MTM 01-Lötverbindung

Schliffbild einer thermisch anspruchsvollen Lötverbindung bei einer NiAu-Multilayer-Leiterplatte, die mit BSA-Lot gelötet wurde. (Bild: MTM NE-Metalle)

Das Akronym BSA setzt sich aus Bi (Wismut), Sn (Zinn) und Ag (Silber) zusammen. Dahinter verbirgt sich ein Niedrigschmelzlot, das einen Schmelzpunkt von lediglich 138 °C aufweist und ein um den Faktor 15 größeres Prozessfenster ermöglicht.

Gerade bei hochkomplexen thermisch anspruchsvollen Elektronikprodukten führt dieser Umstand zu einer sehr guten Ausprägung der Lötverbindung, verspricht MTM NE-Metalle. Laut Lotmaterialien-Hersteller soll das Niedrigschmelzlot zudem kosteneffizienter als alle herkömmlichen bleifreien Legierungen sein. Weil sich die im Lötprozesses anfallende Abfallmenge halbiert, gilt es auch als äußerst umweltschonend. Durch die niedrigen Prozesstemperaturen ist es heute bei Fujitsu Technology Solutions möglich, auf vier Produktionslinien etwa 250.000 kWh Strom im Jahr einzusparen, wodurch 140 t an CO2 gar nicht erst entstehen.

Erste Erfahrung beim Wellenlöten mit BSA

Die seit Ende der 1990er Jahre auf dem Markt erhältliche BSA-Legierung fand in der Elektronikfertigung vorzugsweise als Lotpaste für das Reflow-Löten bei SMT-Bauteilen – meist im Bereich der LED-Technik– seine Anwendung, allerdings nicht beim Wellenlöten der Durchsteckmontage. Üblicherweise werden daher erst SMDs festgelötet, bevor die THT-Bauteile mit der Leiterplatte verbunden werden. Problematisch ist dabei, dass beim Wellenlöten mit SAC/SnCu etwa 250 °C erreicht werden: Alles, was also zuvor mit niedrigschmelzender Lotlegierung gelötet worden ist, schmilzt erneut auf. Deshalb ließ sich BSA-Lotpaste bislang nicht verwenden, wenn in der Produktion ein hitzeintensiver Wellenlötprozess nachgeschaltet war.

Lange hat der EMS das Wellenlöten mit SnCu- und SAC-Legierungen durchgeführt, die ihren Schmelzpunkt bei 218 bis 228 °C haben. Ende 2011 entschloss sich das Unternehmen jedoch, die BSA-Legierung für das Wellenlöten zu qualifizieren. Eugen Kastner, heute Projektleiter BSA der Herstellerfirma MTM NE-Metalle, der die Löttechnologie bei Fujitsu 15 Jahre lang verantwortet hatte, war Initiator und bei der Qualifizierung die treibende Kraft: „Beim Bedarf für die Versuche bin ich insgesamt von 1 t BSA ausgegangen, und zwar nicht als Paste, sondern in Form von Massivbarren, bestehend aus 57,6 Prozent Wismut, 42 Prozent Zinn und 0,4 Prozent Silber.“

Der geringe Anteil von Silber in einer Wismut-Zinn-Legierung erhöht die Zuverlässigkeit der Lötverbindung, da das Material feinkörniger und duktiler wird. Von den zwei bekannten BSA-Legierungen mit 0,4 und 1 Prozent Silber wurde nur Erstere zur Qualifikation verwendet. In Kombination mit BSA eignet sich eine Reihe von marktgängigen Flussmitteln, die bereits im No-Clean-Prozess nach bestandener SIR-Testmethode verwendet worden sind.

Die Legierung ist mit einer Dichte von 8,64 g/cm³ vergleichbar mit Sn63Pb37 (183 °C Schmelzpunkt) und dabei um etwa 15 Prozent schwerer als heute im Einsatz befindliche Zinn-basierte bleifreie Lotlegierungen. Dass BSA trotzdem in der Anwendung günstiger ist als bleifreie Zinn-Legierungen mit oder ohne Silberanteil, liegt an dessen hohem kostengünstigen Wismut-Anteil. Der Schmelzpunkt liegt bei 138 °C, wodurch es möglich wird, den Energieverbrauch in einer Wellenlötanlage um 40 Prozent zu senken. Die Legierung besitzt ein sehr gutes Lötverhalten und ist zum Wellen-, Selektiv- und Tauchlöten geeignet. Gerade bei sehr anspruchsvoller Elektronik und hochlagigen massereichen Lötverbindungen kann das Niedrigschmelzlot BSA seine Vorzüge ausspielen.

