Referenz Buehler in Uzwil CH   marcel.roske@siemens.com

Der schweizer Maschinen- und Anlagenbauer Bühler modelliert mit einem selbstentwickelten Tool die Anlagensoftware auf Basis der Daten der vorgelagerten Engineering-Prozesse und generiert anschließend automatisch den Code für die Steuerung, der über die Openness-Schnittstelle in das TIA Portal übertragen wird. (Bild: Siemens)

… eine passende Systemumgebung und Prozesse, um das Potenzial dieser Tools voll ausschöpfen zu können. Wie eine solche Umgebung aussehen kann, das zeigt der schweizer Maschinen- und Anlagenbauer Bühler aus Uzwil.

Bei vielen Maschinen- und Anlagenbauern sind die Auftragsbücher prall gefüllt – eine gute Sache. Aber wie lassen sich immer mehr Projekte mit einer begrenzten Zahl an Programmierern und Ingenieuren effizient umsetzen? Und wie können diese Unternehmen ihre Engineering-Prozesse so optimieren, dass sie mit dem steigenden Kosten- und Zeitdruck im globalen Wettbewerb Schritt halten? Bühler arbeitet beispielsweise seit vielen Jahren daran, seine Standardprozesse im Engineering zu automatisieren und so seine Spezialisten von Routineaufgaben zu entlasten, erklärt Philipp Engler, der bei Bühler in Software-Entwicklung tätig ist. „Wir entwickeln und realisieren als Partner unserer Kunden maßgeschneiderte Komplettlösungen aus Prozesstechnik, Maschinen und Automatisierung. Das setzt voraus, dass wir die Anlage für jeden Kunden effizient erstellen können – schnell, fehlerfrei und modular, damit wir Anlagen einfach individuell konfigurieren, modifizieren und erweitern können.“

Eckdaten

Der Maschinen- und Anlagenbauer Bühler setzt ein eigenes Entwicklungs-Tool ein, das die erforderliche Anlagensoftware für Kundenanlagen auf Basis der Daten des vorgelagerten Engineerings modelliert und dann den Code für die Maschinensteuerung automatisch generiert.

Die Anlagensoftware wird mithilfe einer Bibliothek mit mehr als 100 Objekttypen modelliert und strukturiert.

Das Entwicklungstool von Bühler nutzt die offene und bidirektionale Openness-Schnittstelle im TIA Portal von Siemens; das TIA Portal übernimmt die Logik und modulare Struktur des Anlagenmodells.

Durch die Offenheit kann Bühler die Daten des P&ID in der Automation effizient zu nutzen und über 90 Prozent des Automatisierungscodes automatisch erzeugen.

Automatisierungscode automatisch erzeugen

Aus diesen Gründen setzt Bühler seit vielen Jahren ein selbst entwickeltes Tool ein, das die erforderliche Anlagensoftware für die Anlage auf Basis der Daten des vorgelagerten Engineerings modelliert und dann den Code automatisch generiert. Dieses Tool mit dem Namen GCPRO nutzt in der aktuellen Version die Openness-Schnittstelle des TIA Portals; es ist aber auch mit älteren Systemversionen von Siemens kompatibel. Das ist für den Maschinen- und Anlagenbauer wichtig, weil das Unternehmen seit vielen Jahren die Simatic-Automatisierungsplattform nutzt und entsprechend viele Systemgenerationen im Feld warten und modernisieren muss. „Insgesamt arbeiten wir bereits seit 25 Jahren mit unserem Tool GCPRO“, erläutert Armin Egli, ebenfalls Software-Entwickler bei Bühler und einer der ‚Erfinder‘ dieses Tools. „Für die Simatic-S5-Steuerungen haben wir noch den AWL-Compiler verwendet, für den Simatic-Manager dessen Kommandoschnittstelle und nun für das TIA Portal die neue Openness-Schnittstelle. Die Offenheit der Siemens-Werkzeuge ermöglicht es uns, die Daten des P&ID in der Automation effizient zu nutzen. Wir sind so in der Lage, über 90 Prozent des Automatisierungscodes automatisch zu erzeugen – und können uns voll und ganz auf die spezifischen Kundenanforderungen der jeweiligen Applikation konzentrieren.“

