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HMS-Geschäftsführer Thilo Döring und Senior Advisor Michael Volz (v.l.) (Bild: Redaktion IEE)

Herr Döring, Sie haben als Geschäftsführer von HMS das Ruder von Michael Volz in einer technologisch spannenden Zeit übernommen.

Thilo Döring: Als Anbieter von Kommunikationstechnologien lebt man gerade in einer wirklich spannenden Zeit. Wir sehen mit Time Sensitive Networking und OPC UA oder auch MQTT Technologien, die jetzt im Markt erscheinen und mit denen wir konfrontiert werden. Auf der anderen Seite macht es das natürlich auch spannend für HMS als Technologieanbieter. Wir werden diese Technologien anbieten und die künftigen Standards unterstützen.

Häufig werden MQTT und OPC UA verglichen. OPC UA liefert aber auch die Datenstrukturen und sichere Übertragungsmechanismen mit. Andererseits steht mit der Pub/Sub-Spezifikation eine Erweiterung an.

Thilo Döring: Die Systeme darf man nicht miteinander vergleichen. OPC UA ist ein sehr wohl definierter Standard, mit Fokus auf die Beschreibung der Daten. Dagegen definiert MQTT nur den Datentransport. Mit der Pub/Sub-Spezifikation dringt OPC UA aber in die Bereiche von MQTT vor.

Auf die schnelle

  • Kommunikation ist der Backbone für IIoT und Industrie 4.0
  • Know-how bei Legacy-Interfaces sind das A und O bei Brownfield-Projekten
  • HMS ist offizieller Mindsphere-Partner für Connectivity
  • Mittelfristig wird TSN den
    IRT-Part von Profinet
    übernehmen.
  • TSN kommt nicht von heute auf morgen
  • Installierte Gateways sind nachrüstbar

Neue Technologien waren noch nie die Umsatzbringer. Wo stehen aus Ihrer Sicht OPC UA und TSN?

Thilo Döring: TSN wird auf absehbare Zeit noch kein wesentlicher Umsatzbringer werden. Im Gegensatz dazu könnte sich OPC UA schneller etablieren. Wer sich heute mit diesen Technologien beschäftigt will als Early Adopter in erster Linie Daten aus seinen Anlagen herausholen und Erfahrungen sammeln.

Und mit welchen Systemen/Technologien verdient HMS Geld?

Michael Volz: Unsere Absatzzahlen sind ein sehr guter Indikator und zeigen, dass Feldbusse heute immer noch eine sehr große Rolle spielen – allerdings haben 2017 erstmals die Ethernet-basierten Systeme die Feldbusse bei den Neuinstallationen stückzahlmäßig überflügelt. Rasant entwickeln sich auch die Wireless-Kommunikationssysteme, zugegeben bei noch überschaubaren Stückzahlen. Die Wachstumsraten lassen für die Zukunft aber viel Potenzial erahnen.

Ordnen Sie den Mobilfunkstandard 5G auch in die Kategorie ‚Technologie mit großem Potenzial‘ ein?

Michael Volz: 5G wird in Zukunft sehr, sehr wichtig. Und mit den Themen Cloud und Connectivity steigt die Bedeutung der Datenübertragung weiter, weil immer mehr Daten zu übertragen sind. In der Breite dauert es aber noch bis 5G überall verfügbar sein wird.

Das heißt der Rollout von 5G kommt nicht vor 2020, 2022?

Michael Volz: Das würde ich genauso sehen.

Heute werden Projekte dann überwiegend wie realisiert?

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"Mittelfristig wird TSN den IRT-Part von Profinet übernehmen." Redaktion IEE

Thilo Döring: Das kommt immer auf die Applikation an. Mobile Anwendungen oder Anlagen an entlegenen Stellen muss man über Funk, in der Regel über 3G oder 4G anbinden. In einer Fabrik oder an einem Produktionsstandort reicht letztendlich sehr oft eine Standard-Ethernetanbindung per Kabel oder Wire­less, um die Cloud Connectivity zu realisieren.