Wellenlöten eines Mainboards unter Verwendung von BSA-Lot in einer Seho MWS2340-Lötanlage. Fujitsu

Wellenlöten eines Mainboards unter Verwendung von BSA-Lot in einer Seho-Lötanlage MWS2340. Fujitsu

Signifikante Qualitäts- und Produktivitätssteigerung

Punkten kann BSA auch hinsichtlich der Taktzeiten, betont Kastner: „Beim Wellenlöten wird Lot und Temperatur gleichzeitig eingebracht und die Lotkontaktzeit für jede einzelne Lötstelle dauert in der Lötanlage lediglich nur etwa 1,5 Sekunden.“ Beim Wellenlöten mit BSA liegt die typische Tiegeltemperatur bei 180 bis 190 °C, die Vorwärmtemperatur der Leiterplattenoberseite vor dem Wellenlotkontakt sollte 125 bis 130 °C betragen. Durch den sehr geringen Temperaturunterschied der Leiterplatte zum Schmelzpunkt des Lotes startet unmittelbar mit dem Wellenkontakt der Benetzungsvorgang. Das Prozessfenster – selbst für thermisch schwierige Lötstellen – vergrößert sich um den Faktor 15, da nahezu kein Wärmetransport in die Lötstelle bis zum Benetzungsstart benötigt wird. „190 °C sind bei der Instandhaltungsarbeit geradezu angenehm“, attestiert Steffen Meier, Mitarbeiter des Lötteams von Fujitsu.

Die Leiterplatte mit ihrer großen thermischen Masse fungiert somit als Energiespeicher und hält die Lötstelle sehr lange (10 bis 60 s) benetzungsaktiv. So können sich viel länger als bei der herkömmlichen Löttechnologie mit einer Flüssigphase von lediglich 0,8 bis 1 s zwischen dem Lot und den zu benetzenden Oberflächen mehr Mischkristalle bilden, was für zusätzliche Stabilität des Prozesses und eine reproduzierbare Lötqualität sorgt. Die Produktivität der gesamten Fertigungslinie steigt für die komplexesten Elektronikbaugruppen mit den anspruchsvollsten Lötstellen um bis zu 50 Prozent, da aufgrund der langen Flüssigphase mit BSA deutlich schnellere Lötgeschwindigkeiten möglich sind.

Keine abrasive Reaktion mit Kupfer

BSA sorgt nicht nur für einen geringeren Temperaturstress beim Löten für Elektronikprodukte, sondern auch bei THT-Reparaturaufgaben weist die Lotlegierung Vorteile auf. So kommt es nicht mehr zu sogenannten Ausgasern und auch nicht zum Fillet-Lifting, bei dem sich der Restring durch die heißen Temperaturen hebt und dabei womöglich die elektrische Verbindung kappt. Das wird durch die reduzierte Temperatur und die Tatsache, dass sich BSA beim Erstarren geringfügig ausdehnt, ausgeschlossen.

Des Weiteren reagiert BSA nicht abrasiv mit Kupfer: Es kommt nicht zu Kupfer-Leaching, was jetzt Reparaturen ermöglicht, die zuvor nicht durchführbar waren, wie Vielfachlötungen oder Mehrfach-THT-Reparaturen und etwa 10 s benötigter Flüssigphase pro Lötvorgang. Dabei wurde bei SAC/SnCu-Lot immer das gesamte Kupfer der Leiterplatte ablegiert, die Baugruppe irreparabel zerstört. Anstatt wie bisher im Verwurf zu landen, lassen sich mit BSA alle komplexen THT-Bauteile auch bei hochlagigen Leiterplatten reparieren. Die THT-Reparaturquote stieg auf nahezu 100 Prozent, während bisher gerade die komplexesten und teuersten Boards nicht mehr repariert werden konnten und im Schrott landeten.