Für die Modellierung der Anlagen-Software steht den Projektingenieuren bei Bühler eine Bibliothek im GCPRO mit mehr als 100 Objekttypen zur Verfügung. Die Objekte werden hierarchisch in einem Objekt-Baum strukturiert: Die oberste Ebene bilden die Prozesslinien der Anlagen, die unterste die digitalen und analogen Signale. Zusätzlich verfügt jedes Objekt über Anschlusspunkte, um es mit seinen Nachbarn oder seinen Aktoren und Sensoren zu verbinden. Auf diese Weise werden auch alle für die Automatisierung relevanten mechanischen Verbindungen konfiguriert. Ist die Anlagensoftware im GCPRO fertig modelliert, wird anschließend der Programmcode für eine ganze Anlage oder einen Anlageteil per Knopfdruck erzeugt. Der Code-Generator analysiert die Anordnung der Objekte im Baum und alle Verbindungen der Objekte und überführt diese Struktur ins TIA Portal, sodass die Automatisierungssoftware immer nach der gleichen Logik aufgebaut ist. Die Funktionen und Objekte liegen zentral in der Bibliothek des GCPRO und werden dort gepflegt – dadurch wird die Software immer auf dem aktuellen Stand generiert. Weil die Bausteine getestet sind, enthält der Automatisierungscode keine Fehler, sodass die Projektqualität insgesamt höher ist. Der modellorientierte Ansatz sorgt außerdem dafür, dass die Automatisierungssoftware modular aufgebaut ist und so leicht erweitert und angepasst werden kann.

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Unverzichtbar für die Leistungsfähigkeit der Anlagen ist eine offene und skalierbare Automatisierung – deswegen setzt Bühler auf Simatic Produkte und Systeme. Siemens

Vorteile für die Anlagenentwickler

Die Integration zwischen unternehmenseigenen Entwicklungstools und dem TIA Portal bringt für Bühler mehrere Vorteile, ohne die die Entwickler in der Schweiz „gar nicht arbeiten könnten“, sagt Engler. „Wir haben praktisch keine Anlage, die es weltweit so ein zweites Mal gibt. Deswegen müssen wir flexibel auf Kundenanforderungen eingehen können und reibungslos mit den vorgelagerten Disziplinen wie Anlagenplanung und Elektroplanung zusammenarbeiten. Wichtig ist dabei, dass wir einen durchgehenden Datenfluss durch die einzelnen Disziplinen aufrechterhalten, damit keine Informationen verloren gehen. Diese Durchgängigkeit können wir mit unserem Tool und der Openness-Schnittstelle bis zur fertigen Automatisierungslösung sicherstellen.“

Auch die Integration in umgekehrter Richtung erleichtert die Arbeit, ergänzt Egli: „Ich kann mir auch jederzeit die Online-Daten aus dem TIA Portal zurück importieren und anzeigen lassen, inklusive aller Änderungen, die zum Beispiel der Kunde später im Betrieb durchgeführt hat. Ich kann bestehende Bausteine mit der Compare&Merge-Funktion vergleichen und erweitern oder ändern, die Software testen, alles in einem Tool.“ Das Schöne daran ist für Egli: „Wir schaffen keine Abhängigkeiten. Die Anlage kann auch in Zukunft direkt mit der neusten Version von TIA gewartet werden.“

Das automatisierte Engineering ermöglicht es Bühler, die Projektdurchlaufzeiten kurz und das benötigte Testing effizient zu gestalten. So bleibt die Engineering-Qualität konstant hoch. Dazu trägt auch ein weiteres Merkmal der Entwicklungsprozesse bei dem Maschinen- und Anlagenbauer bei: Eine Prozesslinie ist nach dem Kompilieren lauffähig und kann mit den entsprechenden Werkzeugen simuliert werden – so lässt sich die Software optimieren und testen, während die eigentliche Automatisierungs-Hardware bereits mit der Anlage ausgeliefert wird. Dazu nutzt Bühler eine eigene Simulationsumgebung mit dem virtuellen S7-1500-Controller ‚PLCSim Advanced‘. Diese Software-SPS läuft bei Bühler in einer virtualisierten Umgebung und soll in Zukunft auch eine komplett virtuelle Inbetriebnahme der Automatisierung ermöglichen. „Die ersten Tests dazu laufen bei uns bereits, und wir sind mehr als zufrieden“, versichert Engler und ergänzt: „Diese virtuelle Software-SPS für S7-1500-Steuerungen ist genau das, was wir gebraucht haben.“

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„Digitalisierung ist für uns zunächst die nahtlose Verknüpfung vorhandener Services, um sie optimal nutzen zu können. Die Openness-Schnittstelle ermöglicht es der Automation, an diesem Prozess optimal zu partizipieren“, meint Philipp Engler, Software-Entwickler bei Bühler. Siemens

