Wenn zwei HSR-Geräten miteinander kommunizieren, wird das Telegramm der sendenden Komponente gedoppelt und über zwei Wege im Ring zum Ziel gesendet.

Wenn zwei HSR-Geräten miteinander kommunizieren, wird das Telegramm der sendenden Komponente gedoppelt und über zwei Wege im Ring zum Ziel gesendet.Siemens

In einer ringförmigen Netzwerkstruktur muss im Fehlerfall eine Rekonfiguration des Netzwerks möglich sein, am besten ohne Rekonfigurationszeit. Das ist etwa bei Profibus-Ringstrukturen der Fall. Denn eine Unterbrechung der Kommunikation führt immer zum Verlust von Telegrammen und kann auch zum Abriss der Kommunikation zwischen einer Steuerung und den angeschlossenen Teilnehmern führen. Mit den Jahren kamen die herstellerspezifischen Ethernet-Systeme dem Ziel nach einem ringförmigen Netzwerk mit einem stoßfreien Redundanzverfahren zwar schon sehr nahe, jedoch haben sie dieses nie ganz erreicht. Das einzige System ist bis dato das im Profinet-Standard spezifizierte IRT-Verfahren (Isochrones Realtime-Ethernet) von Siemens. Hier ermöglichen spezielle Hardwareeigenschaften der Switche und eine speziellen Projektierung eine stoßfreie Redundanz in einem ringförmigen Netzwerk. Dieses Verfahren wird speziell im Bereich der Druckmaschinenautomatisierung eingesetzt, bei der Antriebe synchron angesteuert werden müssen und eine Rekonfigurationszeit im Netzwerk zu großen Problemen führen würde.

Stoßfreie Redundanzverfahren

Getrieben durch Anforderungen aus dem Bereich der Energietechnik und angelehnt an die Erfahrungen und Entwicklungen aus dem Umfeld des Profinet mit IRT, entstand in den letzten Jahren ein neuer internationaler Standard. Dieser definiert zwei neue Verfahren, mit denen eine stoßfreie Ethernet-Kommunikation auch bei Auftritt eines Netzwerkfehlers, ohne Verbindungsunterbrechung zwischen den Teilnehmern, möglich ist. Die IEC62439-3 beschreibt die beiden Redundanzverfahren: PRP (Parallel Redundancy Protocol) und HSR (High availability Seamless Redundancy Protocol).

Beim PRP-Verfahren werden die Ethernet-Telegramme der Teilnehmer immer gedoppelt und über zwei getrennte, parallele Netzwerkstrukturen übertragen. Kommt es zu einem Fehler in einem der beiden Netzwerke, so wird das zweite Telegramm über den parallelen Weg, ohne zeitlichen Verzug, zum Ziel transportiert. Da dieses Verfahren eine doppelte Netzwerkinfrastruktur voraussetzt, wird es meistens in großen Leitwarten von Prozessanlagen eingesetzt.

Das neue, standardisierte HSR-Verfahren ist eine Lösung für alle Applikationen, bei denen eine hohe Verfügbarkeit höchste Priorität hat.

Das neue, standardisierte HSR-Verfahren ist eine Lösung für alle Applikationen, bei denen eine hohe Verfügbarkeit höchste Priorität hat.Siemens

Das HSR-Verfahren basiert ebenfalls auf einer Verdoppelung der Telegramme. Doch werden hier keine zwei getrennten Netzwerke benötigt, stattdessen laufen beide Telegramme auf unterschiedlichen Wegen in einem ringförmigen Netzwerk. Dies hat den Vorteil, dass das Netzwerk kostengünstiger als die parallele Struktur des PRP-Systems aufgebaut werden kann.

Redundanz bei nur einem Ring

Um solch ein ringförmiges Netzwerk aufbauen zu können, werden Endgeräte oder Vorschaltgeräte benötigt, die mit der HSR-Funktion ausgestattet sind. Außerdem muss das Gerät über HSR-spezifische Filter- und Weiterleitungsfunktionen verfügen. Sollen nun zwei HSR-Geräten miteinander kommunizieren, wird das Telegramm der sendenden Komponente gedoppelt und über zwei Wege im Ring zum Ziel gesendet. Das sendende Gerät liefert dazu das Telegramm über beide HSR-Ports aus. Jeder HSR-Teilnehmer im Ring muss nun überprüfen, ob das Telegramm aus dem Ring für seine angeschlossenen Teilnehmer ­bestimmt ist. Telegramme für andere Teilnehmer werden entsprechend im Ring weitergegeben. Erkennt ein Teilnehmer, dass ein Telegramm für ihn bestimmt ist, nimmt er es vom Ring und leitet es an seine angeschlossenen Teilnehmer weiter. Zusätzlich wird das Telegramm in einem Telegrammpuffer abgespeichert. Kommt nun über den zweiten Weg das gleiche Telegramm beim Empfänger an, wird ebenfalls abgefragt, ob es für einen der angeschlossenen Teilnehmer gedacht ist. Wenn ja, überprüft das HSR-Gerät, ob das Telegramm bereits weitergeleitet wurde. Ist das der Fall, wird es vom Ring genommen und gelöscht. Durch diesen Mechanismus entstehen keine kreisenden Telegramme.

Sollte es nun im Netzwerk zu einer Leitungsunterbrechung oder zu einem Ausfall einer aktiven Netzwerkkomponente kommen, wird immer ein Weg für die beiden Telegramme unterbrechungsfrei zur Verfügung stehen. Durch das HSR-Verfahren ist nun sichergestellt, dass auch bei einem Netzwerkfehler eines der beiden Telegramme immer ohne Netzwerk-Rekonfiguration beim Empfänger ankommt.

Hochverfügbare Netzwerkstruktur: PRP und HSR kombiniert

Da der Standard auch eine Verbindung von PRP- und HSR-Netzwerkstrukturen beschreibt, ist es möglich, die beiden Verfahren gezielt in den unterschiedlichen Bereichen einer Automatisierungslandschaft einzusetzen. Das PRP-Verfahren wird bevorzugt im Bereich von Leitwarten eingesetzt, da hier ein Ausfall oder eine kurzzeitige Unterbrechung fatale Folgen hätte. Der Kostenaufwand für den Aufbau paralleler Netzwerkstrukturen wird hier eher toleriert. In vielen anderen Bereichen, wie der Prozessautomatisierung, beeinflussen Kostenaspekte die Entscheidungsfindung zu einer Technologielösung stärker. Durch die große Anzahl der unterschiedlichen Automatisierungsaufgaben ist es hier zwingend notwendig, eine kostengünstige Lösung zu finden, die alle Anforderungen erfüllt. Zum Aufbau entsprechender Netzwerkstrukturen und Übergänge bietet Siemens die Industrial-Ethernet-Netzwerkkomponente Scalance X204RNA, die sowohl als PRP- als auch als HSR-Variante verfügbar ist.

Michael Kasper

Produktmanager Industrial Networks and Components bei der Siemens AG in Nürnberg.

(mf)

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