Batterietestsystem für den Praktikumseinsatz. Studierende stärken ihr Grundverständnis für elektrochemische Speicher und erfahren praktisch das Verhalten von Zellen.

(Bild: TH Ingolstadt)

Die Technische Hochschule Ingolstadt bietet ein vielseitiges Qualifizierungsangebot im Bereich Elektromobilität. Interessierte können zwischen verschiedenen Studienprogrammen wählen, die allesamt Vorlesungen zu elektrochemischen Energiespeichern enthalten:

  • Bachelor: B. Eng. Elektrotechnik und Elektromobilität, B. Eng. Elektromobilität (berufsbegleitend)
  • Master: M. Eng. Elektrotechnik mobiler Systeme, M. Eng. Elektromobilität (berufsbegleitend), M.Eng. Elektromobilität und Fahrzeugelektrifizierung (berufsbegleitend)

Der Vertiefung und Festigung des theoretischen Wissens anhand praktischer Versuche im Lehrlabor kommt in allen Studiengängen besondere Bedeutung zu. Eine enge Verzahnung von Theorie und Praxis verbessert nicht nur die Lernergebnisse, sondern bereitet die Studierenden optimal auf ihre zukünftige Rolle als Ingenieur vor.

Damit sich Absolventen im rasch entwickelnden Gebiet elektrochemischer Zellen stets kompetent zurechtfinden, wurde ein neues Energiespeicherpraktikum entwickelt. Studierende sollen ihr Grundverständnis für elektrochemische Speicher stärken und das prinzipielle Verhalten einer Zelle praktisch erfahren können. Hauptziel ist, dass sie den Umgang mit den wichtigsten Kenngrößen und Parametern von Batteriezellen erlernen und diese auch selbstständig durch Versuchsaufbauten ermitteln können – Kompetenzen, die später nötig sind, um Energiespeichersysteme auszulegen oder in ein System zu integrieren.

Das Energiespeicherpraktikum umfasst vier grundsätzliche Lernbereiche:

  • Kontaktübergangswiderstand
  • Zellspannung in Abhängigkeit des Ladezustands
  • Innenwiderstand und Maximalleistung
  •  Energieinhalt und Wirkungsgrad
Ein komplettes Lehrlabor an der Technischen Hochschule Ingolstadt enthält 13 dieser Batterietestsysteme im 19-Zoll-Gehäuse.

Ein komplettes Lehrlabor an der Technischen Hochschule Ingolstadt enthält 13 dieser Batterietestsysteme im 19-Zoll-Gehäuse. TH Ingolstadt

Diese Themen werden während verschiedenster Versuche in fünf Lehr-Terminen mit je drei Zeitstunden erfahren. Das Praktikum führt auf einen abschließenden Matlab-Simulink-Workshop hin, in dem die Messungen der Studierenden genutzt werden, um ein Simulationsmodell zu parametrisieren und ein Energiespeichersystem auszulegen.

Vorlesungsbegleitende Laborpraktika finden unter speziellen Rahmenbedingungen statt – etwa zeitlichen, räumlichen und finanziellen Begrenzungen – und müssen sich gleichzeitig hohen Anforderungen an die Sicherheit der Studierenden unterordnen. Gebrauchsfertige industrielle Zelltester und Temperaturschränke, die meist große, gegebenenfalls mehrkanalige und teure Geräte sind, können daher als Testsysteme im Lehrlabor für die Arbeit studentischer Kleinstgruppen nicht eingesetzt werden.

Im Rahmen der Schaufenster-Initiative Bayern-Sachsen „Elektromobilität verbindet“ wurde deshalb zum Einsatz im Energiespeicherpraktikum ein neues, handliches 19-Zoll-Zelltestsystem entwickelt, das klein, flexibel und sicher ein effektives und individuelles Lernen der Studierenden ermöglicht. Besonders die Kombination aller für den Lehrbetrieb nötigen Funktionen in kompakter Ausführung ist ein Alleinstellungsmerkmal.

Die TH Ingolstadt stattete ein komplettes Lehrlabor mit 13 dieser Geräte aus und erprobt sie in Studiengängen der Elektrotechnik und Elektromobilität. Die Studierenden begrüßen die praktischen Versuche am Tester und bevorzugen das neue Hands-On-Praktikum gegenüber Versuchen mit Batteriezellen, die auf Computersimulation basieren.

BATTERIETESTSYSTEM

Als Basisgehäuse für das System dient ein 19-Zoll-Tischgehäuse mit drei Höheneinheiten. In dem Gehäuse befinden sich drei Module mit standardisierter Einschubtechnik nach IEC 60297-3-101, die ein einfaches Anpassen des Systems an den gewünschten Funktionsumfang oder an zukünftige Entwicklungen ermöglicht. Die Signalübermittlungerfolgt durch Steckverbinder nach IEC 60603-2. Die Funktionen der drei Module decken die Bedürfnisse des Energiespeicherpraktikums. Enthalten sind erstens ein Potentiostat/Galvanostat-Modul für den eigentlichen Messbetrieb, zweitens ein Thermostatmodul sowie drittens ein Sicherheitsmodul.

