Früher war alles einfach. Großkraftwerke erzeugten elektrische Energie und der Strom wurde über Hoch- und Mittelspannungsnetze und zuletzt als Niederspannung lokal an die Endverbraucher verteilt. Die Netze wurden so dimensioniert, dass auch bei unterschiedlicher Netzbelastung beim Verbraucher die Spannung an der Steckdose immer 400 V beziehungsweise 230 V ±10 % betrug. Einzelne dezentrale Einspeiser wurden in den Modellen als ‘negativer Verbrauch‘ oder auch gar nicht erst berücksichtigt. Stufenschalter an den Trafos zwischen Hoch- und Mittelspannungsnetz reichten aus, die Spannung auf der Mittelspannungsebene zu regeln. Es gab keine Regelung der Spannung auf der Niederspannungsebene, nicht einmal eine Messung fand statt – und so ist es bis heute. Der Strom kannte jahrzehntelang nur eine Richtung, vom Kraftwerk zum Verbraucher.

Bei dieser Struktur war es am einfachsten, bei Störungen alle Eigenerzeugungsanlagen schnellstmöglich abzuschalten, um das Netz anschließend zu stabilisieren und kontrolliert wieder zuzuschalten. In der in den Jahren 2005 und 2006 vom damals zuständigen Verband der Netzbetreiber (VDN) verabschiedeten ‚Richtlinie für Eigenerzeugungsanlagen am Niederspannungsnetz‘ wurde deshalb vorgeschrieben, Anlagen bei einem Anstieg der Netzfrequenz über 50,2 Hz unverzüglich abzuschalten.

Mit dem rasanten Anstieg von Eigen­erzeugungsanlagen, Ende 2012 stellen allein Photovoltaik-Anlagen über 30 GWp bereit, hat sich die Situation grundlegend geändert. Der Strom kann inzwischen auch vom Niederspannungsnetz zurück ins Mittelspannungsnetz fließen, beispielsweise wenn viel Wind weht, die Sonne scheint und wenig Verbraucher eingeschaltet sind. Ein Überangebot an elektrischer Leistung zwingt die Netzbetreiber, dann negative Regelleistung einzusetzen, das heißt die eigene Kraftwerksleistung zu reduzieren, Anlagen abzuschalten oder künftig auch Verbraucher zuzuschalten. Dabei verursacht allein schon die Bereitstellung von Regelleistung hohe Kosten, die am Ende die Stromkunden bezahlen.

Das Netzentkupplungsrelais UFR1001 eignet sich zur Nachrüstung in Anlagen, bei denen der Frequenzsteigerungsschutz von 50,2 auf 51,5 Hz geändert werden muss.

Das Netzentkupplungsrelais UFR1001 eignet sich zur Nachrüstung in Anlagen, bei denen der Frequenzsteigerungsschutz von 50,2 auf 51,5 Hz geändert werden muss.Ziehl

Bei 50,2 Hz fehlen zehn Kraftwerke

Der zunehmend blockweise Stromhandel verschärft das Problem und verursacht zum Abrechnungszeitpunkt durch Lastwechsel deterministische Frequenzabweichungen, die zum Teil jetzt schon bis zu 50,1 Hz erreichen.

Steigt trotz Regelung die Netzfrequenz weiter, würden bei dem bis April 2011 vorgeschriebenen und in den Anlagen eingestellten Grenzwert von 50,2 Hz für die Überfrequenz alle nicht nachgerüsteten Eigenerzeugungsanlagen praktisch gleichzeitig abschalten. Damit gingen abrupt mehrere Gigawatt Erzeugungskapazität, etwa die Leistung von zehn Großkraftwerken, vom Netz. Schlagartig, quasi von einer Sekunde zur anderen, würde das Stromangebot stark zurückgehen. Die im Netz von den Energieversorgern vorgehaltene Regelleistung wäre dann sowohl von der Menge als auch von der Aktivierungszeit nicht ausreichend. In diesem Fall könnte es einem Blackout kommen, der sich im Extremfall auf weite Teile des paneuropäischen Synchrongebiets auswirken könnte. Die Eintritts-Wahrscheinlichkeit ist zwar sehr gering, um aber ein größtmögliches Maß an Versorgungs­sicherheit in Deutschland und Europa zu gewährleisten, sind Maßnahmen erforderlich.

