Wer eine Multitouch-Bedienung einsetzen will, muss sich zuvor die Einsatzszenarien genau ­anschauen und das System ­entsprechend auslegen.

Wer eine Multitouch-Bedienung einsetzen will, muss sich zuvor die Einsatzszenarien genau ­anschauen und das System ­entsprechend auslegen.MSC

Eine leichtgängige Bedienung, in­tuitive Verwendung von Gesten und flüssige Bewegung der Bild­inhalte – auf diesen vom Smartphone gewohn­ten Komfort wollen immer weniger Anwender auch bei industriellen ­Anzeigesystemen nicht mehr verzichten. Voraussetzung dafür ist die Kombination eines kontrastreichen Displays mit einer kapazitiven Touch-Technologie, heute fast ausschließlich mit projiziert kapazitiver Touch-Technik.

Die PCT-Technologie ist jedoch nicht ­immer die beste Wahl. Es gibt durchaus Anwendungen, wo eine infrarote, akustische (Schall), kamerabasierte oder die klassische resistive Lösung vorzuziehen wäre. Für viele Bedienkonzepte reicht der bewährte und kosteneffektive resistive Touch auch vollkommen aus, der weitaus unkomplizierter zu integrieren ist als ein PCT. In unzähligen Applikationen arbeitet er zuverlässig, sowohl mit dicken Stoff-Handschuhen als auch mit ungeschützten Fingern. Das generelle Pro­blem: Eine geschmeidige Zwei- oder gar Mehrfingerbedienung lässt sich mit herkömmlichen resistiven Touch-Technologien nicht umsetzen.

Bei einer oberflächen-kapazitiven Touch-Technologie (Surface Capacitive Touch Technology – nicht zu verwechseln mit PCT – wird die kapazitive Änderung der elektrisch geladenen Oberfläche (Display-Fläche) bei einer Berührung durch einen leitenden Gegenstand (Finger, Stift) detektiert. Diese Lösung eignet sich für größere Diagonalen, erlaubt jedoch ebenfalls keine Multitouch-Bedienung. Darüber hinaus bekommen diese Touch-Systeme Probleme, wenn im Umfeld starke elektromagnetische Felder auftreten.

PCT-Sensoren erlau­ben die Bedienung des Bildschirms auch durch Glas- und Kunststoffoberflächen – die korrekte Anpassung an die Einsatzbedingungen vorausgesetzt.

PCT-Sensoren erlau­ben die Bedienung des Bildschirms auch durch Glas- und Kunststoffoberflächen – die korrekte Anpassung an die Einsatzbedingungen vorausgesetzt.MSC

Tablet-Feeling per Kondensator-Matrix

Der projiziert kapazitive Touch basiert auf die Beeinflussung des elektrischen Feldes eines Kondensators durch einen Finger oder einen geeigneten Stift. Über das feinmaschige Raster einer Kondensator-Matrix können gleichzeitig mehrere Berührungspunkte und deren Positionen erkannt werden. Heutige Multitouch-Systeme erkennen mindestens fünf bis über zehn Touch-Punkte. Über den Touch-Controller und die verbreiteten Betriebssysteme stehen dann verschiedene Bedienfunktionen und Gesten zur Verfügung. Ebenso werden typische Fehlfunktionen, etwa durch einen aufliegenden Handballen, ablaufendes oder stehendes Wasser, erkannt und ausgeblendet. Die PCT-Technologie ist kontaktlos, robust und wartungsarm. Das Gerätedesign lässt sich optisch ansprechend ausführen.

Bei der Integration eines PCTs sind eine Reihe mechanischer und elektrischer Limitierungen zu berücksichtigen.

Bei der Integration eines PCTs sind eine Reihe mechanischer und elektrischer Limitierungen zu berücksichtigen.MSC

PCT ‒ die Einschränkungen

Bei der Bedienung des PCTs gibt es ­jedoch eine Reihe von Einschränkungen, unter anderem bei wechselnden Handschuhdicken. Dies gilt als das größte Manko. Ticket­automaten in Skigebieten sind ein typisches Beispiel. Deren Touch-Bedienfeld muss ebenso mit sehr dicken Winterhandschuhen, dünnen Wollhandschuhen oder nur mit Fingern zuverlässig funktionieren. Schwierigkeiten bereitet weniger die Materialdurchdringung, als die Erkennung der Position, ab der ein Anwender zuverlässig den Kontakt mit der Bedien­front fühlt. Flüssigkeiten oder Gels auf der Bedienfront, etwa salzhaltige Flüssigkeiten, können ebenfalls eine Ursache für Störungen bei der Bedienung sein.

Bei der Integration eines PCTs sollten ­bereits von Anfang an auch die mechanischen und elektrischen Limitierungen ­dieser Technologie berücksichtigt werden. Nur bei Beachtung aller Vorgaben lässt sich eine gute Bedienbarkeit erzielen. Einfach nur einen resistiven Touchscreen durch ein kapazitives Touchpanel auszutauschen, wird nicht funktionieren.

PCT-Sensoren gibt es in verschiedenen Ausführungen mit zwei verklebten flexiblen Folien oder Glasplatten. Mischarten aus Glas/Folie/Folie, Glas/Folie oder auch nur ein einzelnes Glas existieren ebenso.

