Grundsätzlich dient ein AOI-System dazu, Unregelmäßigkeiten in der Fertigung feststellen und defekte Leiterplatten der Reparatur zuzuführen. Das ist aber nur ein Teil der Aufgaben und Herausforderungen, die ein optisches Tessystem erfüllen muss. Vielmehr soll das System eine Möglichkeit der Prozesskontrolle bieten, die einen gezielten Eingriff in einen bestimmten Fertigungsprozesschritt nach sich zieht, um Wiederholungsfehler schnellstmöglich zu eliminieren. Weiterhin darf der Test nicht zu lange dauern, da sonst der Durchsatz einer Fertigungslinie gefährdet währe. Außerdem sollte jeder AOI-Systemhersteller Offline- wie Inline-Lösungen anbieten können. Solche Benchtop- bzw. Tischgeräte sind ideal für Einsteiger und erleichtern einen späteren Umstieg auf inline-fähige Systeme.

Anforderungen an ein AOI-system

Ein modernes AOI-System muss also sowohl Fehler erkennen und anzeigen können, als auch durch rechtzeitige Fehlerbehebung zur Kostensenkung beitragen. Die in diesem Zusammenhang wichtigsten Kriterien sind:
– Die Flexibilität des Systems,
– der Zeitaufwand beim Programmieren,
– der Aufwand zur Beseitigung von Pseudofehlern,
– die Stabilität des Systems sowie
– die Reproduzierbarkeit der Ergebnisse.
Die Frage nach der Bedienbarkeit und Flexibilität wird immer wieder zu Recht gestellt. Was passiert, wenn die Fertigung nicht auf Unregelmäßigkeiten reagieren kann, weil Korrekturen unmittelbar nicht möglich oder nicht sinnvoll sind?

Unregelmäßigkeiten müssen ja nicht zwangsläufig Fehler auf der Baugruppe sein, sondern vielleicht nur gelegentlich auftretende Mängel, die aber letztlich erst am Reparaturplatz für akzeptabel befunden werden können. Eine Reparatur macht wenig Sinn, wenn dabei die gesamte Baugruppe noch mehr beschädigt wird, als sie schon vorher war.

Flexibilität mit AOI

Das AOI-System muss in der Lage sein, sich den jeweiligen Produktionsumgebungen anzupassen, um so immer den Unterschied zwischen gut, akzeptabel und schlecht herausfiltern zu können. Deshalb ist es heute selbstverständlich, dass es bis auf Bauteilebene testen kann. Es muss in der Lage sein bibliotheks-, prüfprogramm- und bauteilgesteuert arbeiten zu können. Daraus ergibt zwar eine gewisse Komplexität – doch das bedeutet nicht unbedingt mehr Aufwand beim Umgang mit dem System. Vielmehr ermöglicht es damit Zugriff auf hauseigene CAD-Daten, einen einfachen Datenimport bei maximaler Formatneutralität und einfache Alternativen dazu, wenn keine CAD Daten vorhanden sind. Wichtig dabei ist, dass man Bauteile innerhalb der Bibliothek nur einmal zuweisen muss.

Das System sollte also bibliotheksgesteuert arbeiten können. D. h., dass alle verwendeten Bauformen in der Systemdatenbank enthalten sind bzw. leicht eingefügt werden können, um beim je nachdem notwenigen nächsten CAD-Import wieder zur Verfügung zu stehen. Einstellungen für Standardbauteile sollten problemlos übernommen werden können.

Die zum Einsatz notwendigen Inspektionsroutinen können in die Bibliothek eingefügt oder noch besser, schon vom System bereitgestellt bzw. vorgeschlagen werden. Natürlich ist es am sinnvollsten, solche vom System vorgeschlagenen Routinen zu übernehmen, anstatt dass sich der Programmierer immer wieder fragen muss, was er eigentlich bei einer bestimmten Bauform testen möchte. Das System wird dann auch genau angeben, was getestet werden kann. Bei den in die Bibliothek eingefügten Sonderroutinen ist es besonders wichtig, dass auch diese weiteren Prüfprogrammen zur Verfügung stehen, um weitere, jetzt unnötige Programmierungen zu vermeiden.

Als großer Vorteil erweist sich hier die Möglichkeit, nach Sachnummern zu aktualisieren. Wenn z. B. mehrere Bauteile gleichen Typs mit verschiedenen Aufschriften vorliegen, sollte das System in der Lage sein, diese nach der Sachnummer die Bibliothek zu aktualisieren, wobei spezielle Tests, wie z.B. OCR, helfen. Ein Großteil der Arbeit wird so schon vom System erledigt.

Man spricht hier vom Erstellen eines Prüfbildes, welches alle Tests umfasst, die für eine AOI möglich sind, sofern die physikalische Beschaffenheit der Baugruppe und die Fertigung es zulassen.

