Denn selbst wenn alle verbauten Elemente zu 99,999 Prozent in Ordnung sind, liegt die Gutausbeute einer fiktiven Baugruppe mit angenommen 300 Bauelementen und 3000 Lötstellen bei 97 Prozent. Noch kritischer aber ist unser Umgang mit dieser komplexen Elektronik: An jedem Ort, in jedem Umfeld muss Elektronik halten und Ausfälle werden nicht verziehen. Früher musste Elektronik längst nicht derart robust sein, da wir als Benutzer sehr viel sorgsamer mit ihr umgingen. Schon längst geht es daher bei der Qualitätskontrolle nicht mehr nur um das Auffinden vereinzelter Fehler, sondern darum, Prozesse zu optimieren, die Qualität zu steigern und Frühausfälle zu verhindern. So wird die Qualität in der Verbindungstechnik zum elementaren Haltbarkeitskriterium.

Überwogen noch vor einigen Jahren Gehäuseformen mit von außen gut sichtbaren Lötverbindungen, die sich optimal mit AOI-Systemen prüfen ließen, werden diese zunehmend durch kompaktere und produktivere Gehäuseformen und Fertigungsverfahren verdrängt. Dieser Entwicklungstrend ist charakterisiert durch zunehmende Lötstellendichten und die Expansion der funktionsrelevanten Komponenten sowie die damit einhergehende Verbindungstechnik in der dritten Dimension. So werden Funktionen auf dem Schaltungsträger gestapelt oder verschwinden in das Innere des Schaltungsträgers. Schon heute sind in komplexen Schaltung oft über 80 Prozent der Verbindungen nicht mehr mittels AOI prüfbar, und in nicht allzu ferner Zukunft wird eine Prüfung der Verbindungstechnik auf diese Weise überhaupt nicht mehr sinnvoll möglich sein.

Kombi aus richtiger Perspektive und Verfahren

Einen Ausweg aus dieser Misere bietet die Röntgeninspektion, ermöglicht sie doch den Blick durch Gehäuse und Schaltungsträger hindurch direkt auf und sogar in die Verbindungsstellen. Leider sieht man aber in einem Blick alle räumlich in der Tiefe angeordneten Elemente überlagert, so dass sich die Separation und Extraktion der relevanten Informationen zunehmend anspruchsvoller gestalten. Wie bei allen bildgebenden Verfahren kommt es also ganz entscheidend auf die richtige Perspektive und das richtige Verfahren an. Ähnlich wie in der Medizin liefern orthogonale Durchstrahlung, Schrägdurchstrahlung, Laminographie oder sogar Tomographie entsprechend der vorherrschenden Randbedingungen ein optimales Ergebnis.

Ausgangsbasis bildet dabei eine Bewegungseinheit, die den Prüfling flexibel zwischen Strahlquelle und Detektor positioniert. Die Ausrichtung der Baugruppe in der Szene entscheidet darüber, was durch Röntgen-Bildgebung überhaupt sichtbar gemacht werden kann. Um verschiedene Aspekte zu untersuchen, ist es nötig, die Baugruppe aus verschiedenen Blickrichtungen zu röntgen, um ein rundum vollständiges Bild zu erhalten. Möchte man sogar eine Computertomographie einer Szene durchführen, ist die wiederholte, sehr präzise Positionierung des Prüflings die Voraussetzung.

Parallelkinematiken

Ein aktuelles 3D-Röntgeninspektionssystem von Xicron verwendet zur Positionierung der Baugruppe eine sogenannte Hexapod-Kinematik als 3D-Manipulator. Hexapod-Kinematiken ordnet man in die Klasse der Parallelkinematiken ein, in die auch die aus Pick&Place-Anwendungen bekannten Tripoden fallen. Die Unterschiede von Parallelkinematiken gegenüber den klassischen seriellen Kinematiken werden gleich noch weiter ausgeführt. Zunächst soll jedoch eine weitere Unterteilung der Hexapoden hinsichtlich ihres Wirkprinzips stattfinden. Dabei unterteilt man die auch unter dem Namen Stewart-Plattform bekannten „Sechsfüßler“ weiter in solche, bei denen die Fußpunkte der Beine fest montiert sind und die Länge der Beine verändert wird (klassischer Hexapod) und solche, bei denen die Fußpunkte der Beine verschoben werden, die Beine selbst aber in ihrer Länge konstant bleiben (oftmals als Hexaglide bezeichnet). Das hier vorgestellte 3D-Röntgeninspektionssystem gehört zu letzterer Familie.

In Dynamik und Präzision sind Hexapod-Kinematiken den klassischen seriellen Fünfachs-Manipulationssystemen dahingehend überlegen, dass sich Positionsfehler der einzelnen Achsen nicht aufaddieren und keine Achse die Last der anderen Achse(n) tragen muss. Es wird eine extrem hohe Wiederholgenauigkeit erzielt, die trotz eines relativ einfachen mechanischen Aufbaus bereits im Bereich von 5 µm liegt. Da die Kinematik hundertprozentige Blickfreiheit bei einer sehr hohen Steifigkeit sicherstellt, sich also keine störenden Komponenten in der Bildkette ergeben, sind auch computertomografische Rekonstruktionen möglich. Das heißt, die Daten lassen sich im 3D-Modell darstellen und intuitiv analysieren. Dabei wirkt sich die geringe bewegte Masse sehr vorteilhaft auf die Positionierfrequenz und damit auf die Inspektionszykluszeit aus. Eine hochwertige 3D-Bildaufnahme liegt damit unter 5 s.