Vorteile für die Anlagenbetreiber

Das automatisierte Engineering entlastet die Projektentwickler nicht nur von Routineaufgaben, sondern es verbessert auch den Support für die Anlagenbetreiber. „Alle unsere Anlagen folgen einer gleichen Logik und Struktur“, erklärt Engler. Deshalb lassen sich die Kundenanlagen unabhängig von bestimmten Support-Mitarbeitern betreuen. „Das hat für unsere Kunden den Vorteil, dass wir sie schneller und besser vor Ort unterstützen können. Und nebenbei nutzen wir so auch unsere eigenen Ressourcen besser.“

Die hohe Standardisierung innerhalb der Automations-Plattform von Bühler hilft so, die hohen Qualitätsanforderungen zu sichern und effizient umsetzen zu können. „Wichtig ist aber, dass die Software trotzdem funktional erweiterbar bleibt, um die individuellen Bedürfnisse unserer Kunden optimal abzudecken“, fährt Engler fort. „Diese Balance zu finden ist eine kontinuierliche Herausforderung und braucht ein spezielles Know-how.“

Neben dem Ausbau und der Pflege der Engineering-Umgebung denken Philipp Engler und Armin Egli auch über zusätzliche Services und Angebote nach, die sich mit der Integration von TIA Portal und den eigenen Tools realisieren lassen. So ist es zum Beispiel denkbar, über Fernzugriff den aktuellen SPS-Code zu analysieren und den Kunden bei Fehlerbehebungen oder Problemen beim Betrieb der Anlage zu unterstützen: „Wir können uns zur Laufzeit auf die Anlage aufschalten und die Abhängigkeiten und Verriegelungen analysieren, die beispielsweise verhindern, dass ein Motor anläuft. So vermeiden wir zeitfressende Einsätze von Service-Mitarbeitern vor Ort – und die Anlagen haben eine höhere Verfügbarkeit! Das ist für unsere Kunden ein ganz wichtiger Punkt.“

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Die Offenheit der Siemens-Werkzeuge ermöglicht es uns, die Daten des P&ID in der Automation effizient zu nutzen. Wir sind so in der Lage, über 90 % des Automatisierungscodes automatisch zu erzeugen“, erklärt Armin Egli, Software-Entwickler bei Bühler. Siemens

Basis für Digitalisierung der Wertschöpfungskette

Neben diesen Anwendungen schafft die integrierte Engineering-Umgebung bei Bühler die Voraussetzung, neue datenbasierte Strategien und Services zu entwickeln. „Die Digitalisierung ist für uns zunächst die nahtlose Verknüpfung vorhandener Services, um sie besser nutzen zu können“, sagt Engler. Dazu muss die Verfügbarkeit und Durchgängigkeit von Daten über verschiedene Fakultäten der Anlagenplanung sichergestellt sein. Dies setzt offene Tools wie die Openness-Schnittstelle voraus. „Diese offene Schnittstelle ermöglicht es unseren Automatisierungsspezialisten, die Anlagenverbesserungen sehr schnell zu verteilen, weil die entsprechende Software nicht kopiert, sondern auf Basis der aktuellsten Vorlagen neu erstellt wird.“ Außerdem ist die Durchgängigkeit der Daten entscheidend bei der effizienten Umsetzung von Änderungen.

„Mit Blick auf die Zukunft ergeben sich aus diesen Möglichkeiten mit der Automatisierungsplattform von Siemens vielleicht neue Geschäftsmodelle für uns“, erläutert Burkhard Böndel, Leiter der Unternehmenskommunikation bei Bühler. Das Unternehmen kann sich beispielsweise integrierte Lösungen mit dem Anlagenbetreiber vorstellen. In den Anlagen, die wir herstellen, werden beispielsweise agrarische Produkte verarbeitet; deren Eigenschaften sind von Faktoren wie Anbaugebiet, Erntezeitpunkt und Witterung abhängig. Böndel weiter: „Diese Daten werden entlang der Lieferkette erfasst und könnten zum Beispiel mit einer Charge Weizen verknüpft werden, die in einer Mühle zur Verarbeitung ansteht. Dann könnten wir im Vorfeld bereits die richtigen Anlagenparameter für diese Charge ermitteln und auf die Anlage aufspielen. So helfen wir dem Betreiber, Ausbeute und Qualität zu steigern.“ Solche Lösungen benötigen eine offene Automatisierungsplattform – das TIA Portal bietet dafür bereits heute die erforderlichen Voraussetzungen.

Marcel Roske

ist Marketing Manager Simatic HMI bei Siemens in Nürnberg.

Pietro Zanoni

ist Produktmanager Simatic bei Siemens in Zürich.

(dw)

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