Mehr als 1800 verschiedene Versionen an Lötdrähten und knapp 100 verschiedene Flussmittel hat Stannol im Programm. Dessen nicht genug, hat das Unternehmen zur Productronica 2013 die Kooperation mit dem japanischen Lotmaterialienhersteller Nihon Superio angekündigt. Mittelpunkt der Allianz ist das Lot SN100C (Sn-0.7Cu-0.05Ni+Ge), eine silberfreie, mikrolegierte Legierung. Das Mikrolegierungselement Nickel verringert die Kupferanreicherung im Lötbad und erleichtert eine stabile Prozessführung. Das zweite Mikrolegierungselement Germanium vermindert die Bildung von Krätze und hilft somit, Ressourcen zu sparen und die Umwelt zu schonen. Außerdem bildet der Legierungsbestandteil Nickel mit Zinn und Kupfer eine feinere intermetallische Phase aus, was Lötverbindungen stabiler werden lässt. Zudem zeigt die Legierung mit einem Schmelzpunkt bei 227 °C ein sehr gutes Benetzungsverhalten und sie verringert die Tendenz zur Brückenbildung. Aufgrund des eutektischen Verhaltens gibt es auch keine der bei SAC305 eintretenden Schrumpfspalten. Die Abtragungsrate von Kupfer ist bei SN100C sehr viel langsamer als bei herkömmlichen bleifreien Lötmitteln. Schließlich wurde in umfangreichen Untersuchungen festgestellt, dass mit SN100C hergestellte Verbindungen vergleichsweise zuverlässig sind.

„Bei der Wahl für ein passendes Lot konnte man sich bisher, neben den Normloten ohne Mikrolegierungszusätze, zwischen einer geringeren Ablegierung von Kupfer oder einer geringeren Bildung von Krätze entscheiden. Diese zwei Möglichkeiten wurden durch unsere selbst entwickelten Legierungen der Flowtin-Reihe abgedeckt“, erklärt Karl-Heinz Dörr, Geschäftsführer von Stannol. „Nun können wir mit dem SN100C in unserem Lieferprogramm viele weitere Einsatzbereiche komplett abdecken.“ Die Legierung SN100C balanciere beide Eigenschaften gut aus und ergänze damit die umfangreiche Produktpalette, ist Dörr überzeugt.

Anpassung an veränderte Produktionsanforderungen

Nihon Superior will die Verbreitung seines patentierten Lotes gezielt vorantreiben. Daher gibt es mehrere Hersteller, die das in Lizenz fertigen dürfen. Für viele Unternehmen, die sich strategisch mit der Materialbeschaffung beschäftigen, ist es erstrebenswert über mehrere Einkaufsquellen zu verfügen, da eine Second-Source in den Einkaufsrichtlinien festgeschrieben ist. „Unser Ziel ist es, Neukunden von den Möglichkeiten und Vorteilen der mikrolegierten Lote zu überzeugen“, bekräftigt Dörr das Alleinstellungsmerkmal von Stannol. Die Forschungsabteilung am Standort in Wuppertal besteht derzeit aus insgesamt sechs Personen. Der Fokus der Forschung liegt auf der effizienten Weiter- und Neuentwicklung von Lotmaterialien. „Letztendlich müssen unsere Materialien den geänderten Anforderungen der Produktionsumgebung, wie etwa dem vermehrten Einsatz von Lötrobotern und immer schnelleren Produktionsgeschwindigkeiten standhalten.“

Dörr hat die Erfahrung gemacht, dass viele Unternehmen durch den hohen Wettbewerbsdruck gezwungen sind, in immer neue und effizientere Technologien zu investieren. Getrieben durch Kostenaspekte kommen vermehrt Low-Silver- oder No-Silver-Verbrauchsmaterialien zum Einsatz, weiß er zu berichten: „Künftig stehen selbst Verbrauchsmaterialien immer mehr auf dem Prüfstand.“ Die zunehmende Komplexität mache es seiner Ansicht nach für den Fertigungsleiter immer schwieriger alle Aspekte des (Löt-)Prozesses zu beurteilen. Hier sehe er den Ansatz, sich als Hersteller von Lotmaterialien tatsächlich zu differenzieren: „Wir verkaufen nicht nur Lot zu einem guten Preis – der Kunde wird bei uns kompetent und zielgerichtet beraten. Wir haben sechs Anwendungstechniker im Einsatz, die unsere Kunden im In- und Ausland über einen möglichst effizienten Mitteleinsatz beraten können.“ Die Zukunft mikrolegierter Lote ist daher mehr als geebnet: „Die Vorteile werden in immer mehr Untersuchungen nachgewiesen werden“, ist sich der Experte sicher.

