Bosch Rexroth hat als Anregung für Maschinenbauer und Systemintegratoren Ideen zur Nutzung von Smart Devices in verschiedene Beispiel-Apps gegossen.

Bosch Rexroth hat als Anregung für Maschinenbauer und Systemintegratoren Ideen zur Nutzung von Smart Devices in verschiedene Beispiel-Apps gegossen.Redaktion IEE

Nachträglich meinen Glückwunsch zum Hermes Award. Aber hinter vorgehaltener Hand ist zu hören, dass Open Core Engineering nichts wirklich Neues sei. Wie war denn nun die Entstehungsgeschichte?

Wintjes: Open Core Engineering ist aus unseren Überlegungen heraus entstanden, wie wir Consumer-Produkte, zum Beispiel Tablet oder Smartphone, für die Automatisierungswelt nutzbar machen können. Bei der Diskussion unserer Konzepte mit der Entwicklung zeigte sich: Wir haben eine Schnittstelle, die von unseren Ingenieuren für unsere Steuerungen bereits vor einiger Zeit entwickelt wurde und die diese Aufgabe erfüllen könnte. Vor diesem Hintergrund wurde das ganze Potenzial der Schnittstelle deutlich. Im Zuge der internen Verwendung in unserer Entwicklung wurde die Schnittstelle, das Open Core Interface, zudem bereits zur Marktreife gebracht. In Summe führte dies zu einem neuen Ansatz, dem Open Core Engineering. Es ist die Engineering-Plattform für unsere Steuerungen, die auf offenen Standards basiert und neben dieser neuen Schnittstellentechnologie aus weiteren Software-Tools und Funktionspaketen besteht.

Smart Devices für die Maschinenbedienung: Über Open Core Interface lassen sich die Sensoren eines Smartphones oder Tablets nutzen, um die ­Bedienung freizugeben und einzelne Achsen zu verfahren.

Smart Devices für die Maschinenbedienung: Über Open Core Interface lassen sich die Sensoren eines Smartphones oder Tablets nutzen, um die ­Bedienung freizugeben und einzelne Achsen zu verfahren.Redaktion IEE

Schnittstellen setzen in der Regel auf Standards auf. Welche nutzen Sie konkret bei Open Core Engineering?

Schlotz: Mit Open Core Engineering unterstützen wir Themen wie die Hochsprachen-Programmierung, also Visual Basic und Visual Studio, aber auch die Anbindung wissenschaftlicher Entwicklungs-Plattformen wie Matlab und Labview. Hinsichtlich Smart Devices kommen dann Betriebssysteme und Entwicklungsumgebungen für iOS und Android hinzu. Neben dem Open Core Interface stehen Anwendern auch die klassischen Kommunikationsprotokolle und -schnittstellen zur Verfügung: Sercos, Profibus, Profinet, Ethernet IP oder auch OPC UA. Das alles lässt sich mit Open Core Engineering nutzen und kombinieren.

Die Integration von Hochsprachen und wissenschaftlichen Entwicklungs-Tools propagiert Ihr Wettbewerb schon länger. Wo ist das Innovative am Open Core Engineering?

Schlotz: Im Vergleich zum Wettbewerb unterstützen wir mehr Hochsprachen: von C/C++, C#, (.NET), Visual Basic, VBA (Office), Labview G, Objective-C und Java bis hin zu allen Programmieranwendungen, die die Einbindung von Microsoft-COM-Bibliotheken unterstützen. Darüber hinaus bieten wir die Möglichkeit, über ein Software-Entwicklungskit Smart Devices anzubinden. Die Bibliotheken können in verschiedene Entwicklungsumgebungen integriert werden – für Android zum Beispiel in Eclipse und für iOS in xCode. Über dieses Entwicklungskit haben Maschinenbauer mit Hochsprachen-basierten Anwendungen flexiblen Zugriff auf unsere Motion-Logic-Systeme. Echtzeit-Applikationen, die auf C/C++ basieren und mit der Engineering Suite Windriver Workbench erstellt wurden, sind auf dem Echtzeitbetriebssystem unserer Steuerung lauffähig. Beides kann in dieser Form derzeit keiner unserer Wettbewerber.

Wie realisieren Sie diesen Zugang auf den Steuerungskern?

Schlotz: Das Open Core Interface stellt zahlreiche Funktionsbibliotheken zur Verfügung, angepasst auf unterschiedliche Entwicklungsumgebungen. Damit haben Anwender einen direkten Funktionszugriff bis auf den Steuerungskern. Sie haben die Möglichkeit, Programme zu schreiben, die entweder auf externen Geräten in Nicht-Echtzeit oder direkt auf unseren Steuerungen als Echtzeit-Applikationen laufen.

Praktisch also eine Brücke zwischen klassischer IEC-Programmier-Welt und Hochsprachenprogrammierung.

Schlotz: Wir haben nicht nur die Brücke geschlagen. Beide Programmierwelten sind gleichberechtigt und können vom Anwender parallel genutzt werden: Wer sich in C/C++ zu Hause fühlt, nutzt eben diese Sprache, um komplexe Technologiefunktionen zu erstellen und zu kapseln. Die reine Logikverknüpfung dagegen kann mit einer der IEC-61131-Sprachen erfolgen.

