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Vor zwei Jahren waren auf dem Kolloquium zwei Punkte besonders wichtig: der Kraftstoffverbrauch sollte weiter gesenkt werden und der Übergang zur Elektromobilität. „Das eine wie das andere geschieht seither, nur kurz gebremst durch die Wirtschafts- und Finanzkrise“, betonte Dr. Bohr. Der Unternehmensbereich Kraftfahrzeugtechnik wird in diesem Jahr erstmals die Schwelle von 30 Mrd. Euro Umsatz übertreffen, bei einem Mitarbeiterstand von 177.000 zum Jahresende. 26.000 Mitarbeiter davon sind in der mit 3,2 Mrd. Euro ausgestatteten Forschung und Entwicklung der Bosch-Kraftfahrzeugtechnik beschäftigt.

Dr.-Ing. Bernd Bohr, Geschäftsführer der Robert Bosch GmbH: „Auf dem Weg zur Elektromo-bilität hat der Plug-in-Hybrid mittelfristig gute Chancen.“

Dr.-Ing. Bernd Bohr, Geschäftsführer der Robert Bosch GmbH: „Auf dem Weg zur Elektromo-bilität hat der Plug-in-Hybrid mittelfristig gute Chancen.“

Bosch sieht klare Wachstumsfaktoren: Da ist zunächst die Vision vom unfallfreien Autofahren. Dazu gehört es, das Antiblockiersystem in Schwellenländern erschwinglich machen. Und in diesem Jahr laufen die gesetzlichen Einbauvorgaben für das ESP in Europa, USA und Australien an. Auch wo es um das Umwelt- und Ressourcen-schonende Autofahren geht, ist Bosch aktiv. Neben den Start/Stopp-Systemen, die den Kraftstoffverbrauch um etwa 4 % reduzieren, arbeitet Bosch an einer Start/Stopp-Automatik, die den Motor für das so genannte Segeln vorübergehend abschaltet, etwa beim Ausrollen vor einem Ortschild. Damit wird eine nochmalige Verbrauchsersparnis um 5 % möglich.

Elektromobilität
Auf dem Weg zur Elektromobilität hat, laut Dr. Bohr, mittelfristig der Plug-in-Hybrid gute Chancen: ein relativ kleiner und kostengünstiger Akku für Stadtfahrten, an der Steckdose aufladbar, kombiniert mit einem Benzin- oder Dieselmotor für lange Strecken. Bosch setzt dabei auf das Know-how: Erstens wird Leistungselek-tronik selbst gefertigt, zweitens produziert Bosch Elektromotoren im Werk Hildesheim und drittens ist Ende 2010 im koreanischen Ulsan die Produktion von Lithium-Ionen-Batterien bei dem Gemeinschaftsunternehmen SB LiMotive angelaufen (Bild 1). 

Bild 1: Lithium-Ionen-Batteriesysteme von SB LiMotive. Die einzelnen Lithium-Ionen-Zellen werden zu Modulen gebündelt und gemeinsam mit einem Batterie-Management-System, Thermomanagement- und Elektronikkomponenten zu einem Batteriesystem zusammengefasst.

Bild 1: Lithium-Ionen-Batteriesysteme von SB LiMotive. Die einzelnen Lithium-Ionen-Zellen werden zu Modulen gebündelt und gemeinsam mit einem Batterie-Management-System, Thermomanagement- und Elektronikkomponenten zu einem Batteriesystem zusammengefasst.

Schon bis 2013 wird Bosch nahezu 20 Projekte zur Elektromobilität bei zwölf Automobilherstellern in Serie beliefern.