Programmieraufwand und Prüfprogrammsteuerung

Wenn eine Baugruppe einmal mit einem Orpro Vision-AOI-System erfasst worden ist, dann ist auch keine Neuprogrammierung mehr notwendig. Das wäre ein unnötiger Aufwand. Natürlich müssen Schwellwerte den vorgegebenen Toleranzen entsprechend angepasst werden. Diese Schwellwerte können dann aber wieder der Bibliothek zur Übernahme für andere Prüfprogramme zur Verfügung gestellt werden.
Um die Prüfprogammsteuerung zu verstehen, muss man sich die prinzipielle Art der Inspektion im Klaren sein.

1. Es gibt Inspektionsmethoden, welche sich z. B. an der IPC-Norm orientieren. Hier sind Versatz, Lotmenge, Lötstellenausformung maßgebend.

2. Inspektionen, die sich auf einen mathematisch berechneten Schwellwert beziehen, welche die Anwesenheit sowie die korrekte Form der Lötstelle des zu prüfenden Objektes beschreiben soll. Dieser Schwellwert ist sehr stark von der Anlieferqualität der Leiterplatte und der Bauteile abhängig und muss regelmäßig angepasst werden.

3. Bei der Inspektionsmethodik, die eine Symbiose zwischen beiden obigen Verfahren herstellt, werden alle Ergebnisse in einen Pool gegeben, wo sie sortiert gespeichert, berechnet und reproduzierbar wieder zur Verfügung gestellt werden.

Die lernfähige Datenbank

Die Kombination der ersten zwei Methoden beschreibt den Ist-Zustand einer Bauform, der mit dem Soll–Zustand innerhalb der Bibliothek verglichen wird. Wenn also die Gut-Schlecht-Beispiele vom System separiert werden können und diese Sortierung mathematisch erfasst wird, dann kann das Ergebnis aller gesammelten Daten mit dem vorliegenden Datensatz verglichen werden, um hier eine Entscheidung über den physikalische Zustand des Objektes zu treffen. Je mehr Beispiele das System gesammelt hat, desto eher kann der Soll-Zustand erreicht werden. Es handelt sich also um ein „Erlernen“ von Bauteilen. Man sprich auch von einer „lernfähigen“ Datenbank. Entscheidend ist, dass dieses Einlernen gleichbedeutend ist mit dem Anpassen der automatischen Entscheidungsfähigkeit des AOI an die Realität der Fertigung und der dort auftretenden Varianzen.

Damit ist auch die Frage nach Fehlalarmen, die in erster Linie durch solche Varianzen entstehen, erledigt. Je größer die Fähigkeit des AOI-Systems ist, Varianzen zu erfassen und zu erlernen, desto geringer ist auch der Aufwand, Bauformen immer wieder anpassen zu müssen, die durch Fehlalarme auffällig werden.

Damit das Prüfprogramm rasch auf einem zuverlässigen Stand ist, sollte das „Lernen“ parallel zur Inspektion bei laufender Fertigung passieren. Wenn das Prüfprogramm erstellt und eine Feinjustierung innerhalb der Produktion stattgefunden hat, diese erlernten Informationen automatisch gesammelt und dem System vom Bediener zur Verfügung gestellt. Das System kann also „on the fly“ optimiert werden.

Reproduzierbarkeit der Ergebnisse

Es versteht sich von selbst, dass die Systemarchitektur die Reproduzierbarkeit der Ergebnisse bedingt. Notwendigerweise sollten also Kamerakopf, Kameras und Beleuchtung nicht manuell beeinflusst werden. Ein hoher Grad an systemimmanenter Kalibrierungstechnik ist hier mit gefordert.

Wenn ein 3D-AOI-System selbständig in der Lage ist, seine Kameraaufnahmeposition und Lichtausrichtung zu justiere, kann man davon ausgehen, dass dieses System immer auf Basis gleicher Ausgangsinformationen arbeitet. Das kommt vor allem dann zum tragen, wenn man mit mehreren AOI-Systemen parallel, die alle auf die gleiche Bibliothek zugreifen. Nur so können auch die gleichen bzw. stabilen Ergebnisse erzielt werden. Die Automation von Selbstkalibration und Überwachung der Systemfunktionen muss als Standard vorausgesetzt werden können. Nur so können mit wenig Aufwand die besten Ergebnisse erzielt werden.

Bei allem Automatismus, muss das AOI-System aber dennoch die Flexibilität besitzen, um Tests manuell einzustellen. Diese genannte „Makro-Programmierung“ bedeutet, dass der Programmierer sich Kamera- und das Lichteinstellung selbst aussuchen darf, wenn ein spezieller Test erforderlich ist.

Die Grenzen von AOI

Natürlich stößt auch ein optisches Inspektionssystem auf Grenzen, wie z. B. bei der Analyse eines BGAs. Das System kann hier nicht unter das Bauteil schauen. Es ist aber immer noch in der Lage Kriterien wie Versatz, Anwesenheit, Beschriftung und Orientierung inklusive Polarität zu erkennen. Es ist auch möglich, anhand des Schattenwurfs herauszufinden, ob der BGA „plan“ auf der Leiterplatte liegt.

Dr Titus Suck

: Regional Director der Orpro Vision in Hameln

(hb)

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