Laut Global Wind Report gab es Ende 2011 weltweit Windenergieanlagen mit einer Leistung von mehr als 230 GW – und jährlich kommen mehr als 40 GW hinzu. Um die Wirtschaftlichkeit der Anlagen zu optimieren, erfolgt die Überwachung von immer mehr Betriebszuständen und Belastungsparametern. Eine erhebliche Belastung stellen Schäden durch Blitzeinschläge dar. Blitzeinschläge verursachen direkte Schäden, die man sofort erkennt. Zusätzlich machen sich aber auch weniger auffällige Schädigungen erst im weiteren Betrieb der Anlage bemerkbar, die dann oft hohe Kosten verursachen. Mit Hilfe eines umfassenden Überspannungsschutzkonzepts schützt man elektrische und elektronische Komponenten.

Detailliertes Erfassen von Blitzeinschlägen

Auf einen Blick

Ein Lightning-Monitoring-System misst die Anzahl und die Intensität der Blitzeinschläge in den Rotorblättern einer Windkraftanlage. Der Anwender kann bedarfsgerechte Wartungen durchführen, da die Datenübertragung bei Blitzeinschlag online erfolgt. Das Fernwartungssystem gibt an, ob und welche Rotorblätter beschädigt sind und wann die Wartung sinnvoll ist.

Für die mechanische Struktur der Rotorblätter und des Maschinenstrangs gilt dies nur bedingt. Um dort Schäden frühzeitig zu erkennen, bedarf es einer intensiven Untersuchung der Anlagenteile. Üblicherweise erfolgen hier turnusmäßige Inspektionen. Die tatsächliche Belastung der WEA durch Blitzeinschläge wird bei der Einsatzplanung jedoch nicht berücksichtigt.

Mit Hilfe des polarimetrischen Blitzstrom-Messsystems LM-S lassen sich Blitzströme erfassen und aus der Ferne auswerten. Die Speicherung der Ermittelten charakteristischen Kennwerte des Stroms erfolgt mit Datum und Uhrzeit des Blitzeinschlags: die Ladung und spezifische Energie des Blitzstroms, Blitzstrom-Amplitude und die maximale Stromsteilheit. Durch den Einsatz von bis zu drei Sensoren pro Auswerteeinheit lässt sich auch das Rotorblatt identifizieren, in das der Blitz eingeschlagen ist. Daher wird meist jeweils ein Sensor auf der blitzstromführenden Ableitung innerhalb eines jeden Rotorblatts montiert. Die Auswerteeinheit installiert man in der Nabe und verbindet sie über Lichtwellenleiter mit den Sensoren (Bild 2).

Messergebnisse auswerten

Um die detailliert erfassten Blitzdaten optimal auszuwerten, spielt der Fernzugriff eine wichtige Rolle. Nur so lässt sich die tatsächliche Belastung der Anlage durch Blitzeinschläge bewerten und nur so kann der Betreiber erforderliche Wartungsarbeiten rechtzeitig einleiten sowie unnötige Inspektionen vermeiden. Die Auswerteeinheit besitzt einen Öffner-Kontakt und ist über eine Ethernet-Schnittstelle erreichbar. Der Öffner signalisiert durch einen Impuls jeden Blitzeinschlag. Dieses Signal lässt sich an einen Zähler anschließen oder mit einer Steuerung verbinden, um im Falle eines Blitzeinschlags eine Folgeaktion zu initiieren. Über Ethernet erfolgt der Abruf der blitzstromtypischen Kennwerte, um den Blitzeinschlag zu bewerten. Je nach Charakteristik des Blitzstroms wird dann über eine weitere Inspektion, eine sofortige Reparatur oder sogar eine Abschaltung der Anlage entschieden. Aber auch die Information, dass kein oder nur ein geringer Blitzeinschlag stattgefunden hat, ist wichtig, um kostenintensive Untersuchungen der Anlage auf Blitzschäden hin zu vermeiden. Dies ist besonders für Offshore-Windparks interessant, denn dort sind Fehleinsätze und Ausfallzeiten viel kostspieliger.