 

Infotainment und autonomes Fahren
Verstärkt kommt das Internet ins Auto. Umgekehrt stellt sich die Frage, wie das Auto ins Internet geht. Die neuen Funktionen der Konsumelektronik müssen so ins Fahrzeug eingefügt werden, dass sie für den Fahrer einfach bedienbar sind. Dazu entwickelt Bosch Head-up-Displays ebenso wie frei programmierbare Kombiinstrumente. Entscheidend ist die Auslegung der zentralen Bedieneinheit. Deren Architektur muss offen sein für die Steuerung internetbasierter Funktionen und Geräte, deren Innovationszyklen deutlich kürzer sind als die Lebenszeit eines Autos. Neuartige Bedienkonzepte sind erforderlich wie etwa die akustische Ein- und Ausgabe von E-Mails (Bild 2).

Bild 2: Bosch entwickelt Sprachbedientechniken, die es dem Fahrer ermöglichen werden, das Infotainment-System im Fahrzeug freisprachlich – also mit individuellem Wortschatz – und ohne eine spezielle Abfolge von Kommandowörtern zu bedienen.

Bild 2: Bosch entwickelt Sprachbedientechniken, die es dem Fahrer ermöglichen werden, das Infotainment-System im Fahrzeug freisprachlich – also mit individuellem Wortschatz – und ohne eine spezielle Abfolge von Kommandowörtern zu bedienen.

Entlastet wird der Fahrer zugleich durch einen zweiten Trend: die Weiterentwicklung der Assistenzsysteme. Er soll in den kommenden beiden Jahrzehnten zum autonomen Fahren führen. So will Bosch in diesem Jahr den Absatz von Radarsensoren vervierfachen. Das autonome Fahren wird sich zunächst in überschaubaren Situationen durchsetzen – nicht nur mit einem von unsichtbarer Hand gesteuerten Einparken, sondern auch mit der automatischen Längs- und Querführung des Fahrzeugs bei Stop-and-go oder zähflüssigem Verkehr.

Sicherheitssysteme
Für den dichten Verkehr in Innenstädten erweitert Bosch den Funktionsumfang des Notbremssystems. Es unterstützt den Fahrer auch bei Geschwindigkeiten unterhalb 30 km/h. Zur Umfelderfassung dient ein einzelner Radarsensor, die Notbremsung steuert das ESP. Erkennt die Funktion eine kritische Annäherung an ein vorausfahrendes oder stehendes Fahrzeug, löst die Funktion eine Vollbremsung aus mit dem Ziel, den Unfall zu verhindern.

Das Abkommen von der Fahrspur ist ein weiteres häufiges Unfallbild. Funktionen, die mit einer Kamera die Fahrbahnmarkierungen erfassen, können hier in Verbindung mit anderen Systemen zielgerichtet unterstützen. Die Spurverlassenswarnung reagiert, sobald das Fahrzeug der Seitenlinie zu nahe kommt. Die Warnung kann dabei haptisch, optisch oder akustisch erfolgen. Der Spurhalteassistent geht einen Schritt weiter. Er warnt nicht, sondern hält aktiv die Spur, indem er beispielsweise über die Lenkung oder über einen einseitigen, leichten Bremseneingriff die Fahrtrichtung korrigiert. Kündigt der Fahrer eine Richtungsänderung per Blinker an, greifen beide Funktionen selbstverständlich nicht ein.

Warum kommen Fahrzeuge von der Spur ab? Eine raffinierte Bosch-Lösung ist die Müdigkeitserkennung (Bild 3).

Bild 3: Müdigkeitserkennung – Kampf dem Sekundenschlaf.

Bild 3: Müdigkeitserkennung – Kampf dem Sekundenschlaf.

Sie beobachtet fortwährend die Signale des Lenkwinkelsensors. Der Sekundenschlaf kündigt sich meist durch ein typisches Lenkverhalten an. Wird es erkannt, kann der Fahrer gewarnt und zu einer Pause aufgefordert werden. Als reine Software-Lösung lässt sich diese Funktion kostengünstig ins Fahrzeug integrieren.