Lucas Wintjes: „Mit Open Core Engineering verbinden wir die bislang getrennten Welten der klassischen Automatisierung und der IT.“

Lucas Wintjes: „Mit Open Core Engineering verbinden wir die bislang getrennten Welten der klassischen Automatisierung und der IT.“Redaktion IEE

Wintjes: Ein wichtiger Aspekt von Open Core Engineering betrifft den Know-how-Schutz. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen Maschinenbauer kontinuierlich innovativ sein. Neue Ideen müssen nicht nur schnell umzusetzen sein; auch das Know-how gilt es zu schützen. Mit Open Core Engineering helfen wir, beides zu realisieren: Auf der einen Seite offene Standards, die bekannt und damit schneller zu implementieren sind, für eine kurze Time-to-Market nutzen. Auf der anderen Seite das eigene Spezialwissen, die Kernkompetenz, effizient integrieren und abschirmen. Möglich wird dies, da Maschinenbauer Zugriff bis auf den Steuerungskern haben und auf diese Weise eigene Software-Funktionen selbst und damit schneller umsetzen können.

Welche Steuerungsplattformen unterstützen Sie?

Schlotz: Open Core Engineering unterstützt die klassische SPS-Baureihe Indralogic XLC mit einfachen Motion-Funktionen sowie das Motion Logic-System Indramotion MLC, das es auch als Hydraulik-Derivat gibt. Damit steht das Open Core Interface auch für hydraulische Anwendungen zur Verfügung.

Sie betonen die Integration von Smart Devices in Automatisierungsstrukturen. Denkt der Maschinenbau schon in Richtung Bedienen und Beobachten per Tablet oder überwiegen noch Use-Cases wie Management- oder Produktionsinformation?

Wintjes: Ein Tablet für die Maschinenbedienung zu nutzen ist über Open Core Engineering natürlich möglich – und das zeigen wir bereits. Dies ist aber nur ein kleiner Ausschnitt der Möglichkeiten. Unsere Lösung macht beide Welten – klassische Automatisierung und IT – kombinierbar.

Wie sehen Ihre Überlegungen aus, Kunden auch mit Apps zu unterstützen?

Wintjes: Ziel ist selbstverständlich, dass unsere Kunden ihre eigenen Apps entwickeln können und darüber auf unsere Steuerungen zugreifen. Das entspricht unserer Vorstellung von Offenheit und Freiheit. Der Maschinenbauer kann seine Kreativität und eigenen Ideen schneller und leichter einbringen.

Volker Schlotz: „Wir haben die Tools der Automatisierer und der klassischen Software-Entwickler integriert wie keiner unserer Wettbewerber.“

Volker Schlotz: „Wir haben die Tools der Automatisierer und der klassischen Software-Entwickler integriert wie keiner unserer Wettbewerber.“Redaktion IEE

Schlotz: Als Anregung für Maschinenbauer haben wir einige Demo-Apps entwickelt, zum Beispiel für die Diagnose. Anhand dieser kommt der Maschinenbetreiber zügig an die Daten aus der Steuerung und den Antrieben, die er für einen Service-Einsatz benötigt, wie etwa Steuerungstyp mit Firmware-Version. Zudem haben wir eine komplette Bedienoberfläche als Designstudie konzipiert, die das Potenzial von Tablets demonstriert.

Gibt es konkrete Anfragen?

Schlotz: Ein Systemintegrator hat es genauso gemacht, wie wir es uns vorstellen. Er hat unsere Beispiel-Apps analysiert und dann die für ihn relevanten Funktionen übernommen, mit eigenen Ideen ergänzt und in eine App für iOS gegossen. In einer Demo-Maschine lässt sich darüber nun ein Handlingsystem mittels iPad bedienen.

Für welche Plattformen sind diese Apps verfügbar?

Schlotz: Wir sind aus verschiedenen Gründen mit Android gestartet. Zum einen ist die Entwicklungsumgebung offen. Auch ist Android als Linux-basierendes System nicht so restriktiv wie Apple iOS. Zum anderen kann man bei Android Apps installieren, ohne zwingend über den Google-Playstore zu gehen. Smartphone oder Tablet lassen sich zur Übertragung der entsprechenden Installationsdatei direkt ans Notebook anschließen. Bei Apple ginge das nur über den Store. Und wenn es industrielle Bediengeräte geben wird, dann werden diese aufgrund der Offenheit eher Android-basiert sein.

Haben Sie auch Windows 8 unter Beobachtung?

Schlotz: Das haben wir. Windows 8 könnte eine Brücke sein, um gewisse Barrieren zwischen der klassischen Windows-basierenden Bedienwelt und der eines Smart Device zu überwinden. Wir haben aber auch Erfahrungen mit Apple gesammelt, um Unterstützung geben zu können, falls ein Kunde Apps für iOS realisieren will.

Lässt sich in Verbindung mit einem Webserver und HTML5 damit nicht die Problematik der verschiedenen Betriebssysteme umgehen?

Schlotz: Das ist richtig: Mit HTML5 haben Anwender auf alle Endgeräte Zugriff und können unterschied­liche Betriebssysteme nutzen. Nachteil ist jedoch, dass eine entsprechende App nicht spezifisch für das jeweilige Betriebssystem des Endgeräts entwickelt wurde und somit Betriebssystem-spezifische Funktionen nicht genutzt werden können.

Stefan Kuppinger

ist Chefredakteur der IEE.

(sk)

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