Eine Frage der Ansteuerung

Auch in der Ansteuerung unterscheiden sich parallelkinematische Systeme stark von Systemen mit serieller Kinematik. Nur sehr wenige Steuerungshersteller unterstützen diese anspruchsvollen Parallelkinematiken. Die Steuerungstechnik für diese Applikation wurde mit dem Embedded-Controller E EXC 66 von Eckelmann realisiert.

Die Standard-CNC von Eckelmann unterstützt im Bereich der Parallelkinematiken neben den verschiedenen Hexapod-Typen auch Tripoden, die häufig als Handlingroboter und im Pick&Place eingesetzt werden. Während die Transformation von kartesischen Werkzeugkoordinaten (Tool Center Point) in Achskoordinaten etwa eines Hexapods noch relativ einfach zu rechnen ist, ist das Rückrechnen von Achsbewegungen auf Bewegungen der Werkzeugspitze schwieriger und wird nur von wenigen Herstellern angeboten. Dabei ist diese Funktion aber unabdingbar, wenn Geschwindigkeitsgrenzen der Bewegung auf Bahnebene und nicht auf Achsebene berücksichtigt werden müssen oder wenn der Hexapod über Absolutwertgeber verfügt und nach einem Reset/Spannungsverlust direkt und stoßfrei weiter arbeiten soll.

Um die korrekte Funktion der Hexapod-Ansteuerung schon parallel zum Aufbau des Prototypen beim Anwender testen zu können, wurde konsequent Hardware-in-the-Loop-Simulationen (HiL) genutzt. Direkt nach Fertigstellung des Prototyps konnte Xicron die CNC in Betrieb nehmen, da alle Algorithmen und Programme vorab an der „virtuellen Mechanik“ getestet worden waren. Die Eckelmann-Steuerung erkennt die eingesetzten Antriebsregler automatisch und konfiguriert sich entsprechend.

Egal ob orthogonale 2D-Durchstrahlung oder 2,5D-Schrägdurchstrahlung oder 3D-Analyse, die Voraussetzung ist immer eine flexible Bildaufnahme aus unterschiedlichen Betrachtungsrichtungen. Trotz vieler Gemeinsamkeiten zu herkömmlichen Handlings- und Bearbeitungsmaschinen stellen durchstrahlende Inspektionssysteme besondere Anforderungen. So ist beispielsweise die exakte Definition einer „idealen“ Aufnahmegeometrie oft nicht möglich, so dass während der Erstellung einer konkreten Inspektions-Applikation die Aufnahmegeometrie optimiert werden muss. Hierfür hat Xicron eine Lösung basierend auf einer 3D-Maus beziehungsweise Space-Mouse entwickelt, über die sich die Manipulatorachsen intuitiv in allen Freiheitsgraden steuern lassen. Damit lässt sich per Teach-in zum Beispiel komfortabel ein Prüfprogramm erstellen.

Die automatische Auswahl einzelner Lötstellen oder Lötstellengruppen und die Bestimmung ihrer charakteristischen Merkmale sind ein Schwerpunkt in der Röntgeninspektion. Einsatzmöglichkeiten der 3D-Röntgeninspektion sind unter anderem doppelseitig bestückte Baugruppen in einem Schritt zu prüfen oder auch Lötstelleninspektion aller Lötstellen – vor allem jener von QFNs oder BGAs – auf Flachbaugruppen vorzunehmen. Darüber hinaus eignet sich das System, um Lufteinschlüsse zu vermessen. Die Inspektion der Lotfüllung bei Durchkontaktierung und die Inspektion von Multilayer-Baugruppen lassen sich ebenfalls problemlos realisieren.

Einfacher Einstieg in die Röntgeninspektion

Ist Röntgeninspektion nur etwas für Röntgenexperten? Mitnichten, denn bei der Entwicklung des Röntgeninspektionssystems hat Xicron großen Wert auf einen möglichst intuitiven, praxistauglichen Einstieg in diese Inspektionstechnologie gelegt. Über die Bedienoberfläche kann der Anwender im manuellen Modus beispielsweise die interessanten Stellen live betrachten, Bilder speichern und kleinere Berechnungen vornehmen, wodurch er schnell mit den Möglichkeiten der Röntgeninspektion vertraut wird.

Schnelle 3D-Inspektionslösung

Mit der Steuerungstechnik von Eckelmann ist es Xicron gelungen, in kürzester Zeit eine 3D-Inspektionslösung zu realisieren, welche die hohen Anforderungen an die Qualitätssicherung in der Elektronikfertigung erfüllt. Wesentliche Erfolgsfaktoren waren hierbei die Zusammenarbeit mit dem Steuerungshersteller bei der Ertüchtigung der Kinematik und dessen Technologie-Know-how. Die kurze Time-to-Market war nicht zuletzt durch die Hardware-in-the-Loop-Simulation möglich, mittels derer sich schon vor Zusammenbau des Prototypen die CNC-Funktion testen ließ.

Dr. Marco Münchhof

ist Leiter Maschinenautomation von Eckelmann AG

Jan Rimbach

ist Geschäftsführer von Xicron

(mrc)

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