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Das Speichern, Betrachten und gemeinsame Nutzen von Inhalten auf verschiedenen Elektronikgeräten (Computer, Tablet, Kamera, Navi, Handy) ist für Verbraucher heute besonders wichtig – ganz zu schweigen von der wachsenden Zahl kommerzieller und industrieller Anwender. Gleichzeitig nimmt die Datenmenge, die die Benutzer austauschen möchten, immer weiter zu. Die Handhabung dieser großen Dateien und die einfache gemeinsame Nutzung der Daten ist heute eine Grundvoraussetzung bei der Entwicklung neuer Technologien – der Erfolg von Cloud-Computing spricht für sich.

Auf einen Blick

Bitte berühren

Sicher und schnell: Diese beiden Ziele verfolgt Transferjet. Das Funktprotokoll arbeitet mit induktiver Kopplung in der selben Reichweite wie NFS, transportiert aber sehr hohen Datenraten. Eine Kopplung wie bei Bluetooth ist nicht nötig, da die physikalische Nähe als Sicherheitsmaßnahme dient. Anwender müssen ihre Kamera nur nahe genug an den Fernseher halten, um die Verbindung zu initiieren – einfacher geht es kaum.

Doch nicht immer ist es sinnvoll, große Dateien erst in die Cloud hochzuladen, nur um sie am Nachbargerät gleich wieder herunterzuladen. Wer zum Beispiel viele Fotos schießt oder eine HD-Filmkamera verwendet, möchte die Bilder vielleicht an einem wandfüllenden Flatscreen-TV betrachten – auch ohne Internet-Verbindung und ohne Wartezeiten. Die Verbindung zwischen Kamera und TV wird aber oft zum Abenteuer: Der Verbraucher muss Strippen ziehen und sich durch zahllose Menüoptionen hangeln. Das sollte einfacher gehen.

Kurzstrecke mit Transferjet

Genau hier kommt der drahtlose Kommunikationsstandard Transferjet ins Spiel. Er ermöglicht eine schnelle Peer-zu-Peer-Kommunikation zwischen zwei Geräten, die sich in unmittelbarer Nähe zueinander befinden. Die Motivation hinter diesem Standard ist, Produkte mit einem Content-Sharing-System auszustatten, das so einfach ist wie NFC (Near-Field Communication) und die Geschwindigkeit von UWB (Ultra Wide Band) bietet, ohne das Gerätedesign mit hohen Kosten zu belasten.

Transferjet ist ein Punkt-zu-Punkt-Funksystem, das bei einer Mittenfrequenz von 4,48 GHz arbeitet. Die Übertragungsreichweite ist auf wenige Zentimeter begrenzt, so dass nur sehr wenig Übertragungsleistung erforderlich ist: weniger als -70 dBm/MHz. Dies ermöglicht auch einen lizenzfreien Betrieb in den wichtigen globalen Märkten in Japan, Europa und den USA (Bild 1). Der geringe Energieverbrauch sorgt auch für einen störungsfreien Betrieb anderer Funksysteme und es treten keine Störungen auf, wenn mehrere Anwender gleichzeitig Transferjet in der Nähe benutzen.

Bild 1: Transferjet arbeitet mit so wenig Funkleistung, dass er weltweit die Funkstandard-Regulierungen erfüllt.

Bild 1: Transferjet arbeitet mit so wenig Funkleistung, dass er weltweit die Funkstandard-Regulierungen erfüllt.Toshiba

Der Transferjet-Standard wird durch ein Konsortium aus derzeit 45 führenden Anbietern im Bereich Consumer- und Industrieelektronik verwaltet und entwickelt, darunter auch Toshiba. Der Standard enthält Spezifikationen bis zu OSI Layer 5 (Session Layer) mit robuster Fehlererkennung und -korrektur, Paketbestätigung und Systemen zum erneuten Senden von Datenpaketen. Die Übertragungsrate auf der physikalischen Schicht (PHY) beträgt 560 MBit/s. Durch den unvermeidlichen Protokoll-Overhead bleibt der Nutzlast ein Datendurchsatz von 375 MBit/s. Dies ermöglicht den Austausch einer einstündigen MPEG-kodierten TV-Sendung in nur wenigen Sekunden.

Unmittelbare Nähe der Geräte

Entscheidend für das Benutzererlebnis ist der so genannte Touch-Betrieb. Durch die kurze Übertragungsreichweite kann das System sicher annehmen, dass der Anwender eine Verbindung tatsächlich beabsichtigt, wenn zwei Transferjet-fähige Produkte nah genug aneinander angeordnet sind, um eine gegenseitige Erkennung durchzuführen. Kein weiterer Eingriff ist erforderlich, der Vorgang entspricht dem Anschließen eines Geräts an der USB-Buchse.

Sobald die anfängliche Transferjet-Verbindung besteht, folgen die nächsten Kommunikationsschritte auf Anwendungsebene. Dazu kann die automatische Übertragung einer Datei zählen, wobei der Anwender zu einer Eingabe aufgefordert wird, oder es wird ein Menü dargestellt. Transferjet fasst alle notwendigen Kommunikationsstufen – Suchen, Auffinden, Auswahl. Authentifizierung, Verbindung und Datenübertragung – in eine einzige Bewegung zusammen: den so genannten Touch.

