Ulrich Grillo, Vizepräsident des Bundesverband Deutsche Industrie, bringt es auf den Punkt: „Auf die Zulieferer entfallen 75 % der Wertschöpfung und Innovation beim Automobil. Im europäischen Vergleich ist die deutsche Automobilzuliefererindustrie mit Abstand die stärkste.“ Und dieser Anteil an der Wertschöpfung wird weiter wachsen. Denn die Autohersteller stehen unter einem immer weiter steigenden Kostendruck. Immer mehr teure technische Neuentwicklungen finden ihren Weg in Autos, Busse und Lkws. Doch der Kunden möchte natürlich keinen Aufpreis dafür zahlen. Also heißt es bei den Autoherstellern: Produktionskosten sparen. Ein Weg die Produktionskosten zu senken, ist, das Engineering auszulagern – an die Automobilzulieferer. Dies bedeutet auf der einen Seite ein Problem für die Zulieferer, da sie selber sowohl unter dem Preisdruck der Hersteller stehen als auch die ersten Leidtragenden steigender Rohstoffkosten sind. Auf der anderen Seite ist dies auch eine Chance. „Erfolgreiche Zulieferer planen, 8 % ihres Umsatzes für Forschung und Entwicklung zu verwenden,“ stellte David Südi, Berater beim Beratungsunternehmen Struktur Management Partner, gegenüber den VDI-Nachrichten fest.

 

Herausforderungen der Zukunft

In einem Forschungsprojekt des CAR-
Instituts der Universität Duisburg-Essen und des Beratungsunternehmens ist die Investition in Forschung und Entwicklung einer der fünf Faktoren für den Erfolg eines Zulieferers. Ein weiterer Faktor ist die Entwicklung produktnaher Dienstleistungen und neuer Produktfelder. Dabei sei aber Vorsicht bei der Investition in neue Produktionsanlagen geboten. Denn laut der Studie stellen zwei Drittel der erfolgreichen, kleinen Zulieferer 75 % ihrer Neuprodukte auf bereits bestehenden Anlagen her. Bei mittleren und großen Unternehmen liegt die Quote bei 40 %.
Eine weitere Herausforderung der Automobilzulieferer ist die Internationalisierung des Autogeschäfts. „Grundsätzlich gilt, dass ohne Internationalisierung zukünftig kein Wachstum möglich sein
wird und der Zulieferer ohne Internationalisierung mittel- und langfristig gefährdet ist“, erklärte Prof. Ferdinand Dudenhöffer, Leiter des CAR-Instituts, den VDI-Nachrichten. Hier sei aber ebenfalls Vorsicht geboten, denn eine zu große Anzahl an Auslandsstandorten binde erhebliche Ressourcen und Managementkapazitäten. An Bedeutung für den Automarkt gewinnen neben China die Schwellenländer Brasilien, Russland und Indien. Dabei könnte vor allem in Indien mittel- bis langfristig, wo bisher nur ein Fünftel so viele Fahrzeuge verkauft werden wie in China, eine ähnliche Absatzdynamik einsetzen. „Dabei wird der lokale Einkauf von Komponenten und Teilen weiter zunehmen, wobei bevorzugt bei den etablierten deutschen Zulieferern gekauft wird. Zulieferer, die mit eigenen Standorten in diesen Regionen vertreten sind, dürften zukünftig einen Wettbewerbsvorteil gegenüber weniger international aufgestellten Anbietern haben“, stellt Karsten Gerhardt in einer Branchenanalyse der IKB Deutsche Industriebank fest.

International und national

International prägen die großen Zulieferer-Konzerne das Geschehen. Im Geschäftsjahr 2009/2010 setzten die 100 größten Automobilzulieferer nach Angaben der Zeitschrift Automobil Produktion 578 Milliarden US-Dollar um. Im Zeitraum 2008/2009 waren es noch 714 Milliarden US-Dollar. Die zehn größten Firmen verloren gegenüber den Jahren 2008/2009 Umsätze in der Höhe von 43 Milliarden US-Dollar. Die ersten zwanzig verloren dabei zusammengerechnet 76 Milliarden US-Dollar. Mehr als die Hälfte der Verluste trugen demnach die Großen der Branche. Unter den Top-100-Zulieferern finden sich im Ranking der Zeitschrift 25 deutsche Unternehmen, insgesamt 38 europäische, 32 asiatische und 27 nordamerikanische Konzerne.
Die Branche der deutschen Automobilzulieferer ist eher klein- bis mittelständisch geprägt. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) schätzt den Umsatz der Hersteller von Kfz-Teilen und Zubehör für das Jahr 2010 auf rund 62?Milliarden Euro. Davon setzten die Zulieferer etwa 40 Milliarden Euro im Inland und circa 21 Milliarden Euro im Ausland um. Der Gesamtumsatz der deutschen Automobilindustrie liegt bei rund 317 Milliarden Euro. Damit liegt der Anteil der Umsätze der Zulieferer am Gesamtumsatz gerade mal bei knapp 20 % – bei einem Wertschöpfungsanteil von 75 % pro Auto. Nach Angaben des VDA arbeiten insgesamt 708?970 Menschen in der Automobilindustrie, davon 281?923 bei den Herstellern von Kfz-Teilen und -Zubehör.

 

Das Kräfteverhältnis ändert sich

Was aber die Zusammenarbeit zwischen Autoherstellern und ihren Zulieferern komplett verändern könnte, ist der Wandel vom Benzin- zum E-Motor. Denn bisher gaben die Autohersteller die Marschrichtung für die Branche vor – vor allem weil sie ein Herzstück nicht aus der Hand gaben: den Motor. Bei E-Motoren, Kabeln, Batterien und Bordelektronik liegen die Kompetenzen aber ganz klar bei den Zulieferern. Für den Anfang wird es heißen eine Parallelstrategie zu fahren. Auf der einen Seite den Verbrennungsmotor weiterzuentwickeln und zu verfeinern, auf der anderen Seite E-Motoren, Hybridmotoren und Brennstoffzellen wettbewerbstauglich zu machen. Dabei müssen auch alte Paradigmen des Autobaus fallen. Ein Beispiel: Für die kleineren Hybridmotoren, bei denen der Verbrennungsmotor nicht mehr die Achsen antreibt, sondern nur noch die Batterie lädt, ist das sonst viel gerühmte Aluminium oft nicht mehr die ideale Lösung. Denn umso kleiner der Motor werden muss, desto weniger Gewicht spart das Aluminium ein. Die kleineren Motoren müssen aber trotzdem die gleiche Leistung wie die Großen bringen, und das bei höheren thermodynamischen Belastungen. Die verlängerte Werkbank der Autohersteller wird also mehr und mehr zum High-Tech-Partner auf Augenhöhe.

Melanie Feldmann

: Redakteurin IEE

(mf)

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