Beispiele für großräumige Stromausfälle in der Vergangenheit waren die europaweite Verbundnetzstörung im Jahr 2006 und der Blackout 2003 in Italien. In beiden Fällen lag Deutschland in einer exportierenden Netz-Region, in der die Frequenz auf über 50,2 Hz anstieg.

Seit August 2011 ist die vom VDE FNN (Forum zur Weiterentwicklung von Netztechnik und Netzbetrieb Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik) ausgearbeitete Anwendungsregel VDE-AR-N 4105 in Kraft und muss seit Anfang 2012 für alle Photovoltaik-­Anlagen und seit Juli 2012 auch für alle anderen Eigenerzeugungsanlagen (Blockheizkraftwerke, Wind- und Wasserkraft-­Anlagen angewandt werden. Für Photovoltaikanlagen galt bereits seit April 2011 eine Übergangsregelung, nach der die Abschaltfrequenz auf 51,5 Hz eingestellt werden musste. Das Problem: Diese Maßnahmen betreffen nur Neuanlagen. Bestandsanlagen schalten weiterhin bei 50,2 Hz gleichzeitig ab.

Vor diesem Hintergrund untersuchten das Beratungsunternehmen Ecofys und das Institut für Feuerungs- und Kraftwerkstechnik (IFK) der Uni Stuttgart ob und in welchem Umfang eine technische Nachrüstung von Bestandsanlagen notwendig und möglich ist. Dabei wurden auch die Auswirkungen einer Nachrüstung hinsichtlich des vorübergehenden Betriebs von Teilnetzen mit Netzersatzanlagen untersucht. Das Ergebnis der Untersuchung, die die vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB), dem VDE FNN, dem Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) in Begleitung von BMWi, BMU und BNetzA in Auftrag gegeben wurde, war eindeutig: Die Nachrüstung eines signifikanten Teils der Bestandsanlagen ist notwendig und möglich – nicht nur von Photovoltaik-Anlagen. Auch bei anderen dezentralen Erzeugungsanlagen wie Wind- und Wasserkraft sowie Blockheizkraftwerken besteht teilweise dringender Handlungsbedarf. An einer Lösung für diese Erzeugungsanlagen wird derzeit noch gearbeitet, während es für die Photovoltaik bereits ­eine gibt.

Die programmierbaren Überwachungsrelais UFR1000 und UFR1001 eignen sich zur Nachrüstung in Anlagen (Niederspannung), bei denen der NA-Schutz ausgetauscht werden muss.

Die programmierbaren Überwachungsrelais UFR1000 und UFR1001 eignen sich zur Nachrüstung in Anlagen (Niederspannung), bei denen der NA-Schutz ausgetauscht werden muss.Ziehl

Über 300.000 Altanlagen sind nachzurüsten

Die Studie empfiehlt, nach dem 1. September 2005 in Betrieb genommene Anlagen über 10 kWp Leistung nachzurüsten; wenn möglich auf die frequenzabhängige Leistungsregelung gemäß der aktuellen VDE-AR-N 4105 oder alternativ auf die BDEW-Mittelspannungsrichtlinie 2008 beziehungsweise gemäß dem Hinweis VDE FNN zur Übergangsregelung. Dazu sollten sich die Hersteller von Wechselrichtern verpflichten, Handlungsempfehlungen für ihre Produkte zu erstellen, und die Installateure diese Empfehlungen auch einzuhalten.

Aufgrund der Empfehlung müssen rund 315.000 PV-Anlagen umgerüstet werden. Die voraussichtlichen Kosten wurden mit 65 bis 175 Millionen Euro sehr grob kalkuliert. Nicht darin enthalten sind beispielsweise die erheblichen Verwaltungskosten der Verteilnetzbetreiber (VNB) und der Wechselrichterhersteller für die Programmierung von Updates für die installierten älteren Wechselrichtertypen. Die Kosten für die Umrüstung von Netzersatzanlagen sind mit 500 000 bis 2 Millionen Euro ebenfalls sehr niedrig angesetzt. Die Finanzierung dieser Maßnahmen erfolgt zu jeweils 50 % über das EEG (Erneuerbare Energien Gesetz) und eine Umlage auf die Netzentgelte.