Alternativlos

Bei der Vielzahl bereits bestehender Funkprotokolle und Funkstandards stellt sich die Frage, ob es nicht schon längst eine Lösung für derlei Anwendungen gibt. Bei näherer Betrachtung wird klar, dass keiner der etablierten Standards die Anforderungen ganz erfüllt. NFC ist zwar genau für eine Peer-zu-Peer-Kommunikation ausgelegt, überträgt aber nur sehr kleine Datenmengen. Auch Zigbee bietet nur geringe Datenraten (250 KBit/s) und ist trotz seiner Einfachheit immer noch ein Netzwerkstandard, der Einrichtungen in komplexen Netzwerkverbindungen bedient.

Bluetooth bietet auch die Peer-zu-Peer-Vorteile von Transferjet, war aber ursprünglich nicht für die schnelle Übertragung großer Dateien ausgelegt. Aus Sicherheitsgründen ist hier außerdem eine Kopplung erforderlich, die ein Eingreifen des Benutzers erfordert. UWB ist trotz seiner hohen Übertragungsgeschwindigkeit nicht auf Einfachheit ausgelegt und hat seine früheren Versprechen nicht eingehalten. IEEE 802.11 eignet sich eher für eine drahtlose Datenkommunikation über größere Reichweiten und ist wie Zigbee ein Netzwerksystem mit relativ ausgeprägter, integrierter Sicherheit.

Transferjet wird keines dieser Systeme ersetzen, sondern seinen Platz in einem zunehmend drahtlos vernetzten Ecosystem und seinen Möglichkeiten einnehmen.

Bild 2: Transferjet nutzt induktive Kopplung. Die arbeitet sehr energiesparend und beschränkt sich auf einen sehr kurzen Umkreis – was durchaus gewollt ist.

Bild 2: Transferjet nutzt induktive Kopplung. Die arbeitet sehr energiesparend und beschränkt sich auf einen sehr kurzen Umkreis – was durchaus gewollt ist.Toshiba

Der Transferjet-Standard

Transferjet nutzt den Nahfeld-Bestandteil des Funksignals. Die Kopplung zwischen beiden Geräten ist induktiv (Bild 2), was bedeutende Auswirkungen hat.

  • Die Feldstärke nimmt bei zunehmender Entfernung rasch ab.
  • Die Energie wird im elektromagnetischen Feld gespeichert anstatt abgestrahlt. Dies trägt zu der hohen Energieeffizienz von Transferjet bei.
  • Das Feld ist nicht polarisiert, das System arbeitet daher orientierungsunabhängig. Die zwei Geräte müssen nicht aneinandergereiht werden oder eine bestimmte Anordnung zueinander einnehmen.

Bild 3: Das Transferjet-Protokoll deckt die unteren fünf Schichten des Standard-OSI-Modells ab.

Bild 3: Das Transferjet-Protokoll deckt die unteren fünf Schichten des Standard-OSI-Modells ab.Toshiba

Das Transferjet-Protokoll selbst arbeitet mit drei Grundprinzipien:

  • Die Verbindungen sind immer Punkt-zu-Punkt.
  • Jedes Gerät kann eine Verbindung initiieren oder empfangen (obwohl die Datenübertragung in beide Richtungen zwischen dem Initiator und Empfänger stattfinden kann).
  • Die Technologie sollte zu bestehenden Architekturen so kompatibel wie möglich sein.

Um diese Prinzipien zu implementieren, definiert das Transferjet-Protokoll drei Schichten: den Protocol Conversion Layer (PCL), den Connection Layer (CNL) und den Physical Layer (PHY). Wie erwähnt, decken diese Layer die fünf unteren Schichten des Standard-OSI-Modells ab.

Die Protokollschichten

Der PHY enthält die eigentliche Funkeinrichtung, die digitale Daten in ein HF-Signal umwandelt, das sich zur Übertragung über die Transferjet-Koppler eignet. Es basiert auf einer einfachen pi/2-BPSK-Modulation (Binary Phase Shift Keying), mit einem verketteten Codierverfahren, das Faltungscodes und Reed-Solomon-Codes für die Fehlerkorrektur verwendet (FEC, Forward Error Correction.

Der CNL verwaltet die Verbindungen und die Datenübertragung. Während des Verbindungsmanagements ist diese Schicht für den Aufbau und die Beendung der Verbindung zum Peer-Gerät verantwortlich. Für den Datenaustausch gibt es Pakete, die die Nutzlast übertragen, und die erfolgreiche Auslieferung dieser Pakete an die Gegenstelle bestätigen.

Der PCL-Layer wandelt vom Schnittstellenstandard der Device-Applikation auf das native Transferjet-Protokoll um. Das Transferjet-Konsortium entschied sich, OBEX (OBject EXchange) und SCSI (Small Computer System Interface) zu unterstützen – zwei bekannte und bewährte Protokolle, die sich in einer Vielzahl von Produkten und Anwendungen finden.