Die Touch-Einheit wird in der Regel mit dem Gehäuse verklebt. Bei einer rückseitigen Verklebung gilt es die Haftbarkeit sowie die Langzeitbeständigkeit einer eventuellen Glasbedruckung sicherzustellen. Gleiches gilt für die Dichtungen. Bei der Passgenauigkeit des Deckglases sind neben den fertigungstechnischen Toleranzen auch die unterschiedlichen thermischen Ausdehnungskoeffizienten zu beachten. Falsch dimensioniert, kann die Materialausdehnung zum Bruch des Glases führen. Oft lässt sich schon aufgrund der Fertigungstoleranzen ein Montagespalt nicht verhindern. Abhilfe schafft eine elastische Fugendichtung als ‚Schmutzfuge‘, sofern die Prozessbedingungen dies zulassen. Oft will der Konstrukteur oder Designer aber gerade das vermeiden.

Knackpunkt EMV: Die Anschlussfahne des projiziert kapazitiven Touch muss mit einigem Abstand zu den leitfähigen ­Elementen geführt werden.

Knackpunkt EMV: Die Anschlussfahne des projiziert kapazitiven Touch muss mit einigem Abstand zu den leitfähigen ­Elementen geführt werden.MSC

Elektromagnetische Störungen – der unsichtbare Feind

Die Kondensator-Matrix des projiziert kapazitiven Touch reagiert auf alle Elemente, die eine ungewollte elektrische Änderung des Felds bewirken. Hierzu zählen auch metallische Gehäusefrontschalen, die Gehäusewände sowie Massebänder und -kabel. Bei einem zu geringen Abstand können die von typischen PC-Komponenten erzeugten Wechselfelder den PCT stören. Dazu zählen etwa die Display-Inverter und -Kabel, die LVDS-Leitung zum Display, RFID-Leser, Grafikkarten oder die CPU-Baugruppe. Die Anschlussfahne des PCT muss ebenfalls in einem ausreichenden Abstand zu leitfähigen Elementen geführt werden und ist oft nur über die Breite der Kontaktierung an der Sensorfläche angebunden. Sie darf keine harten Faltungen oder Knicke aufweisen. Zug- oder Scherkräfte sind unbedingt zu vermeiden.

Starke elektromagnetische Strahlung beeinflusst die Funktion ebenfalls, da der Touch-Sensor für das Magnetfeld wie ein Antennen-Array wirkt. Wie ein Touch-System damit klar kommt, hängt maßgeblich von dem im Controller integrierten Filter ab. Eine sichere Masseanbindung der verschiedenen Komponenten erhöht die Störfestigkeit des PCT-Systems. Erreicht wird dies beispielsweise durch eine leitfähige Verklebung von Kupfer­folien zwischen Gehäuseschale und Display-Gehäuse und Abschirmungen auf den Anschlussleitungen (Ferrite auf dem USB-Kabel, Stromnetzfilter). Auch der Touch-Controller ist in die sternförmige Masseanordnung einzubinden, MSC verwendet dazu ein geflochtenes, niederinduktives Metallkabel mit Ösen.

Die Qual mit dem Deckglas

Der PCT-Sensor ist in der Regel mit einem Deckglas aus Glas- oder Kunststoff verklebt. Neben klarem sogenannten Float-Glas gibt es auch speziell gehärtete, schlagfestere Glasarten bis hin zu vandalensicheren Versionen. Außerdem widersteht Glas den diversen Reinigungs- oder Desinfektionsmitteln. In Anwendungen, bei denen Glas wegen möglichem Glasbruch oder Splittergefahr ungeeignet ist, wird vorderseitig eine Scheibe aus Polycarbonat- oder Plexiglas verklebt. Allerdings kann das Feld des PCT diese Materialien nur etwa halb so gut durchdringen. Die Materialstärke muss deshalb immer den Möglichkeiten des Touch-­Sensors angepasst werden.

Die Oberfläche des Deckglases gibt es in verschiedenen Strukturen verfügbar. In Anwendungen mit starken Lichtquellen wie bei Operationslampen oder in Außen­bereichen lässt sich die Oberfläche matt diffus entspiegeln (AG: Anti-Glare). Durch Bedampfen oder mithilfe spezieller Folien können anti-reflektive Eigenschaften (AR) erreicht werden. Die Oberfläche ist dann jedoch schlechter zu reinigen. Ebenso gibt es Gläser mit Anti-fingerprint-Eigenschaften. Zur individuellen Bedruckung der Touch-Oberfläche wird eine keramische Farbe verwendet, die sich auch bei mechanischer Beanspruchung nicht löst, jedoch thermisch gehärtetes Glas voraussetzt.

Ein großes Problem ist die Interreflektion zwischen dem Touch-Sensor und dem dahinter liegenden Display ‒ vor allem bei starken Fremdlichtquellen. Diese lässt sich durch eine optische Verklebung von Display und Touch wesentlich verringern (Optical Bonding-Verfahren). Dabei wird eine im Brechungsindex angepasste Sub­stanz in den Zwischenraum gefüllt.

Die Integration von PCT-Systemen erfordert Erfahrung. Im Laufe des Designs können unter anderem Änderungen von Massekonzepten, Verbesserungen in der Anbindung von Displays, die Abschirmung von stark störausstrahlenden Baugruppen oder die Filterung in Versorgungsleitungen notwendig werden. In fast allen Applikationen kann der Geräteentwickler diese Feinabstimmungen des Touch nicht selbst vornehmen, sondern nur Fachpersonal eines Lösungsanbieters wie MSC Technologies. Doch der Aufwand während der Entwicklung lohnt sich. Ein PCT muss nur ein einziges Mal, aber richtig, inte­griert und abgestimmt werden, bietet dann aber hohe Funktionalität sowie eine sichere und zuverlässige Bedienbarkeit.

Frank Plönißen

ist Line Manager Touch Systems bei der MSC Technologies GmbH in Stutensee.

(sk)

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