Roland Chochoiek, Geschäftsgebietsleiter Elektronik der Heitec AG.

Roland Chochoiek, Geschäftsgebietsleiter Elektronik der Heitec AG. Heitec

„Bezogen auf die Langlebigkeit ist es durchaus positiv zu sehen, dass sich in dieser Branche nicht gar so viel bewegt. Gerade die Industrie legt großen Wert auf langfristige Verfügbarkeit und stellt hohe technische Anforderungen. Permanente und schnelle Wechsel sind hier nicht erwünscht. Vielleicht erscheint die Elektromechanik vordergründig nicht so spannend, aber das Spannende liegt im Detail. Auch ist sie sehr vielfältig. Es geht ja nicht nur um das Gehäuse. Hinzu kommen spezielle Anforderungen hinsichtlich Kühlmanagement, Power Supply, EMV. Modularität und Skalierbarkeit sind weitere wichtige Aspekte. Würde nicht mehr dahinter stecken, würde es ja eine einfache Billigbox auch tun.“

Wie spiegeln sich diese speziellen Anforderungen in den Produkten und den Bauteilen wider? Chochoiek: „Betrachten wir einmal die EMV-Thematik. Dazu kann ich ein recht anschauliches Beispiel liefern. Trotz der Modularität muss ein 19-Zoll-System natürlich EMV-tauglich sein. Ganz wesentlich ist hier die Frage: Wie schaffe ich es, die EMV-Dichte von Frontblende zu Frontblende weiterzureichen? Bei einem einmaligen Vorgang ist dies noch relativ trivial. Jedoch bei Einsteckkarten, die ein Servicetechniker im Feld steckt und zieht, ist Robustheit gefragt. So gab es beispielsweise vor einiger Zeit Anfragen von Kunden, die Probleme mit den seitlich an den Frontplatten angebrachten Schaumverbindungen an den Produkten von Mitbewerbern hatten. Zieht man eine Karte und die Pins der Platine ragen noch hervor, reißt man unter Umständen die Schaumdichtung heraus oder beschädigt sie und erzeugt im schlimmsten Fall Kurzschlüsse. Bei der Freigabe hat das System zwar den EMV-Test bestanden, de facto ist der EMV-Schutz jedoch nicht mehr gegeben. Auf die Schaumverbindung folgte die segmentierte Feder. Hier wiederum entstanden zwischen den Metallsegmenten Angriffspunkte für Pins auf benachbarten Boards, die zu Beschädigungen der Feder führen konnten. Diese Erfahrungen führten zur Entwicklung einer geschlossenen, nichtsegmentierten EMV-Feder für die Frontblende. Klingt zwar im ersten Moment banal, aber selbst in diesen Details steckt einiges an Entwicklungsarbeit und Technologie. Es erfordert auch in fertigungstechnischer Hinsicht viel Erfahrung und Know-how, die Feder richtig zu falten, damit sie die Kraft über die Lebensdauer erhält.“

Viel Erfahrung und Know-how

„Ein weiteres Thema bei dem die Frage aufkommt: Wo ist das Problem? betrifft das Ziehen und Stecken der Karten. Schwieriger wurde diese Thematik mit der Spezifizierung des Compact-PCI-Standards. Denn damit waren plötzlich ein paar Hundert Pins in der Backplane. Mit steigender Tendenz erfolgt dies auch beim VPX-Standard. Trotz dieser Entwicklung, weg vom parallelen Bus hin zum seriellen Bus, nimmt die Anzahl der Pins stetig zu, da inzwischen parallel mehr serielle Busse in der Backplane angeordnet sind, um die ständig wachsenden Anforderungen an hohe Datenübertragungsraten zu erfüllen. Und diese vielen Steckverbinder in der Backplane erfordern Steckkräfte. Bei Compact PCI mit bis zu 535 Pins sind 500 oder 600 N keine Seltenheit. Auswurfhebel mit Kunststoffgriff verschleißen hier schnell. Nur wenige Haltegriffe bewältigen diese Kräfte. Der 4S von Heitec schafft über 800 N Hebekraft. Er verfügt über einen Metallhaken und ist in der Lage, bei vielen Steckzyklen auch hohe Steckkräfte zu leisten, ohne dabei kaputt zu gehen.“

Ein spannendes Detail: Nicht segmentierte EMV-Feder plus Ein-/Aushebegriff Typ IVs.

Ein spannendes Detail: Nicht segmentierte EMV-Feder plus Ein-/Aushebegriff Typ IVs.

