Die selbstoptimierende Produktion geht weit über die Möglichkeiten gesteuerter oder konventionell geregelter Systeme hinaus. Unter anderem forscht das Werkzeugmaschinenlabor (WZL) der RWTH Aachen an diesem Thema. Die Wissenschaftler sprechen von Selbstoptimierung, wenn durch das Zusammenwirken der einzelnen Elemente eines Systems immer wieder die Ist-Situation analysiert wird, eine Bestimmung von Systemzielen folgt und das Systemverhalten dementsprechend angepasst wird.

Selbstoptimierende Systeme müssen demnach zwei Eigenschaften besitzen. Zum einen müssen sie intrinsischen Verbesserungen unterliegen und zum anderen einen bestmöglichen Betriebspunkt anstreben. Intrinsische Verbesserungen sind Verbesserungen, die das System von sich aus ohne äußere Einflussnahme vornimmt. Diese Verbesserungen streben einen bestmöglichen Betriebspunkt an. Dieser kann je nach Zweck des Systems variieren.

Bei selbstoptimierenden Prozessen geht es nicht zwingend darum eine künstliche Intelligenz zu schaffen, sondern eher darum ein kognitives System zu bilden. Das kognitive System einer Anlage hat das Ziel, menschliche Fähigkeiten zur Steuerung und Projektierung von Produktionssystemen nachzubilden. Dabei geht es vor allem darum, die nicht wert-schöpfenden Tätigkeiten des Menschen, die er vor allem während der Projektierungs- und Inbetriebnahmephase ausübt, zu verringern und gleichzeitig den Prozess zu verbessern. Der Mensch kann den Produktionsprozess nur verbessern, indem er nicht-wertschöpfende Zeit und Aufwand investiert. Da ein kognitives System die Prozessverbesserung automatisch ausführt, entfällt der Planungsaufwand. Eben diesen Aufwand zu verringern ist vor allem für den Produktionsstandort Deutschland ein wichtiges Ziel. Die Stärke des deutschen Maschinenbaus liegt in der Produktion von auf den Kundenwunsch maßgeschneiderten Produkten in hoher Qualität. Diese beiden Ansprüche lassen sich nur halten und ausbauen, wenn der Maschinenbau die steigende Komplexität und Flexibilität besser handeln kann – eben auch durch die selbstoptimierende Produktion. Diesen Ansatz greift zum Beispiel der Exzellenzcluster ‚Integrative Produktionstechnik für Hochlohnländer‘ der RWTH Aachen auf, um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Produktionstechnik zu verbessern.

Einsatzgebiete auf allen Ebenen

Dabei ist klar, dass sich eine solche kognitive Steuerung nicht für alle Anwendungsfälle eignet. Bei einfachen Aufgaben, die wenig Flexibilität und Anpassung erfordern, wäre der Kosten- und Zeitaufwand für das Einrichten eines solchen Systems zu hoch. Bei komplexeren Aufgaben finden sich aber auf allen Ebenen der Automatisierungspyramide Einsatzgebiete. Ein mögliches Einsatzgebiet für eine kognitive Steuerung liegt in der Produktionssteuerung auf der Ebene der Manufacturing Executive Systeme. Kognitive Systeme bieten hier die Möglichkeit, aufgrund eines detaillierten Modells der Produktionsanlage Entscheidungen zu treffen. Sie planen je nach Situation das Ausführen auch paralleler Aufträge. Die Steuerung der Produktion geschieht nicht durch das Verteilen von Aufträgen an untergeordnete Steuerungen, sondern durch das Vermitteln von Systemzielen, die dem ausführenden System mehr Autonomie ermöglicht.

Auch für eine Ebene unter der Produktionssteuerung würden sich kognitive Steuerungen eignen. Hier verrichten zurzeit vor allem SPSen ihren Dienst. Kognitive Steuerungen benötigen hierfür Modelle der zu steuernden Komponenten, die auf der Zellenebene für den Menschen verständliche, diskrete logische Beziehungen enthalten. Aus den modellierten Fähigkeiten der Produktionsmittel und den Zielvorgaben der Produktionssteuerung können kognitive Zellensteuerungen das notwendige Verhalten der Zelle ermitteln und steuern. Das WZL und das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT entwickeln zu diesem Zweck zurzeit intelligente Steuerungen. Im Bereich der Produktionssteuerung liegt das größte Potenzial für kognitive Steuerungen aber auch seine größten Probleme. Ein Beispiel: Da die einzelnen Anlagenteile ständig wichtige und oft auch zeitkritische Informationen austauschen müssen, stoßen heutige Netzwerke dabei an ihre Grenzen.

Aber auch auf der untersten Ebene der Automatisierungspyramide können kognitive Systeme zum Einsatz kommen. Kognitive Steuerungen auf dieser Ebene haben, ebenso wie in den darüber liegenden Ebenen, Wissen über die Aufgabe der Steuerung. Für den Produktionsprozess bedeutet dies, dass die kognitive Steuerung mithilfe eines Modells des Produktionsprozesses, der die komplexen Zusammenhänge von Prozessparametern und dem erzeugten Produkt enthält, die Steuerung und Regelung durchführt.

Im Testbetrieb

Bisher existieren selbstoptimierende Systeme nur in der Forschung und noch nicht in der Praxis. Ein Beispiel für ein Forschungsprojekt ist das Railcab des Bereichs Neue Bahntechnik Paderborn an der Universität Paderborn. Das Railcab ist ein Bahnsystem, das aus mehreren Fahrzeugen besteht, die autonom und untereinander abgestimmt Personen oder Güter von A nach B bringen. Es gibt keinen Fahrplan mehr, sondern die Fahrzeuge reagieren auf Beförderungsanfragen. Die Basis dafür ist ein Multiagenten-System, in dem jedem relevanten Objekt des Transportnetzwerks ein intelligenter Agent zugeordnet wird. Diese Agenten verhandeln über das mögliche Erfüllen konkurrierender Transportanfragen und geben den Kunden mehrere alternative Angebote zur Auswahl. Auf einen Versuchsaufbau auf dem Geländer der Uni fahren die Fahrzeuge im Maßstab 1:2,5 auf einer 530 m langen Strecke Probe und testen, ob ihr selbstoptimierendes System den Bahnfahrer der Zukunft das Schimpfen über Verspätungen und Zugausfälle abgewöhnen kann.

Melanie Feldmann

: Redakteurin IEE

(mf)

Sie möchten gerne weiterlesen?