OBEX enthält einen Inbox-Service, der die Basis für den Dateiaustausch bildet, während SCSI für Dienste gewählt wurde, die eine Übertragung von Inhalten in Echtzeit erfordern. Dateizugriff und Druckdienste lassen sich über OBEX oder SCSI erzielen.

Sichere Übertragung

Da Transferjet eine Funkverbindung herstellt, ist Sicherheit ein entscheidendes Kriterium. Viele andere Funkprotokolle umfassen Authentifizierungs- und Verschlüsselungstechniken im Link-Layer. Damit wird sichergestellt, dass nicht autorisierte Empfänger keinen Zugriff auf private Informationen erhalten. Der Unterschied bei Transferjet ist die extrem kurze Reichweite: Wenn jemand einen unerlaubten Zugriff auf ein Gerät versucht, könnte er genauso gut ein USB- oder Ethernet-Kabel anschließen.

Da Transferjet auf einen niedrigen Stromverbrauch, geringe Kosten und ein einfaches Design ausgelegt ist, entschied das Konsortium, dass ein Sicherheits- und Verschlüsselungs-Overhead in der Link-Layer-Spezifikation nicht erforderlich ist. Trotzdem ist Transferjet kompatibel zu Sicherheitsmaßnahmen auf Anwendungsebene, zum Beispiel Dateiverschlüsselung während der Übertragung. Da jedes Gerät eine eindeutige ID besitzt, wird jedes Gerät erkannt, das einen Verbindungsaufbau versucht. Transferjet soll das Beste aus beiden Welten verbinden: die Einfachheit der Touch-Verbindung und die Sicherheit einer Verbindung über Kabel.

Halbleiterlösungen

Eine Reihe von Halbleiterherstellern bietet Bausteine an, mit denen Entwickler ihre Geräte mit der Transferjet-Funktion ausstatten können. Toshiba hat im Januar 2012 mit der Auslieferung seines TC35420 LSI begonnen, der branchenweit ersten Single-Chip-Transferjet-Lösung.

Bild 4: Toshibas TC35420 integriert alle Funktionen, die eine Transferjet-Verbindung benötigt.

Bild 4: Toshibas TC35420 integriert alle Funktionen, die eine Transferjet-Verbindung benötigt.Toshiba

Bild 4 zeigt das Blockdiagramm des TC35420 in einer Transferjet-Anwendung. Der Chip integriert sämtlich Host-Schnittstellen-, Modem-, Basisband- und HF-Funktionen. Mit einem fortschrittlichen 65-nm-HF-CMOS-Prozess hat Toshiba nicht nur die Anforderungen für externe HF-Schaltkreise und Peripherie verringert, sondern mit den Abmessungen von nur 4 x 4 x 0,5 mm den nach Herstellerangaben kleinsten Transferjet-Baustein der Branche vorgestellt.

Neben der geringen Größe und Komplexität und damit auch geringen Kosten bietet der TC35420 eine hohe Leistungsfähigkeit. Mit einer Empfangsempfindlichkeit von -78 dBm weist er Bestwerte auf und übertrifft die Anforderungen der Transferjet-Spezifikation. Damit trägt er zu einer stabilen Kommunikation zwischen Transferjet-kompatiblen Digitalgeräten bei.

Zukunft des Transferjet-Standards

Das Transferjet-Konsortium arbeitet bereits an einer Erweiterung des Standards, indem ein separater Application Management Layer entwickelt wird, der Anwendungen koordiniert und verwaltet. Dazu wird es Richtlinien geben, wie Geräte ein Feedback an den Anwender bereitstellen sollen.

Der Standard ist in vieler Hinsicht einzigartig und kann problemlos zusammen mit anderen Techniken eingesetzt zu werden. So kann eine Kombination aus Transferjet und NFC-Zahlungstechnik bei einem Point-of-Sale, einem Kiosk oder bei einer Außenwerbung einen Austausch von Inhalten auf das Gerät des Anwenders ermöglichen und gleichzeitig eine sichere Zahlung vorgenommen werden – und das alles mit einer einzigen Touch-Bewegung.

Transferjet in Consumer-Produkten

Auf der IFA 2012 zeigte Toshiba zwei Konzeptlösungen: eine Transferjet-Wireless-SSD sowie zwei Android-Tablets, in denen Transferjet-fähige SD- und Micro-SD-Karten steckten. Beim Wireless-SSD-Konzept agiert Transferjet als schnelle, USB-ähnliche Wireless-Verbindung für den Transport und das Streaming großer Datenmengen von und zu einem tragbaren, batteriebetriebenen SSD-Laufwerk oder PC. Die Tablet-Demo zeigt, wie die Transferjet-SD- und Micro-SD-Karten einen einfachen, drahtlosen Touch-and-Get-Datenzugriff zwischen jedem Android-3.1/4.0- oder Linux-basierten System ermöglicht, etwa in Tablets, Kameras oder Mobiltelefonen.

Heiner Tendyck

ist Principal Engineer für ASICs und SoCs bei Toshiba Electronics Europe (TEE) in Düsseldorf.

(lei)

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Toshiba Electronics Europe GmbH

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