Ein weiterer entscheidender Vorteil mit BSA ist der verringerte Anteil von Krätze und Zinnoxid. So fallen bei Betrieb in der Volltunnelanlage mit Stickstoffbegasung und auch bei Wartungs- und Instandhaltungsmaßnahmen nur noch etwa 50 Prozent der bisherigen Lotabfallmengen an. „Ich bezeichne BSA gern als Best Soldering Application, da sie die umweltfreundlichste Legierung ist und den Lötprozess in allen Belangen am nachhaltigsten macht“, argumentiert Kastner.

Hotspot-Untersuchung

Um zu entscheiden, ob ein Produkt für BSA-Wellenlöten geeignet ist, sollte vorab im Rahmen einer Hotspot-Untersuchung thermografisch oder befühlert mit Temperatursensoren die Stelle mit der höchsten Temperatur beim Betrieb der Elektronik unter Maximallast bei den höchsten zulässigen Umgebungsbedingungen bestimmt werden. Je nachdem, wie weit die nächste THT-Lötstelle davon entfernt ist und wie heiß diese wird – bis 110 °C sind für BSA unbedenklich – stellt das Niedrigschmelzlot immer eine Option dar und sollte die Überlegung für eine Prozessumstellung initiieren.

Eine weitere Bedingung, die sich jedoch im Hinblick auf die Gesetzeslage leicht erfüllen lässt, ist Folgende: Alle Komponenten wie Leiterplatten, Bauteilanschlüsse oder Metallisierungen müssen zu 100 Prozent bleifrei sein, denn Zinn+Blei+Wismut bilden eine niedrigschmelzende intermetallische Phase von weniger als 100 °C Schmelztemperatur. Die Lötverbindungen sind nicht zuverlässig. Daher sind RoHS-konforme Bauteile mit Zertifikat zwingend erforderlich. Bei der Umstellung von herkömmlichem, bleifreiem Lot wie SAC oder SnCu zu BSA ist keine weitreichende Änderung an den Parametern oder an den Maschinen selbst nötig. Der Wechsel lässt sich sehr einfach bei den bestehenden Lötanlagen als Drop-in-Lösung vornehmen und sofort ohne Risiko anwenden. Lieferbar ist das Material in Form von Lotbarren, Pellets etc. und Massivdraht, also auch für Selektivlötanlagen mit Drahtzuführung geeignet.

Erfolgreiche Serienfertigung

„In der Serienfertigung konnten auf vier Produktionslinien mit dem neuen Verfahren bereits mehr als 1,6 Millionen Mainboards erfolgreich gefertigt werden. Die Ausweitung des Wellenlötens mit niedrigschmelzendem Lot auf weitere Produktionslinien ist bei Fujitsu in Augsburg angedacht“, erläutert Dr. Wolfgang Stark, Director Electronic Production von Fujitsu Technology Solutions, der bestätigt, dass das Energieeinsparpotenzial mit BSA pro Jahr etwa 250.000 kWh beträgt. Das sorge für eine Reduzierung der Treibhausgase um etwa 140 t bei deutschem Strommix.

Neben firmeninternen Auszeichnungen in Sachen Umwelt- und Energiemanagement wurde das Wellenlöten mit niedrigschmelzender Lotlegierung und der dadurch möglichen energieeffizienten Elektronikproduktion mit dem Kumas-Leitprojekt 2016 ausgezeichnet.

Grüne Lötlegierung

Der Produktionsstandort Augsburg von Fujitsu Technology Solutions für Computer und Speichersysteme ist die branchenweit einzige PC-Fertigung in Deutschland. Gleichzeitig ist Augsburg auch ein EMS-Standort. Seit Ende 2014 setzt das Unternehmen das Niedrigschmelzlot BSA auf mehreren Produktionslinien ein. BSA ist aufgrund seiner Dreistofflegierung kein rein eutektisches Lot, sondern hat einen Schmelzbereich von 138 °C bis 141°C. Es erfüllt die Anforderungen der RoHS-Direktive sowie Reach 1907/2006 und CLP (EC)1272/2008.

Nach Unterlagen von MTM NE-Metalle

(mrc)

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