Drohender Zinn-Engpass

Doch am Zinn-Horizont ziehen erste Wolken auf: Geht es nach der Deutschen Rohstoffagentur (DERA), dann drohen der Verfügbarkeit von Zinn mittelfristig Probleme: Ab 2018 soll es ein zunehmendes Defizit auf dem Weltzinnmarkt geben mit einer prognostizierten Versorgungslücke von möglicherweise 40.000 t Zinn pro Jahr. Die Ursache liegt in der voraussichtlich deutlich zurückgehenden Zinnproduktion in Indonesien aufgrund immer geringerer Vorräte. Neue Zinnbergwerke, die den Produktionsrückgang auffangen könnten, sind bis 2020 nicht in Sicht. In Deutschland werden jährlich rund 21.000 t Raffinadezinn benötigt. Damit steht Deutschland hinter China, Japan und den USA weltweit an vierter Stelle der Zinnnachfrage. Große Zinnverarbeiter in der deutschen Industrie sind die Elektronik- und Buntmetallherstellung, gefolgt von der chemischen Industrie und der Weißblechindustrie.

„Die mögliche Verknappung wird unserer Meinung nach dazu führen, dass neue Lagerstätten erschlossen werden und der Abbau effizienter gestaltet wird. Zudem wird eine Ressourcenknappheit immer dazu führen, dass das Recycling von unverarbeiteten Abfallprodukten wie Krätze und Fertigprodukten wie etwa Leiterplatten interessanter und lohnender wird“, ergänzt Dörr. Die Reserven für Zinn werden laut Schätzungen der Rohstoffagentur DERA vom Dezember 2013 noch mindestens 200 Jahre betragen, aber: „Preisentwicklungen abzuschätzen wäre Spekulation.

Verbesserte bleifreie Legierung

Beim Umstellen von bleifreien Normlegierungen auf SN100C bleiben die Einstellungen gleich. Durch die Mikrolegierungszusätze erfolgt die Erstarrung der Lötverbindung feinkörniger, wodurch sie glatter wirkt. Auch weist die Legierung eine verminderte Ablegierung auf, wobei weit weniger Kupfer abgetragen wird, als dies üblicherweise mit bleifreien Normloten der Fall ist. Schließlich sorgt SN100C für eine geringere Krätzebildung.

Interview

Interview mit Tetsuro Nishimura, Präsident von Nihon Superior, während der Productronica 2013 in München auf dem Messestand von Stannol.

Können Sie kurz die wichtigsten Eigenschaften von SN100C erklären und wie es sich von üblichen bleifreien Lötmitteln unterscheidet?

Mein Ausgangspunkt in der Entwicklung von SN100C) war die Zugabe einer geringen Menge von Nickel als drittes Element, als ich nach Möglichkeiten zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit von Sn-Cu als bleifreies Lötmittel suchte. Zunächst war ich überrascht, dass nach dem Erstarren die Oberfläche viel glatter und glänzender als bei anderen Sn-Cu- und bleifreien SAC-Lötmitteln war. In späteren metallurgischen Grundlagenforschungen wurde bei SN100C nachgewiesen, dass die Zugabe geringer Mengen von Nickel in die Cu6Sn5-Metallverbindung die sechseckige Form dieser Phase stabilisiert. Ich glaube, dass dieser Effekt ein weiterer Faktor für die hohe Zuverlässigkeit der Verbindungen mit SN100C ist.

