Unter dem mehrdeutigen Begriff Mikroaktorik versteht man einerseits Antriebe und Antriebsvorrich­tungen, welche exakte Positionierungen im Mikrometerbereich erlauben. Hierzu gibt es seit vielen Jahren bewährte Lösungen, die dennoch stets weiter verbessert werden. Dazu zählen Piezoantriebe, Hexapoden und auch Schrittmotorantriebe mit ihrem bewährten Mikroschrittbetrieb.

Andererseits bezeichnet man mit dem Begriff auch sehr kleine Aktoren, welche Komponenten und Bauteile enthalten, deren Abmessungen einige 100 Mikrometer betragen. Letztere wiederum lassen sich von der Technologie her nochmals differenzieren: Man unterscheidet Mikroaktoren, die mikromechanisch herstellbar sind, und solche die in lithografischen Maskenverfahren (ähnlich wie bei Halbleitern) hergestellt werden. Dabei werden die einzelnen Komponenten aus einer Grundstruktur herausgeätzt.

Fertigungsprobleme weitgehend gelöst

Beide Arten von Mikroantrieben mit kleinen mechanischen Abmessungen lassen sich heute stabil reproduzierbar herstellen. Die intensive Forschung auf diesen Gebieten während der letzten 15 Jahre, insbesondere auch in dazu speziell eingerichteten Sonderforschungsbereichen, hat einen immensen Technologieschub bewirkt. Machbar ist damit heute beeindruckend viel.

Machbarkeit und Einsatz in der industriellen Praxis sind aber unterschiedliche Dinge. Ein Antrieb dient seinem ureigensten Zwecke nach dazu, eine Last entlang einer bestimmten Bahn zu bewegen. Antriebe mit den Abmessungen von etwa 1 mm und weniger erzeugen naturgemäß nur äußerst geringe Drehmomente und Kräfte. Die damit erzeugbaren Kräfte und Drehmomente sind oftmals so gering, dass es bereits ein Problem darstellt die eigenen inneren Reibkräfte und Reibmomente zu überwinden.

Bei mikromechanisch hergestellten Antrieben im Durchmesserbereich 2 bis 5 mm werden dagegen bereits ausreichend hohe Kräfte und Drehmomente erzielt, mit denen sich reale Antriebsaufgaben bewältigen lassen. Bei diesen Antrieben entstehen jetzt allmählich mehr und mehr Anwendungsmöglichkeiten. Einsatzbereiche, die bereits in der industriellen Umsetzung sind, finden sich momentan vorrangig bei Medizingeräten: Dies sind Geräte für die minimalinvasive Chirurgie und Diagnosewerkzeuge die im menschlichen Körper eingesetzt werden, wie beispielsweise Herzkatheter oder Röntgenkapseln.

Rahmenbedingungen behindern Marktnachfrage

Wichtig für die Weiterentwicklung und weitere Verbreitung von Mikroantrieben ist ein vorhandener Anwendungsbedarf. Ohne eine solche Nachfrage werden diese Antriebe nicht gezielt weiterentwickelt und werden auch keine weite Verbreitung finden. Es sind Anwendungen nötig, die einen mechanisch sehr kleinen Antrieb brauchen, die ohne einen solchen Antrieb also nicht zu realisieren sind. Nur über den Technology-Pull, also die Nachfrage des Marktes, werden Mikroantriebe in industrielle Anwendungen gelangen. Wie erwähnt wird die Technologie bereits lange beherrscht, aber über den Technology-Push, sprich das Hineindrücken einer vorhandenen und beherrschten Technologie in einen Markt, wird das nicht funktionieren.

Die Verbreitung von Mikroantrieben wird sich auch wegen der Rahmenbedingungen für diese Antriebe nur verzögert weiterentwickeln: Die Kunden müssen erst lernen mit diesen Antrieben umzugehen. Um Mikroantriebe verarbeiten zu können, ist ein anderes Umfeld notwendig als bei Antrieben mit konventionell bekannten Abmessungen. Beginnend bei einer anderen Messtechnik erfordert der Umgang mit Mikroaktoren viel höhere Reinheitsanforderungen an die Umgebung, also zum Beispiel Flow-Boxen oder gar einen Reinraum. Eine höhere Qualifikation von Mitarbeitern und besonderer Umgang in einer Wareneingangsprüfung ist ebenfalls notwendig. Diese Punkte deuten schon an, welcher Aufwand und welche Veränderungen notwendig sind, um mit Mikroantrieben zu arbeiten.

Aus meiner Sicht werden Kleinstantriebe im Durchmesserbereich 2 bis 5 mm in den nächsten fünf Jahren in vielen Anwendungen eingesetzt werden, den Einsatz noch kleinerer Antriebe im industriellen Bereich sehe ich derzeit nicht. Somit wird sich der Markt für Mikroaktoren insgesamt verzögert entwickeln. Das vor vielen Jahren prognostizierte hohe Umsatzpotenzial kann damit aber durchaus erreicht werden. Die Verbreitung von Mikroaktoren ist interessanterweise keine Frage der Technologie – man kann heute bereits mehr als man braucht – es ist in der Tat eine Frage der Einsetzbarkeit.

Dr. Thomas Bertolini

ist Geschäftsführer der Dr. Fritz Faulhaber GmbH.

(lei)

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