Eine genaue Defintion, was ein Biokunststoff ist und was nicht, hat sich noch nicht etbaliert. Manche Definitionen beziehen petro-basierte Kuntstsoffe, die biologisch abbaubar sind, mit ein. Manche lassen nur Kunststoffe zu, die aus biologischen Rohstoffen hergestellt werden, egal ob diese abbaubar sind oder nicht. Der Branchenverband European Bioplastics bezeichnet alle Kunststoffe als Biokunststoffe, die aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden, also biobasiert und/oder biologisch abbaubar sind. Diese Definition schließt auch petro-basierte Kunststoffe mit ein, so lange diese abbaubar sind – also auch auf dem Komposthaufen landen dürfen.

Technik im Detail

Biokunststoffe auf der Interpack

Das Thema Biokunststoff präsentiert sich auf der Interpack vom 12. bis 18. Mai in der Halle 9 bei den Packstoffen, Packmitteln und der Packmittelherstellung. Damit gehört die Branche der grünen Kunststoffe 2011 nicht mehr zu der Sonderschau Innovationparc Packaging und soll sich nun innerhalb der etablierten Branchen beweisen. Unter der Kategorie ‚Packstoffe aus Kunststoff (Granulat, Folien)/Bio-Kunststoff‘ listete die Messe im März 57 Aussteller. „Die zahlreichen Anmeldungen im Biokunststoffsektor unterstreichen die Bedeutung der Interpack für unsere Industrie. Damit tragen die Unternehmen, gerade nach der Krise der letzten zwei Jahre, der zunehmenden Nachfrage nach Klima- und Ressourcen schonenden Produkten Rechnung“, kommentierte Hasso von Pogrell, Geschäftsführer des Verbands European Bioplastics.

Abbaubare Kunststoffe sind aber schon lange keine Exoten mehr – wie die schwammige Definitonslage vermuten lässt. Längst findet man sie in vielen Haushalten als praktische Tüten für den Bioabfall, die einfach mit in die Biotonne wandern. In die Verpackungsindustrie finden die Biokunststoffe vor allem auf zwei Wegen. Zum einen treibt das steigende Umweltbewusststein der Konsumenten Unternehmen dazu an, ihre Produkte nachhaltig und umweltbewusst zu produzieren und zu verpacken. Da der Biokunststoff aus nachwachsenden Rohstoffen eine ausgeglichene CO2-Bilanz hat, also beim Abbau nur so viel CO2 wieder freigibt wie er beim Wachsen aufgenommen hat, erfüllt er diese Anforderungen der Kunden. Zum anderen verteuert der steigenden Rohölpreis die Kunststoffproduktion und damit die Verpackung. Da die niedrigen Ölpreise der 90er Jahre voraussichtlich nicht wieder kommen werden, suchen Unternehmen nach günstigeren Alternativen. Hasso von Pogrell, Geschäftsführer des Branchenverbandes European Bioplastics, gab gegenüber der Zeitschrift Plastverarbeiter eine Zukunftsprognose ab: „Biokunststoffe werden mit der Zeit in jedes Anwendungsfeld für Kunststoffe vordringen. Vor allem dort, wo ihre umweltrelevanten Eigenschaften wie Biobasiertheit und biologische Abbaubarkeit einen wichtigen Zusatznutzen darstellen, werden sie klassische Plastikprodukte teilweise ersetzen.“

Biokunststoff noch zu teuer

Zurzeit zahlt die Industrie pro Tonne Polyethylen (PE), Polystyrol (PS), Polypropylen (PP) oder Polyvinylchlorid (PVC) rund 1?000 bis 1?500 Euro. Wer auf Biokunststoffe zurückgreifen will, muss tiefer in die Tasche greifen: Materialien aus nachwachsenden Rohstoffen kosten etwa zwei- bis viermal soviel wie Standardkunststoffe. Das liegt aber vor allem daran, dass die Forschung an den Biokunststoffen und ihrer Produktion noch im vollen Gange ist. Außerdem beträgt der Anteil an Kunststoff aus nachwachsenden Rohstoffen an der Gesamt-Kunststoffproduktion nur rund 250.000 Tonnen pro Jahr. Bei einer Kunststoff-Gesamtproduktion von 260 Millionen Tonnen im Jahr 2010 ist dieser Anteil verschwindend gering. Wenn dieser Anteil steigt, sinken die Produktionskosten.

