Der folgende Artikel geht auf einige der häufiger gestellten Fragen ein, wie zum Beispiel:

  • Welchen Treiberstrom muss ein RS-485-Transceiver liefern können?
  • Ist es möglich, mehr als 32 Unit Loads anzusteuern?

Um die erste Frage zu beantworten, betrachtet man am besten die in Bild 1 dargestellte typische RS-485-Datenverbindung. Wie man erkennt, muss ein Treiber nicht nur einen differenziellen Strom durch die Abschlusswiderstände schicken, sondern auch eine Reihe von Empfänger-Eingangsimpedanzen und Failsafe-Netzwerke, die an den Bus angeschlossen sind, mit Strom versorgen. Da diese Impedanzen Strompfade zwischen den Signalleitungen und der Masse bilden, wirken sie sich gleichermaßen auf den Stromfluss in den Signalleitungen A und B aus. Aus diesem Grund werden sie als Gleichtakt-Impedanzen (RCM) bezeichnet.

Treiberfähigkeit RS-485-konformer Transceiver

Wie der vorliegende Artikel ausführt, muss ein RS-485-konformer Transceiver eine Treiberfähigkeit von mindestens ± 60 mA besitzen. Außerdem wird gezeigt, dass die spezifizierte Gleichtaktbelastung von 32 ULs höher angesetzt werden kann, wenn der Betrieb mit geringeren Gleichtaktspannungen erfolgt.

Zur Definition der maximalen Gleichtakt-Belastung wurde für den RS-485-Standard das theoretische Konzept der Einheitslast (englisch: Unit Load) eingeführt. Diese Lastgröße definiert einen Gleichtakt-Lastwiderstand von 12 kΩ. Ein Transceiver mit einer Unit Load (1 UL) entspricht somit einem äquivalenten Eingangswiderstand RINEQ von 12 kΩ an jedem Busanschluss (bezogen auf Masse).

Gemäß dem RS-485-Standard muss ein Transceiver in der Lage sein, eine Gleichtakt-Last von insgesamt bis zu 32 Unit Loads zu treiben und dabei eine differenzielle Ausgangsspannung VOD von 1,5 V an einem differenziellen Widerstand RD von 60 Ω zu erzeugen. Darüber hinaus verlangt der Standard, dass diese Treiberfähigkeit über einen Gleichtaktspannungsbereich VCM von ‑7 bis +12 V hinweg gewährleistet sein muss. Dies ist notwendig, um große Unterschiede zwischen den Massepotenzialen von Treiber und Empfänger zu berücksichtigen, zu denen es häufig bei großen Übertragungsdistanzen kommt.

Während der besagte differenzielle Widerstand von 60 Ω der Parallelschaltung zweier 120-Ω-Abschlusswiderstände entspricht, ergeben die 32 Unit Loads einen Gleichtakt-Lastwiderstand von insgesamt RCM = 12 kΩ / 32 = 375 Ω. Ebenfalls in der RS-485-Norm spezifiziert ist die in Bild 2 gezeigte Schaltung zum Testen der Treibereigenschaften eines Transceivers unter dem Einfluss einer Gleichtaktbelastung.

Unter der Annahme, dass der nicht invertierende Treiberausgang A die positivere Busspannung erzeugt, lässt sich sein Strom nach Gleichung 1 berechnen. Der Strom am invertierenden Ausgang B errechnet sich stattdessen nach Gleichung 2.

Da die Ausgänge A und B während der Übertragung von Daten fortlaufend ihre Polarität wechseln, ist es besser, die Ausgangsströme in allgemeiner Form zu beschreiben. Somit muss der positivere (High‑) Ausgang einen Strom liefern, der sich aus Gleichung 3 berechnet, während der weniger positive (Low‑) Ausgang den Strom aufnehmen muss, der sich aus Gleichung 3 ergibt.

Bild 3 zeigt den minimalen Strom, den ein 5-V-Transceiver bei der maximalen Gleichtaktbelastung von RCM = 375 Ω (dies entspricht 32 ULs) über den spezifizierten Gleichtaktspannungs-Bereich hinweg liefern muss. Beim Erstellen dieses Diagramms wurden folgende Parameter zugrundegelegt: VOS = 2,5 V, VOD = 1,5 V, RD = 60 Ω und RCM = 375 Ω.

Wie der Grafik zu entnehmen ist, muss ein standardkonformer 5-V-Transceiver als Stromquelle und Stromsenke für Ströme bis zu 53 mA geeignet sein. In der Praxis liefern die meisten, auf dem Markt erhältlichen RS-485 Transceiver Ausgangsströme von ± 60 mA und mehr.

An dieser Stelle sollten einige Klarstellungen gemacht werden, was die maximale Gleichtaktbelastung von 32 Unit Loads betrifft. Damit dürften einige verbreitete Missverständnisse ausgeräumt werden.

  • Die im RS-485-Standard spezifizierte maximale Gleichtaktbelastung von 32 Unit Loads berücksichtigt nicht allein die Empfängereingänge, sondern auch andere Gleichtaktbelastungen, die zwischen dem differenziellen Signalpaar und der Signalmasse existieren können. Zum Beispiel entspricht ein externes Failsafe-Widerstandsnetzwerk allein bereits insgesamt 22 ULs, so dass für die Empfängereingänge nur noch 10 ULs übrig bleiben. Diese 10 ULs können für zehn Transceiver à 1 UL oder bestenfalls für 80 Transceiver mit je 1/8 UL genutzt werden.
  • Die Maximalbelastung von 32 ULs ist für den kompletten VCM-Bereich von ‑7 bis +12 V spezifiziert. Wie aus Bild 3 hervorgeht, reduzieren sich durch Verkleinern des Gleichtaktspannungs-Bereichs die Ausgangsströme, so dass die Stromreserven der Treiber größer werden. Diese Reserven wiederum lassen sich zum Ansteuern von mehr Unit Loads nutzen. Anwenden lässt sich dieses Prinzip bei Datenverbindungen, bei denen die Massepotenziale von Treiber und Empfänger nur geringe Unterschiede aufweisen. Damit ist auch gleich die eingangs gestellte zweite Frage beantwortet.

Bild 4 gibt die Zahl der Unit Loads als Funktion der Massepotenzial-Differenz wieder. Hervorzuheben ist, dass es sich bei der Massepotenzial-Differenz keineswegs um eine Gleichspannung handelt, sondern um eine Wechselspannung, deren Frequenz hauptsächlich der dritten Harmonischen der Netzfrequenz des Systems entspricht.

Thomas Kugelstadt

ist Senior Applications Engineer bei Texas Instruments.

(ah)

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