Michael Volz: Wir beobachten, dass in Märkten wie Indien, China oder Afrika die Mobilfunknetze wesentlich ausgeprägter sind als eine drahtgebundene Infrastruktur. In den entlegensten Winkeln gibt es heute eine wunderbar ausgebaute Mobilfunk-Infrastruktur. In den entwickelten Industriestaaten dominiert dagegen die drahtgebundene Kommunikation, einfach weil die Infrastruktur verfügbar ist.

Kann das Thema Security ein Hemmschuh werden für die Industrie 4.0, gerade auch in Brownfield-Anlagen?

"Kommunikation ist der Backbone für IIoT und Industrie 4.0"

"Kommunikation ist der Backbone für IIoT und Industrie 4.0." Redaktion IEE

Thilo Döring: Generell, Security ist sehr wichtig und wir investieren viel in die notwendigen Technologien. Unsere eWON-Lösungen beispielsweise haben das IT-Sicherheitszertifikat ISECOM STAR Security Certified erhalten. Und unser Unternehmen ist nach ISO 27001, dem internationalen Standard für Informationssicherheit zertifiziert. Wir fokussieren auf das Thema Security, weil wir wissen, wie wichtig den Anwendern eine sichere Kommunikation im Feld selbst und von dort in eine Cloud ist.

Sichere Kommunikation ist das eine, sichere Datenhaltung die andere große Baustelle.

Thilo Döring: Als HMS konzentrieren wir uns in erster Linie auf eine sichere Übertragung der Daten. Wo die Daten letztendlich gespeichert werden, in private oder public Clouds, das liegt in der Verantwortung unserer Kunden.

Es gibt sicherlich Unternehmen, die ausschließlich auf eine Private Cloud setzen und auch die entsprechenden Infrastrukturen aufbauen und unterhalten können. Andere vertrauen auf Cloudanbieter wie Microsoft mit ihrer Azure Cloud oder ThingWorx von PTC oder SAP mit Leonardo. Hier muss der Kunde zusammen mit dem jeweiligen Cloudanbieter sicherstellen, dass die entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen getroffen sind. Für einfache Anwendungen in den Bereichen Fernwartung und Fernmonitoring bieten wir mit eWON Netbiter/Argos selbst eine sichere Komplettlösung  und Cloud-Plattform an.

Spielt denn eine Cloud-Anbindung bei Projektanfragen schon eine konkrete Rolle oder schwingt das unterschwellig mit, wenn es um einen Auftrag geht. Denken Anwender schon konkret in Richtung Industrie 4.0, Cloudanbindung oder ist das eher nice to have?

"Wir bringen Third-Party-Geräte und Brownfield-Anlagen in die Cloud."

"Wir bringen Third-Party-Geräte und Brownfield-Anlagen in die Cloud." Redaktion IEE

Michael Volz: Nicht nur. Kunden wollen vermehrt IT-Systeme und die Automatisierung in die Cloud bringen. Unsere Philosophie war schon immer, Connectivity zu bieten. Zum einen, um bestehende Anlagen in die verschiedensten Cloudsysteme integrieren zu können. Zum anderen, um Neuanlagen gleich mit entsprechenden Schnittstellen auszurüsten. Hier kommt uns OPC UA entgegen. Sehr viele Lösungen unterstützen dieses Interface. Andererseits gibt es auch Standards wie MQTT, die für die Integration genauso wichtig sind sowie proprietäre Interfaces. Wir präferieren keinen dieser Standards und unterstützen alle relevanten Lösungen.

Thilo Döring: Weil wir selbst Early Adopter sein wollten, haben wir Anbindungen an ThingWorx in zwei unserer Gateways implementiert. Diese Geräte haben den so genannten ThingWorx-Agenten integriert und lassen sich darüber direkt in die Cloud einbinden. Das gleiche setzen wir gerade für Microsoft Azure um. Und der nächste Schritt ist die Anbindung an die Mindsphere von Siemens.

Wie die Zusammenarbeit von HMS mit der Mindsphere e.V. aussieht, lesen Sie auf Seite 2.

 

Dann haben Sie schon den Mitgliedsantrag bei der Mindsphere e.V. gestellt, um Zugriff auf die Southbound-API für die Geräteintegration zu haben?