Zurzeit wächst der Markt für Biokunststoffe im Jahr durchschnittlich um 15 bis 20 %. Gegenwärtig liegt der Marktanteil der Biokunststoffe bei unter 1 %. Bis 2013 erwartet die Branche nach Angaben des Verbands European Bioplastics weltweit einen Anstieg von derzeit knapp 600.000 auf über 1,4 Millionen Tonnen.

Biokunststoff ist nicht gleich Biokunststoff

Der derzeit wichtigste und gebräuchlichste Vertreter der Biokunststoffe ist mit einem Marktanteil von etwa 80 % die thermoplastische Stärke. Die wichtigsten Pflanzen, die zur Gewinnung von Stärke genutzt werden, sind aktuell Mais, Weizen und Kartoffeln in Europa, Afrika und Nordamerika sowie Tapioka in Asien. Die Rohmasse wird von Beiprodukten wie Proteinen, Pflanzenölen und Pflanzenfasern gereinigt und entsprechend für die Nutzung vorbereitet. Thermoplastische Stärke ist aufgrund ihrer Eigenschaft, Wasser aufzunehmen, meist nur eine der Komponenten, aus der moderne Biokunststoffe auf Stärkebasis hergestellt werden. Der zweite Grundbestandteil dieser Kunststoffmischungen besteht aus wasserabweisenden, biologisch abbaubaren Polymeren wie Polyester, Polyesteramiden, Polyurethanen oder Polyvinylalkohol.

Ein Hoffnungsträger der Biokunsstoffe ist Kunststoff auf Basis von Polymilchsäure (Polylactid, PLA). Die Polymilchsäure entsteht durch die Polymerisation von Milchsäure, die wiederum ein Produkt der Fermentation aus Zucker und Stärke durch Milchsäurebakterien ist. PLA verfügt über ähnliche Eigenschaften wie seine petro-basierten thermoplastischen Geschwister. Er ist durchsichtig und lässt sich auf konventionellen Anlagen verarbeiten. Außerdem kann er je nach Ausgangsmischung so produziert werden, dass er schnell biologisch abbaubar oder auch jahrelang funktionsfähig ist. Weitere Vorteile der Polylactid-Kunststoffe sind die hohe Festigkeit. PLA und PLA-Blends (Mischungen aus PLA und anderen Kunststoffen) werden als Granulate in verschiedenen Qualitäten für die Kunststoff verarbeitende Industrie zur Herstellung von Folien, Formteilen, Dosen, Bechern, Flaschen und sonstigen Gebrauchsgegenständen angeboten.

Gleiche Eigenschaften, gleiche Anlagen

Biokunststoffe lassen sich mit den gängigen Techniken und auf den herkömmlichen Maschinen zur Kunststoffverarbeitung konfektionieren. Das liegt daran, dass sich die Biokunststoffe in ihren Eigenschaften und Anforderungen an die Maschinen oft kaum von ihren herkömmlichen Verwandten unterscheiden. Probleme können dann auftauchen, wenn Untersuchungen und Prüfmethoden mangelhaft sind und Produktions- und Verarbeitungsparameter sich nicht mit Sicherheit im Voraus bestimmen lassen. Aus Anwendersicht ist ein Problem, dass es noch wenige Daten zu wichtigen Materialeigenschaften der Biokunststoffe gibt. So gibt es nur wenige Erkenntnisse zu Langzeiteigenschaften wie UV-Beständigkeit oder Ermüdungsverhalten. Für kurzlebigen, kompostierbaren Biokunststoff ist dies aber beispielsweise gar nicht notwendig. Gesicherte Erkenntnisse bestehen inzwischen zu Eigenschaften wie Wärmeformbeständigkeit, Barriereeigenschaften und Schrumpfungsverhalten. 

Melanie Feldmann

: Redakteurin IEE

(mf)

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