Der Verlauf der Umrüstung wurde in der Systemstabilitätsverordnung (SysStabV) im Sommer 2012 festgelegt. Demnach sind die Verteilnetzbetreiber verpflichtet, die Nachrüstung durch eine Elektrofachkraft durchführen zu lassen.

Um eine möglichst kurzfristige, schnelle Wirkung zu erzielen, die Studie rechnet damit, dass maximal 8.500 bis 11.000 Anlagen pro Monat umgerüstet werden können, beginnt die Nachrüstung mit großen Anlagen ab 100 kW. Der festgelegte Zeitplan ist sehr ambitioniert.

Der Ablauf

Um eine zügige und vollständige Umrüstung zu gewährleisten, schreiben die Verteilnetzbetreiber auf Basis ihrer Stammdaten die Anlagenbetreiber an. Dabei nennen sie Rückmeldefristen für den Fragebogen, in der Regel mindestens vier Wochen, und fügen dem Anschreiben einen Abfragebogen und ein Begleitschreiben der Ministerien bei. Die Anlagenbetreiber füllen den Fragebogen aus und schicken ihn zurück.

Die VNB gleichen die Rückmeldedaten mit ihren Listen ab, die alle Wechselrichter und Geräte zum Netz- und Anlagenschutz mit den jeweiligen Möglichkeiten und notwendigen Maßnahmen der Nachrüstung umfasst. Diese Umrüstmaßnahmen werden ausgeschrieben und ein Dienstleister mit deren Umsetzung beauftragt.

Die VNB ermitteln die Kosten für die Nachrüstung und ihren administrativen Aufwand und legen davon 50 % auf die Netzentgelte um. Die zweiten 50 % rechnen sie regelmäßig mit den Übertragungsnetzbetreibern (ÜNB) ab. Die tatsächlich angefallenen Kosten müssen von einem Wirtschaftsprüfer testiert und jährlich dem ÜNB nachgewiesen werden. Die Nachrüstkosten sind monatlich von den Übertragungsnetzbetreibern zu veröffentlichen. Den Stand der Nachrüstung melden die VNB quartalsweise an die ÜNB.

In einer Mitteilung vom Dezember 2012 stellt der BDEW fest, dass je nach Region bis zu 50 % der Fragebögen nicht fristgerecht zurückgeschickt wurden. Kommt der Anlagenbetreiber seinen Pflichten zum Ausfüllen des Fragenbogens und Abstimmung der Umrüstung mit dem beauftragten Dienstleister nicht nach, so muss der VNB die EEG-Vergütung reduzieren.

Bis auf den zeitlichen Aufwand für die Rückmeldung und Abstimmung entstehen dem Anlagenbetreiber keine Kosten, sofern er die Nachrüstung durch den vom Verteilnetzbetreiber beauftragten Dienstleister durchführen lässt. Sollte er darauf bestehen, dass die Nachrüstung zum Beispiel durch den Betrieb durchgeführt wird, der die Anlage installiert hat, muss er nachweisen, dass dieser dafür qualifiziert ist und mögliche Mehrkosten tragen.

Technische Umsetzung

Vorzugsweise sollen Wechselrichter so nachgerüstet werden (Softwareupdate), dass sie den aktuellen Normen entsprechen und bei Überschreiten von 50,2 Hz die momentane Wirkleistung (zum Zeitpunkt der Anforderung, Einfrieren des Wertes) mit einem Gradienten von 40 % je Hz absenken und bei sinkender Frequenz wieder erhöhen (Niederspannung). Bei Anlagen, die in das Mittelspannungsnetz einspeisen, darf die Wirkleistung erst bei Rückkehr der Frequenz auf einen Wert von 50,05 Hz wieder gesteigert werden. Sollte nur die Kennlinie für die Mittelspannung realisierbar sein, zum Beispiel weil diese im Wechselrichter bereits vorgesehen ist, so darf diese auch bei der Einspeisung in die Niederspannung verwendet werden. Dieses Verfahren sorgt für eine sanfte Reduzierung der Leistung.