Um auch schon die Produktion des Testers zur Ausbildung von Studierenden nutzen zu können, wurden die Platinen so gestaltet, dass eine leichte Handbestückung durch studentische Hilfskräfte möglich ist. Die meisten Bauteile sind im relativ großen SMDFormat 0805. Als Recheneinheit dient in allen Modulen ein Prozessor des Typs ARM Cortex M4.

POTENTIOSTAT/GALVANOSTAT

Zentrales Element des Geräts ist ein Potentiostat/Galvanostat, der Versuche mit kleineren Einzelzellen bis zirka 600 mAh erlaubt. Ströme und Spannungen lassen sich damit zeitabhängig gesteuert in eine Zelle einprägen und auch messen. Der Spannungsbereich ist für Messungen von -12 V bis +12 V symmetrisch aufgebaut, wobei Ströme bis zu 8 A entladend und 4 A ladend bereitgestellt werden. Zusätzlich zu der Gleichspannungskomponente besteht die Möglichkeit, eine Wechselspannung mit geringerer Amplitude zu überlagern, um Impedanzmessungen bis 10 kHz zu ermöglichen. Hierbei bestimmt das Gerät den Betrag der Impedanz und bis 5 kHz auch die Phase.

Abgesehen von der technischen Umsetzung war der Kompromiss zwischen Kosten beziehungsweise Herstellungsaufwand und Messgenauigkeit eine Herausforderung. Die Geräte sollten einfach zu bauen und zu warten sein, aber dennoch wissenschaftlich verwertbare Ergebnisse liefern, um den Studierenden eine möglichst reale Testumgebung zu bieten. Das Hauptaugenmerk lag deshalb auf einer möglichst hohen Messgenauigkeit und nicht auf der exakten analogen Einprägung von Strom und Spannung. Diese wird aufgrund der Messung nachgeführt.

Der Galvanostat/Potentiostat kann von einem Laborcomputer über serielle Kommunikation (USB) über Steuerprogramme auf C# und Java-Basis sowie über einen Labview-Treiber gesteuert werden. Im Praktikumsbetrieb kommt das während einer Abschlussarbeit entstandene Java-Programm zur Anwendung, das bezüglich Architektur und Benutzerschnittstelle stark an die Versuchssoftware von industriellen Testgeräten angelehnt ist. Es erlaubt den Studierenden, die Versuchsabläufe frei zu programmieren und bereitet sie so auf das spätere Berufsleben vor.

THERMOSTAT

Eine große Herausforderung für die Elektromobilität ist die starke Temperaturabhängigkeit elektrochemischer Energiespeicher. Um innerhalb einer Unterrichtseinheit zum Beispiel Tests zum Innenwiderstand nach ISO 12405-1 durchführen zu können, ist es erforderlich binnen 20 Minuten von Raumtemperatur auf -18 °C herunter zu kühlen. Zusätzlich heißt es, für die Unterrichtsplanung die nötige Wartezeit für eine homogene Temperaturverteilung im Inneren der Zellen zu bedenken.

Da langsame Temperaturkammern mit Konvektionskühlung oder Fluidthermostaten hierfür nicht in Frage kommen, erfolgt die Kühlung mithilfe eines kleinen, kostengünstigen und extrem schnell reagierenden zweistufigen thermoelektrischen Kühlers auf Basis von Peltier-Elementen.

Für eine schnelle Kühlung wird die zu untersuchende Batteriezelle vierseitig im direkten Kontakt zum Metall montiert. Ein Isolationswürfel aus Schaumstoff, der die Kühlvorrichtung mit dem Prüfling von der Umgebung isoliert, verringert Energieverluste.

SICHERHEITSMODUL

Der integrierte thermoelektrische Kühler auf Basis von Peltier-Elementen erlaubt eine rasche Temperierung von Zellen im Temperaturbereich von -25 °C bis 50 °C. Um während eines Lehrtermins mehrere Messungen bei unterschiedlichen Temperaturen vornehmen zu können, ist die Kühlleistung ausschlaggebend.