Michael Volz: Wir sind ein ganzes Stück weiter. HMS und Siemens sind seit langem Partner im Geschäft mit der Konnektivität. Anfänglich hatten wir Profibus-Technologien von Siemens lizenziert und in unseren Produkten verwendet. Wir arbeiten auch sehr intensiv beim Thema Profinet zusammen. Bei der langen Partnerschaft haben wir auch beim Thema Mindsphere sehr früh angefangen, über eine Partnerschaft zu reden, die jetzt in trockenen Tüchern ist.

Wir sind akkreditierter Mindsphere-Partner. Unser Fokus liegt aber jetzt nicht auf der App-Entwicklung, sondern auf der Connectivity. Unsere Aufgabe wird sein, Fremdgeräte in das Mindsphere-Universum einzubinden, die bislang nur über Feldbusschnittstellen oder andere Protokolle verfügen.

Thilo Döring: Das ist dann die ideale Lösung, um auch Brownfield-Anlagen mit ihren oft sehr heterogenen Steuerungsplattformen in Mindsphere zu integrieren. Siemens hat zwar eigene Connectivity-Gateways, deren Fokus liegt aber nicht darauf, beliebige Steuerungen einzubinden. Nach unserem Verständnis fokussiert Siemens auf Neuanlagen, wenn es um das Thema Mindsphere geht. Unsere Rolle ist, Bestandsanlagen und natürlich Thrid-Party-Produkte in Mindsphere zu integrieren.

Michael Volz: Und mit unseren rund 160 000 installierten eWON-Gateways haben wir eine große installierte Basis. Jedes dieser Gateways verbindet eine Maschine bereits mit dem Internet. Durch entsprechende Softwareupdates können wir die Konnektivität in weitere Clouds nach Bedarf entwicklen und nachrüsten. So lässt sich ein riesiger Bestand an Maschinen und Anlagen in Cloud-basierte IT-Systeme integrieren. Mindsphere steht hier natürlich auch im Fokus. Die installierte Basis ist ein starkes Argument pro HMS als Connecitivty-Partner.

Welchen Status hat die Partnerschaft?

Michael Volz: Die Tinte unter den Vereinbarungen ist gerade getrocknet. Aber es ist erklärtes Ziel beider Unternehmen, eng und zügig an dem Thema zusammen zu arbeiten.

Und die Netbiter-Gateways werden sicher nicht nur Mindsphere unterstützen.

"Wir sind und bleiben auf Kommunikation und Connectivity fokussiert."

"Wir sind und bleiben auf Kommunikation und Connectivity fokussiert." Redaktion IEE

Thilo Döring: Genau, Thingworx ist das, was wir heute schon haben, SAP Hana/Leonardo erreichen wir über OPC UA oder unsere .Net-Bridges.

Ihre Kunden haben doch immer die Option, über ihre Plattform zu gehen und von dort aus kontrolliert in die bevorzugte Cloud.

Thilo Döring: Oft hat der Kunde bereits konkrete Vorgaben oder Vorstellungen wo er die Daten haben möchte – in der Regel, weil die IT bereits Microsoft Azure oder SAP einsetzt. Unser Anspruch ist, dann das entsprechende Kommunikationsinterface zu liefern.

Unsere Talk2M-Plattform ist für sich betrachtet eine Vermittlungsplattform für Fernwartung und Diagnose von Maschinen über VPN-Verbindungen, kein klassischer Cloudservice. Darüber können Kunden Daten abrufen und weiterleiten. Außerdem bieten wir mit Argos eine Cloud-Plattform, die bewusst auf einfache Anwendungsfälle ausgelegt wurde – ein kleines, feines System, mit dem man aus einer Toolbox heraus, Alarmmeldungen konfigurieren und Dashboards erstellen kann, mehr nicht. Entsprechend positionieren wir diese Lösung nicht als Konkurrenz zu Azure, ThingWorx oder Mindsphere.

Michael Volz: Wir als HMS haben keine Pläne, selbst eine Public Cloud auf die Beine zu stellen und zu vermarkten. Einfache kleine Lösungen ja, alles andere auf den Plattformen der großen Anbieter, gerne mit unseren IIoT-Gateways als Datensammler.

