte Motoren sind geräuschärmer und effizienter, da sie mit weniger Strom gleiche Leistung erbringen und dabei kühler bleiben. Nicht nur Drehzahl und Position lassen sich genau regeln, sondern wie typischerweise für Aufwickel-Anwendungen erforderlich, auch das Drehmoment. Schrittmotoren waren dazu bisher regelungstechnisch nicht in der Lage. Zudem benötigen solche Schrittmotoren oft kein Getriebe, was sie wiederum für Bereiche interessant macht, in denen es auf kleine Baugrößen der verwendeten Komponenten ankommt. Wichtig ist allerdings, dass es sich um echtes Closed Loop handelt, das während der Fahrt Schrittwinkelfehler kompensiert und Lastwinkelfehler innerhalb eines Vollschritts korrigiert und nachführt. Entsprechend des Kraftbedarfs muss Energie zugeführt oder reduziert werden. Dies verhindert Schrittverluste und hält durch die geringe Motorverlustleistung die Temperatur niedrig.

Diese Ansteuerung macht aus dem Schrittmotor einen hochpoligen Servomotor und beseitigt die klassischen Schwächen der Schrittmotortechnologie wie Laufgeräusche, Schrittverluste und Resonanzen. So kann der Schrittmotor dann seine Stärken, das hohe Drehmoment und das gute Gleichlaufverhalten, ungehindert ausspielen. Denn gerade da, wo Ethercat eingesetzt wird, um hohe Dynamik am Antrieb zu erreichen, macht das nur Sinn, wenn der Motor durch eine solche Regelungstechnologie auch mit entsprechend hoher Performance angesteuert wird.

Stephan Huber

: ist Geschäftsführer der Nanotec Electronic GmbH & Co. KG in Landsham bei München.

(mf)

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