Der integrierte thermoelektrische Kühler auf Basis von Peltier-Elementen erlaubt eine rasche Temperierung von Zellen im Temperaturbereich von -25 °C bis 50 °C. Um während eines Lehrtermins mehrere Messungen bei unterschiedlichen Temperaturen vornehmen zu können, ist die Kühlleistung ausschlaggebend. TH Ingolstadt

Bei falscher Behandlung sind Lithium-Ionen-Batteriezellen potenziell gefährlich, weil sie aufplatzen oder in Brand geraten können. Um dennoch stets die Sicherheit der Studierenden zu gewährleisten, müssten Versuche entweder stark vereinfacht oder in Schritt-für-Schritt Versuchsanleitungen erstellt werden, denen der Studierende ohne Freiheitsgrade genau zu folgen hat. Diese Maßnahmen würden allerdings ein selbständiges Planen von Experimenten durch Studierende und damit eigentlich ein Kernelement aus der Arbeitswelt eines Ingenieurs unterbinden.

Um dennoch Versuche mit Eigenverantwortung zu ermöglichen, wurde ein spezielles Sicherheitsmodul integriert, das der Dozent zuvor vorparametriert und das den Studierenden Autonomie bei der Steuerung des Batteriesystems gibt. Es überwacht Stromstärke, Spannung sowie Temperatur des Prüflings und trennt diesen bei Verlassen des erlaubten Bereichs automatisch vom Testsystem. Da die zusätzlich installierte Sicherheitseinrichtung vom Studierenden nicht zu beeinflussen ist, kann der Lernende die Programmierung des Potentiostaten/Galvanostaten frei vornehmen und gegebenenfalls auch durch Versuch und Irrtum intensive Lernerfahrungen sammeln.

VERSUCHE

Die mitentwickelten Versuchsanleitungen sind nicht schrittweise vorgegeben sondern fördern durch Entscheidungsfreiheit ein Nachdenken über das jeweilige Lernthema in einem Umfeld, das praxisnahes Lernen aus Fehlern ermöglicht. Folgende Studentenversuche werden seit Sommer 2016 mit den Geräten erprobt und iterativ verbessert:

  • Laden/Entladen einzelner Akkumulatorzellen verschiedener Art zur Erfassung der Zellspannung in Abhängigkeit des Ladezustands.
  • Bestimmung des Innenwiderstands nach ISO 12405-1.
  • Bestimmung der maximal entnehmbaren Leistung unter Temperaturabhängigkeit.
  • Kapazitätsbestimmung in Abhängigkeit vom Lastprofil.
  • Vermessung von Größen unter einem Lastprofil, um damit ein Matlab/Simulink-Modell zu parametrisieren.
  • Bestimmung der Energieeffizienz unter verschiedenen Bedingungen.
Kühlaufbau des Batterietestsystems. Eine zweistufige thermoelektrische Kühlung und die vierseitige direkte Kontaktierung der Batteriezelle zum Metall erreichen hohe Kühlgeschwindigkeiten.

Kühlaufbau des Batterietestsystems. Eine zweistufige thermoelektrische Kühlung und die vierseitige direkte Kontaktierung der Batteriezelle zum Metall erreichen hohe Kühlgeschwindigkeiten. TH Ingolstadt

Diese Experimente sind eine Auswahl für die Studiengänge an der THI. Das System unterstützt darüber hinaus die Beobachtung des Verhaltens von Zellen unter Last in Fahrzyklen, die Entwicklung von SoC/SoH-Bestimmungsmethoden, die Impedanzspektroskopie sowie die Verwendung von zwei Lithiumzellen in Reihenschaltung für Versuche zu Batteriemanagementsystemen.

ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK

Dank des beschriebenen Batterietestsystems können Studierende in einer sicheren flexiblen Lernumgebung praktische Experimente an Akkumulatorzellen durchführen. Die entwickelten Praktikumsversuche und Geräte können neben der praktischen Ausbildung in Studiengängen an Universitäten und Fachhochschulen auch an diversen anderen Bildungseinrichtungen wie zum Beispiel Berufsschulen, Techniker- und Meisterschulen oder auch in den Ausbildungsabteilungen der Aus-, Fort- und Weiterbildung dienen.

M. Eng. Fabian Steger

(Bild: TH Ingolstadt)
Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Entwickler der Geräte und des dazugehörigen Praktikums/Dozent im Energiespeicherpraktikum, Fakultät Elektrotechnik und Informatik, Technische Hochschule Ingolstadt

Dr. Katja Brade

(Bild: TH Ingolstadt)
Programm-Managerin Technik, Institut für Akademische Weiterbildung, Technische Hochschule Ingolstadt

M. Sc. Alexander Nitsche

Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Entwickler der Java-Steuersoftware, Forschungszentrum CARISSMA, Technische Hochschule Ingolstadt

Prof. Dr. Hans-Georg Schweiger

Professor für Kraftfahrzeug Elektronik und Elektromobilität, Modulverantwortlicher und Dozent der Energiespeichervorlesungen, Fakultät Elektrotechnik und Informatik/Forschungszentrum CARISSMA, Technische Hochschule Ingolstadt

(av)

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