Radar- und Videosensoren
Radarsensoren sehen besonders weit und ermöglichen eine exakte Messung von Abstand und Geschwindigkeit. Der LRR3 ist mit einer Reichweite von bis zu 250 m und einem Öffnungswinkel von bis zu 30° der optimale Sensor für leistungsfähige ACC-Systeme und vorausschauende Notbremssysteme. Ende 2012 wird Bosch das Angebot um einen Mid-Range-Radarsensor (MRR) erweitern (Bild 4).

Bild 4: 77 GHz Radar-Sensoren zur Umfeldüberwachung. Links der ab Ende 2012 erhältliche Mid-Range-Radarsensor.

Bild 4: 77 GHz Radar-Sensoren zur Umfeldüberwachung. Links der ab Ende 2012 erhältliche Mid-Range-Radarsensor.

 

Bild 4: 77 GHz Radar-Sensoren zur Umfeldüberwachung. Links der ab Ende 2012 erhältliche Mid-Range-Radarsensor.

Bild 4: 77 GHz Radar-Sensoren zur Umfeldüberwachung. Links der ab Ende 2012 erhältliche Mid-Range-Radarsensor.

Er hat eine Reichweite von maximal 160 m und einen Öffnungswinkel von bis zu 45°. Eine Heckvariante des MRR ermöglicht Funktionen, die vor gefährlichen Situationen beim Spurwechsel oder vor querenden Fahrzeugen beim Ausparken warnen. Der MRR arbeitet wie die Long-Range-Variante im 77-GHz-Frequenzband.

Videosensoren sind eine ideale Ergänzung zur Radartechnik. Es lassen sich leistungsfähige Software-Algorithmen entwickeln, mit deren Hilfe ein sehr detailliertes „Bild“, das heißt eine Interpretation der Situation vor dem Fahrzeug, entsteht – für Bosch ein Muss für eine automatische Vollbremsung bei Geschwindigkeiten über 30 km/h.

Display- und HMI-Lösungen
Neue Display- und Anzeigetechniken ermöglichen die Entwicklung von Instrumenten vollständig ohne mechanische Zeiger und bieten somit vielfältige Anzeigemöglichkeiten zur Darstellung fahrrelevanter Informationen – beispielsweise auf Basis von Grafiken oder bewegten Bildern einer Videokamera. Bosch arbeitet auch an der Entwicklung von 3D-Displays und 3D-HMI-Lösungen, die das Fahrerlebnis durch eine moderne Darstellung auf Basis räumlicher Effekte deutlich aufwerten. Head-up-Displays ermöglichen dabei die Projektion von wichtigen Informationen auf die Frontschreibe und werden auch mit einem neuen Visualisierungsverfahren auf Basis der „Augmented Reality Technology“ kombiniert. Damit können Informationen zur richtigen Zeit, an der richtigen Stelle und in geeigneter Art und Weise ausgeben werden.

Miniaturisierung
Bosch stellt seit vielen Jahren Halbleiter und Sensoren für Automobilelektronik selbst her. Bisher konzentrierte man sich darauf, die Steuer- und Regelsysteme im Automobil mit immer mehr Intelligenz auszustatten. Entwickler haben nun die Aufgabe, hohe elektrische Leistungen bis zu hunderten von Kilowatt zwischen Energiequellen und Verbrauchern elektronisch zu steuern. So gelang es, den Inverter besonders kompakt aufzubauen und seine elektrischen und thermischen Eigenschaften durch geeignete Konstruktion gut auszu-legen. Zur Steuerung/Regelung der elektrischen Energie im Inverter dienen integrierte Leistungsmodule in Mold-Technologie (Bild 5).

Bild 5: Ein Moldmodul für die automobile Leistungselektronik.

Bild 5: Ein Moldmodul für die automobile Leistungselektronik. Alle Bilder: Bosch

Gegenüber bisherigen Lösungen erreicht Bosch damit deutliche Vorteile bei Stromdichte, Wirkungsgrad und Zuverlässigkeit.  

Hans Jaschinski

: stellv. Chefredakteur elektronik industrie

(jj)

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