Welchen Anteil am weltweiten Markt für Elektrolötmittel erreicht SN100C derzeit?

Ich denke, SN100C hat einen Gesamtanteil am Weltmarkt von rund 10 Prozent. Dieser ist jedoch in Märkten wie Europa und Japan sehr viel höher, weil dort bleifreie Technologien verbreiteter sind.

Da SN100C bereits stark in der bleifreien Elektronikfertigung vertreten ist, glauben Sie, dass der Marktanteil dieses Lotes noch weiter wachsen wird, angesichts der inzwischen verfügbaren silberhaltigen Optionen?

In den letzten Jahren hat es einen raschen Anstieg der Arbeitsgeschwindigkeit und der Komplexität elektronischer Schaltungen gegeben und dies ergibt für die Leistung der Lötverbindungen höhere Anforderungen. Eine der Stärken von SN100C ist die Eignung für den Einsatz in diesen Hochleistungsanwendungen. Da der Anwendungsbereich von SN100C sich erweitert hat, wurden die SN100C-Produkte auf die Anforderungen der jeweiligen Anwendung zugeschnitten. Für einige Anwendungen eignen sich auch andere Lote, etwa mit Silber. Ich bin jedoch überzeugt, dass SN100C weithin als globaler Standard für bleifreie Lötmittel anerkannt wird.

Japanische und deutsche Unternehmen sind die Innovationstreiber in der Lötmittelindustrie. Welche Trends erwarten Sie in den nächsten Jahren?

Wie bereits erwähnt, glaube ich, dass die Ansprüche der Anwender hinsichtlich der Leistungsfähigkeit von Lötmitteln steigen werden. Ich denke, dass die Hersteller von Lötmitteln daher Produkte mit immer höherer Leistungsfähigkeit liefern müssen. Dadurch werden die Anzahl der Legierungen und die Formen, in denen sie erhältlich sind, steigen. Und es wird vermehrt Situationen geben, in denen andere Materialien als Lötmittel die beste Lösung für Metallverbindungen darstellen. Das Geschäft der Hersteller von Lötmitteln ist die Versorgung mit Verbindungsmaterialien und künftig muss die Produktpalette über die herkömmlichen Lötmittel hinaus erweitert werden und es muss stets nach dem optimalen Weg zur Herstellung von Verbindungen gesucht werden, unabhängig davon, welches Material benötigt wird.

Das Periodensystem weist nur eine begrenzte Anzahl von Elementen auf und nur wenige dieser Elemente kommen als Zugabemittel zu Lötmitteln zwecks Verbesserung ihrer Eigenschaften in Frage. Welche weiteren Entwicklungen sehen Sie kommen?

Zwar eignen sich nicht viele Elemente für Mikrolegierungszugaben zu Loten. Jedoch können diese eine äußerst starke Wirkung entfalten und komplexe Wechselwirkungen aufweisen, wenn mehr als ein einziger Legierungszusatz darin enthalten ist. Dadurch erhalten die Hersteller von Lötmitteln eine breitere Palette von Optionen für die Optimierung von Lötmitteleigenschaften als normalerweise zu erwarten wäre. Ich glaube, die Legierungen werden sich weiter entwickeln, um neue Anwendungen für Lötmaterialien zu erschließen.

Durch welche fundamentalen Lösungen, die Sie und Ihre Kunden ermittelt haben, werden Loteigenschaften durch Techniken wie Mikrolegierungszugaben optimiert?

Chemische Werkstoffe, wie Flussmittel, haben ebenfalls eine erhebliche Wirkung auf die Leistungsfähigkeit von Lotlegierungen und die Eigenschaften der entstehenden Verbindungen. Ich denke, dass uns noch viele Möglichkeiten offen stehen, wenn wir ein Lötmittel nicht einfach als eine Legierung, sondern als ein Verbindungsmaterial betrachten.

Das Interview führte Karl-Heinz Dörr, Geschäftsführer von Stannol.

SMT Hybrid Packaging 2014: Halle 9, Stand 326

Marisa Robles Consée

ist freie Redakteurin Productronic

(mrc)

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Stannol GmbH & Co. KG

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