Sollte eine Nachrüstung der Wechselrichter auf die oben beschriebenen Kennlinien nicht möglich sein, sind folgende feste Abschaltfrequenzen einzustellen:

  • Niederspannung bei Wechselrichtern mit Auflösung 0,1 Hz: 50,3 bis 51,0 Hz in Schritten von 0,1 Hz.
  • Niederspannung bei Wechselrichtern mit Auflösung 0,05 Hz: 50,25 bis 50,95 Hz in Schritten von 0,1 Hz.
  • Mittelspannung bei Wechselrichtern mit Auflösung 0,1 Hz: 51,1 bis 51,5 Hz in Schritten von 0,1 Hz.
  • Mittelspannung bei Wechselrichtern mit Auflösung 0,05 Hz: 51,05 bis 51,45 Hz in Schritten von 0,1 Hz.

Dabei ist der Frequenzwert für jeden Wechselrichter so festzulegen, dass sich eine gleichmäßige Verteilung der Abschaltfrequenzen über die gesamte Leistung des betroffenen Anlagenbestands einer Regelzone ergibt.

Für den Fall, dass eine Nachrüstung den Austausch des Wechselrichters erfordert, besteht keine Pflicht zur Nachrüstung. Wo der Grenzwert für die Unterfrequenzabschaltung nicht ohnehin schon eingestellt ist, muss der Parameter auf 47,5 Hz eingestellt werden.

Bei Anlagen, bei denen ein zentraler Netz- und Anlagenschutz (Niederspannung >30 kW) beziehungsweise ein übergeordneter Entkupplungschutz (Mittelspannung) eingebaut ist, würde dieser weiterhin die ganze Anlage bei 50,2 Hz abschalten. Deshalb ist auch dieser nachzurüsten. UFR1000 und UFR1001 der Firma Ziehl Industrie-Elektronik sind einfach umzuprogrammieren. Dafür steht auf der Homepage des Unternehmens eine kurze Anleitung zur Verfügung. Sollten in den Anlagen Fremdgeräte verbaut sein, die nicht einstellbar sind und ersetzt werden müssen, bietet sich, nach Rücksprache mit dem zuständigen Verteilnetzbetreiber, der Austausch gegen die UFR1001 oder die UFR1001E an. Letztere entsprechen der aktuellen Norm VDE-AR-N 4105.

Auf den ersten Blick mag der doch recht große Aufwand für die Nachrüstung nur wenige Jahre alter Anlagen sehr hoch erscheinen. In Zeiten immer komplizierterer Netzstrukturen und weiter zunehmender Einspeisung durch Eigenerzeugungsanlagen darf aber kein Risiko eingegangen werden. Der durch die Nachrüstung möglicherweise abgewendete Schaden durch Netzausfälle liegt sicherlich um ein Vielfaches höher als die Kosten für die Nachrüstung.

Technik im Detail

Anlagen variabel abschalten
Das Netzentkupplungsrelais UFR1001 eignet sich zur Nachrüstung in Anlagen, bei denen der Frequenzsteigerungsschutz von 50,2 auf 51,5 Hz geändert werden muss. Das UFR1001E entspricht der aktuellen Anwendungsregel VDE-AR-N 4105 für Niederspannung und der BDEW-Richtlinie für Mittelspannung. Es überwacht Spannung und Frequenz auf voreingestellte Grenzwerte. Mit seinen weiten Einstellbereichen ist es vielseitig, bleibt dabei aufgrund der voreingestellten Programme einfach zu installieren (Plug and Play).Das Gerät ist zweikanalig aufgebaut und einfehlersicher. Außerdem lässt sich mit Rückmeldekontakten die Funktion der Kuppelschalter überwachen. Über den Freigabe-Eingang kann die Anlage abgeschaltet werden, zum Beispiel mit einem Rundsteuerempfänger. Anzahl, Zeitpunkt und Gesamtdauer der Abschaltungen registriert das Gerät. Beim Einsatz in BHKW unterstützt es die Netzsynchronisation. Mit dem integrierten Vektorsprungrelais eignet es sich auch zum Schutz von Synchrongeneratoren. Ein Alarmzähler speichert die Ursache von bis zu 100 Alarmen mit relativem Zeitstempel. Alle Parameter können bei Bedarf einfach angepasst werden, wobei alle Werte auch im plombierten Zustand auslesbar sind.

Herbert Wahl

ist Vertriebsleiter bei der Ziehl Industrie-Elektronik GmbH & Co. KG in Schwäbisch Hall.

(sk)

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