Bei Neuanlagen werden OPC UA und TSN als aussichtsreiche Kandidaten gehandelt. Aber wann kommt TSN?

Thilo Döring: Das kommt darauf an, wen man fragt. Wir arbeiten intensiv mit den entsprechenden User Organisationen zusammen, zum Beispiel mit PI Profibus und Profinet International. PI erwartet die finalen Spezifikationen für Profinet over TSN bis Mitte nächsten Jahres. Mittelfristig wird TSN den IRT-Part von Profinet ablösen. Und HMS wird natürlich entsprechend die Funktionen in die Produkte implementieren, wenn die Spezifikationen final verabschiedet sind. Bis Produkte auf dem Markt verfügbar sind, wird es also noch seine Zeit dauern.

Dann gibt es natürlich Bewegungen wie die Shaper Group, die ausschließlich auf OPC UA und TSN setzt. Auch das schauen wir uns genau an und sind mit dem Gremium in Kontakt.

"HMS ist offizieller Mindsphere-Partner für Connectivity."

"HMS ist offizieller Mindsphere-Partner für Connectivity." Redaktion IEE

Michael Volz: Die Automatisierungstechnik ist zwar sehr innovativ, trotzdem dauert es eine ganze Weile bis sich eine neue Basistechnologie etabliert. Beispiele gibt es dafür zur Genüge. Den Wechsel vom Feldbus auf Ethernet haben wir schon vor 15 Jahren eingeläutet. Aber erst letztes Jahr haben die Ethernet-Systeme die Feldbusse bei den Stückzahlen erstmals überflügelt. Das heißt nicht, dass nicht immer noch jede Menge Feldbusanschaltungen über die Theke gehen. Bei Ethernet TSN wird es nicht viel anders sein.

Es wird Early Adopter geben. Aber die Serienmaschinenbauer ändern ihr Automatisierungskonzept nicht jeden Tag, nur weil eine neue vielversprechende Technologie angekündigt wird. Viele haben gerade erst Profinet oder Ethercat eingeführt.

Thilo Döring: HMS hat sich bei den Feldbussen und auch bei den Ethernet-Systemen als neutraler und sehr universell aufgestellter Player positioniert – das ist auch die Strategie für die Zukunft. Wir haben keine Präferenzen, sondern liefern das, was der Markt fordert.

Wie sehen denn die Zahlen von HMS aus?

Thilo Döring: Wir hatten ein sehr gutes Jahr 2017 mit einem sehr starken Wachstum – in Summe 24 Prozent gegenüber 2016. In absoluten Zahlen: 119 Millionen Euro. Im letzten Jahr hatten wir keine Akquisition, das heißt wir sind rein organisch gewachsen. Das zeigt, dass HMS die richtigen Technologien am Start hat und die Märkte mit den richtigen Produkten bedient. HMS ist neben dem Bereich Factory Automation inzwischen auch in der Gebäudeautomation gut aufgestellt. Ausgangspunkt war hier die Akquisition der spanischen Firma Intesis im Jahr 2016, deren Technologie wir mit ins Portfolio genommen haben.

Michael Volz: Die Strategie ist nicht, Mitbewerber aufzukaufen, um sich das Leben auf dem Markt einfacher zu machen. Wir wollen uns im Bereich Konnektivität einfach noch breiter aufstellen und ein sehr umfassendes Lösungsportfolio haben.

Wenn Sie 2017 bei Übernahmen pausiert haben, darf man in diesem Jahr mit einem weiteren Zukauf rechnen?

Thilo Döring: Die Unternehmen müssen natürlich gut zu HMS passen. Auf der einen Seite muss das Produktportfolio eine Ergänzung sein und zu unseren bisherigen Märkten passen. Ebenso wichtig ist, dass das Unternehmen an sich von der Kultur her zu HMS passt. In Summe ist es nicht ganz einfach, das richtige Unternehmen zu finden. Aber wir sind weiter offen für strategische Akquisitionen.

Das Interview führte Chefredakteur Stefan Kuppinger

Stefan Kuppinger

Chefredakteur IEE

(sk)

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