Autark kommunizieren über GSM

Die Position der Auswerteeinheit in der rotierenden Nabe erschwert das Einbinden in ein Netzwerk. Über die konfigurierbare IP-Adresse lässt sich das Messsystem problemlos in die Netzwerk­infrastruktur einbinden. Eine Netzwerkverbindung über Schleifringe oder eine drahtlose Variante zwischen Nabe und Maschinenhaus ist aber nicht immer möglich. Gerade ältere Anlagen benötigen hier eine Alternative. Ist ein Mobilfunknetz vorhanden, kann die Kommunikation auch unabhängig von der bestehenden Netzwerkstruktur erfolgen. Über ein GSM-Modem ist sowohl die Nutzung des Relais-Signals – etwa zum Versenden einer SMS – als auch der Zugriff auf die Oberfläche des Web-Interfaces möglich. So lassen sich aus der Ferne Einstellungen anpassen und die Messdaten auswerten. Dafür ist lediglich eine zuverlässige Spannungsversorgung erforderlich (Bild 3).

Suzlon zeigt, wie es geht

Suzlon, ist laut eigner Aussage der weltweit fünftgrößte Hersteller von Windenergieanlagen mit Hauptsitz in Indien. Das Unternehmen setzt LM-S bereits ein. In Deutschland befasst sich Suzlon unter anderem mit dem Entwickeln von WEA; auch die Konzeption der Blitz- und Überspannungsschutzsysteme erfolgt hier. In einer Suzlon-Testanlage bei Bitburg in der Eifel wird das Blitzstrom-Messsystem LM-S umfassend geprüft. Im Vordergrund stehen dabei das detaillierte Erfassen und Messen der Blitze, die in die Rotorblätter einschlagen. Die Sensoren sind jeweils in der Blattwurzel am Blitzstromableiter angebracht, die Auswerteeinheit befindet sich in der Nabe. Der Zugang zur Nabe der 2-MW-Anlage mit 80 m Turmhöhe und 85 m Rotordurchmesser ist nur über die Dachluke des Maschinenhauses möglich.

Der Einsatzort in der WEA – speziell in der Nabe – birgt einige Herausforderungen. Die durch die Jahreszeiten bedingten Temperaturschwankungen von –20 bis +60 °C und besonders die hohen Temperaturen strapazieren die Elektronik. Denn durch die Rotation der Nabe sind die Lüftungsschlitze und der Kamineffekt zum Kühlen nicht wirksam. Auch die ständigen Vibrationen durch die schnell drehenden Rotorblätter setzen der Anlage zu. Weil man im Servicefall alle Anlagenteile in der Nabe als Kletterhilfe nutzt, müssen die Lichtwellenleiter trittsicher sein, was ihr Verlegen erschwert. Die Sensoren sind mittig auf der Ableitung angebracht – dadurch erhöht sich die Messgenauigkeit (Bild 4). Ein Verstellen der Rotorblätter (pitchen) darf die Sensoren aber nicht verschieben.

Warum Blitze analysieren?

Suzlon misst die Blitzeinschläge hauptsächlich, um Rückschlüsse aus der Relation zwischen den Blitzparametern und der damit verbundenen Zerstörung zu ziehen. Die Zerstörung durch einen Blitzeinschlag im Rotorblatt kann vielfältig sein. Die Struktur des Rotorblatts selbst kann Schaden nehmen, aber auch die Lager am Übergang von der Blattwurzel zur Nabe, das Getriebe und auch die elektrische Anlage. Mit einer umfassenden Datenbasis über Blitzdaten und analysierten Schäden lassen sich alle Service-Einsätze optimieren – bis hin zu einer „Predictive Maintenance“ auf der Basis von Ereignissen und nicht von Zeitintervallen. Damit vermeidet man unnötige Ausfallzeiten. Durch diese Vorteile wird ein umfassendes Anlagen-Monitoring immer wichtiger.

Um die Analyse-Ergebnisse zu kommunizieren, setzt Suzlon in Bitburg eine Komplettlösung von Phoenix Contact ein: Stromversorgung, Auswerteeinheit, Überspannungsschutz, GSM-Modem und Anschlussklemmen sind im Schaltkasten verdrahtet (Bild 5). Das spart viel Zeit beim Installieren in der Nabe, da sich der Aufwand für Verdrahtung und Anschluss deutlich reduziert. Über das GSM-Modem erfolgt – unabhängig von der Kommunikation in der WEA – die Übertragung der Daten.

Dipl.-Ing. Arno Kiefer

ist Manager für Industry Support bei Phoenix Contact in Blomberg.

Dipl.-Wirt.-Ing. Achim Zirkel

ist im Produktmarketing für Netz- und Signal-Qualität Trabtech bei Phoenix Contact in Blomberg.

(rao)

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Phoenix Contact Deutschland GmbH

Flachsmarktstraße 8
32825 Blomberg
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