In Sachen Standardisierung ist ja durchaus Bewegung in der Elektromechanik. Was denken Sie wo die Reise hingeht? Braucht die Branche noch einen Standard? „Es gab eine Zeit, in der man glaubte, alles Mögliche standardisieren zu müssen. Aber hilft es dem Kunden wirklich, wenn er 20 oder noch mehr sehr ähnliche, miteinander konkurrierende Standards hat? Zweifelsohne ist dies nicht zielführend. Dies hat sich in letzter Zeit wieder beruhigt. Einer der Gründe ist hier sicherlich auch der gewisse Konservatismus dieser Branche, oder positiver ausgedrückt: Man stürzt sich nicht sofort auf alles Neue und verlässt sich auch gerne auf Bewährtes. Die bewährte Technologie ist die Basis, der man sinnvolle Erweiterungen hinzufügt, die es ermöglichen, aktuelle Technologien zu nutzen. Ein gutes Beispiel ist hier Advanced TCA, der Standard für Telekommunikationsanwendungen. Datenraten von 100 GBit werden heute in diversen Anwendungen erforderlich. Somit ist eine Standardisierung sinnvoll, da es sich nicht um das Problem eines einzelnen Kunden handelt, sondern um ein Thema, das sich aufgrund der technologischen Entwicklung ergeben hat. Und das Ergebnis einer Gruppe ist im Allgemeinen besser als das eines Einzelnen.“

Ein gesundes Maß an Standardisierungsverbänden

„Ähnlich die Situation bei Compact PCI. Die Entwicklung weg vom parallelen hin zum seriellen Bus hatte eine andere Backplane-Technologie zur Folge. Als Basis ist die bewährte Technologie weiterhin gut. Es muss nur der Teil standardisiert werden, der es ermöglicht, die neue Technologie einsetzen zu können. Dadurch schöpft der Anwender aus der breiten Basis des Standards, kann aber auch neue Technologien einsetzen und ist nicht an einen Anbieter proprietärer Lösungen gebunden, sondern er hat durch den Standard die Wahlmöglichkeit. Sich auf gewisse Dinge zu einigen, schließt Individualität nicht aus, die Produkte müssen nur mit denen der Mitbewerber zusammenpassen.“

„Die Zahl der Standarisierungsverbände in unserer Branche empfinde ich als ein gesundes Maß. Ich betrachte dies als guten Mix – nicht zu viele nicht zu wenig. Verlieren Organisationen an Innovationskraft formieren sich neue Organisationen. So ist auch die SGET entstanden. Das Geschehen bei der Standardisierung entspricht der einer natürlichen Evolution. Aus meiner Sicht ist dieses Maß durchaus sinnvoll: die mechanische Welt mit der IEC, die sich auf die mechanischen Gehäusestandards konzentriert, PICMG, entstanden aus der PC-Welt, VITA aus der 68000er-Motorola-Welt, beide für den High-end-Bereich und die kleinen Systeme werden von der SGET (Standardization Group for Embedded Technologies) abgedeckt.“

„Verbände sind auch zukünftig wichtig. Sie sind Antriebsmodul, notwendiges Forum und eine Plattform, für den fachlichen Gedankenaustausch und sie übernehmen administrative Aufgaben. So negativ das auf der einen Seite auch klingen mag, ohne eine vernünftige Organisation im Rücken gibt es auch keine Basis für eine langfristige Entwicklung und eine Technologie, die der Anwender beruhigt einsetzen kann.“

Und jetzt noch eine abschließende Frage: Was bietet Heitec seinen Kunden? Welches sind die größten Vorteile des Heitec-Baukastens? „Aus meiner Sicht sind das zwei ganz wesentliche Vorteile. Der eine ist die Geschwindigkeit, da der Kunde auf eine geprüfte und bewährte Lösung zurückgreift, die schon auf der Bauteilebene vorzertifiziert ist. Zweiter wesentlicher Vorteil sind die Kosten, da wir unsere Produkte in hohen Stückzahlen fertigen. Beispielsweise produzieren wir die vorher genannten Federn in Millionen-Stückzahl. Unser Alleinstellungsmerkmal ist, dass wir auch Elektronik-, Board- und Systementwicklung im Haus haben und eine Vielzahl von Marktsegmenten und Kundenanwendungen abdecken können. Aus unserer Firmenhistorie heraus sind wir ganz bewusst dazu bereit, kundenspezifische Lösungen zu kreieren. Wobei wir soweit es geht unseren Baukasten nutzen mit den genannten Vorteilen von Geschwindigkeit und Kosten, wir führen aber auch kundenspezifische Entwicklungen dort durch, wo es noch nichts Passendes gibt. Wir schrecken vor nichts zurück.“

Andrea Hackbarth

Redakteurin beim Fachmagazin elektronik industrie.

(ah)

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