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Mit Naturwissenschaften ins Weltall? Entwicklungsingenieurin Dr. Lisa Marie Haas will Deutschlands erste Astronautin werden. (Bild: Juliana Socher)

In der Raumfahrt kommen zwar an vielen Stellen Sensoren zum Einsatz; trotzdem ist der Weg von der Ingenieurin zur Astronautin nicht der direkteste. Wie kam es zu ihrer Bewerbung?

Dr. Lisa Marie Haas: Für mich war es ein Kindheitstraum, einmal ins Weltall zu fliegen. Wir wissen noch so wenig über den Bereich jenseits unserer Erde, darüber, was da draußen passiert. Ich glaube, langfristig wird sich die Menschheit von der Erde wegbewegen, doch bevor das möglich wird, müssen wir noch vieles verstehen und lernen. Mich fasziniert der Gedanke, quasi an vorderster Front Wissenschaft zu betreiben. Das war der Hintergrund meiner Bewerbung.

Was macht für Sie die Faszination der Naturwissenschaften aus?

Dr. Lisa Marie Haas: Der zentrale Punkt ist für mich die Neugier. Ich habe mich für dieses Feld entschieden, weil ich besser verstehen will, warum unsere Erde und unser Weltall sind, wie sie sind. Dass ich in diese Richtung gehen will, habe ich früh gemerkt. Ich habe zum Beispiel mit einem Projekt zur Wärmeaufnahme verschiedener Salzkonzentrationen bei „Jugend forscht“ mitgemacht. Später habe ich Physik studiert und zur Quantenchromodynamik promoviert. Dabei habe ich untersucht, wie Quarks und Gluonen einander im Hinblick auf verschiedene Energieskalen beeinflussen. Nach der Promotion habe ich mich für die Industrie entschieden. Ich arbeite allerdings in der Entwicklung, die noch sehr nah am wissenschaftlichen Arbeiten ist, nur eben zielorientierter.

Inwiefern qualifiziert Sie Ihr naturwissenschaftlicher Hintergrund für einen Flug ins Weltall?

Dr. Lisa Marie Haas: Ziel der privaten Initiative hinter dem Wettbewerb ist ja, im Weltall Experimente durchzuführen. Da bringt mir das wissenschaftliche Arbeiten durchaus Vorteile. Dadurch, dass ich an so einer breiten Themenspanne gearbeitet habe, fällt es mir leicht, mich in neue Themen einzuarbeiten. Die Tests, die wir im Auswahlverfahren bisher durchlaufen haben, stammten vom DLR (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Anmerkung der Redaktion) und waren sehr anspruchsvoll. In den kognitiven Pilotentests hat mir mein physikalisches Verständnis schon geholfen. In den psychologischen und medizinischen Tests spielte das weniger eine Rolle.

Was würden Sie an Bord der Raumstation erforschen, wenn Sie komplett freie Hand hätten?

Dr. Lisa Marie Haas: Der Wärmehaushalt des weiblichen Körpers ist noch relativ unverstanden, da würde ich gerne die Forschung etwas vorantreiben. Außerdem fände ich es spannend, zu sehen, wie die Sensoren, die ich bei Bosch entwickle, im All funktionieren. Wie gut sie arbeiten, wie sich ihre Funktionsweise im All von der auf der Erde unterscheidet. Bei Beschleunigungssensoren würde ich gern die Impulsübertragung auf die ISS messen. Wenn Astronauten trainieren, entsteht schließlich immer ein Impuls auf die Raumstation, der andere Experimente beeinflusst. Ich kann mir aber auch vorstellen, Physik live von der ISS zu unterrichten, damit viele Schüler zu erreichen, vielleicht auch für MINT-Fächer.

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Die Initiative hat sich auf die Fahnen geschrieben, speziell Mädchen für naturwissenschaftliche Fächer zu begeistern …

Dr. Lisa Marie Haas: Ich möchte Schüler im Allgemeinen, aber auch speziell Mädchen ansprechen. Die Vorbildfunktion ist unheimlich wichtig. Frauen trauen sich mehr, wenn man ihnen zeigen kann: „Hey, der Weg sieht so und so aus. Man kann es schaffen.“ In der Physik merkt man das stark. In Bereichen, in denen es Professorinnen oder andere Wissenschaftlerinnen gibt, wie zum Beispiel in der Astrophysik oder in der medizinischen Physik, kommt auch weiblicher Nachwuchs. In der Theorie ist das weniger der Fall. Wenn Mädchen und Frauen die erste deutsche Astronautin im All verfolgen und sich dann für ein MINT-Fach entscheiden, würde mich das unheimlich freuen.

Haben Sie eigene Vorbilder?

Dr. Lisa Marie Haas: In der Physik sind das zum Beispiel Marie Curie oder Emmy Noether, die Mutter der Algebra. Aktuell zählen dazu auch die Astronautinnen, die gerade auf der ISS sind, zum Beispiel die europäische Astronautin an Bord, Samantha Cristoforetti. In meiner Vergangenheit haben mich die weiblichen Charaktere aus „Star Trek“ beeinflusst. Das waren starke Frauen, die mutig waren, die Entscheidungen getroffen haben, die Wissenschaftlerinnern waren. Sie haben alles vereint, was eine richtige Vorbildfunktion ausmacht.

Die erste Frau im All, Valentina Tereshkova, hatte wenig Glück: Ihr Flug war derart überschattet von Pannen, dass er ihre Vorgesetzten in dem Vorurteil bekräftigte, dass „Frauen und Weltall nicht zusammenpassen“. Glauben Sie, dass vergleichbare Vorteile heute noch eine Rolle spielen?

Dr. Lisa Marie Haas: Bis zu einem gewissen Grad wird es diese Vorurteile gegenüber Frauen noch geben, allerdings sind seit dem Flug von Valentina Tereschkova  schon einige Frauen im All gewesen und ich denke, dass die anfänglichen Vorurteile sich inzwischen durch die Flüge der europäischen, amerikanischen und russischen Astronautinnen abgebaut haben. Die Astronautinnen haben einfach gezeigt, dass sie genauso gut sind wie ihre männlichen Kollegen.

Therese Meitinger

Redakteurin bei all-electronics.de

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