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MEMS-Gyroskope und -Beschleunigungssensoren finden heutzutage Eingang in viele Consumer- und Industrie-Anwendungen. Immer mehr Designs, deren Spanne von Smartphones bis zu Hausgeräten (weißer Ware) reicht, enthalten diese miniaturisierten Bauelemente. Auch in Autos kommen diese Sensoren zunehmend zum Einsatz. Noch vor wenigen Jahren galt dies nur für Fahrzeuge der Oberklasse, doch mittlerweile finden sich MEMS-Sensoren in fast allen Modellen, was hauptsächlich auf die günstigeren Preise dieser Bauelemente zurückzuführen ist. Allerdings vertraten viele Ingenieure die Meinung, MEMS-Gyroskope und -Beschleunigungsaufnehmer böten für einige Anwendungen kein günstiges Preis-/Leistungsverhältnis. Aktive Radaufhängungen etwa benötigen vier extrem präzise und stabile Sensoren, die an den Rädern montiert werden müssen, um die nötigen Eingangssignale für eine gleichmäßige und zuverlässige Fahrgestelldynamik zu erhalten. Solche hochstabilen und -genauen Sensoren waren in der Vergangenheit tatsächlich teuer.

Bild 1: Der SCC2000 von Murata ist ein Beispiel für eine Kombination aus Gyroskop und Beschleunigungssensor für Automotive-Anwendungen.

Bild 1: Der SCC2000 von Murata ist ein Beispiel für eine Kombination aus Gyroskop und Beschleunigungssensor für Automotive-Anwendungen.Murata

Eine weitere, in den USA inzwischen vorgeschriebene Anwendung ist ein System, die verhindern soll, dass bei einem Unfall die vorn sitzenden Fahrzeuginsassen herausgeschleudert werden. Relevant ist dies speziell für Fahrzeuge mit einem hohen Schwerpunkt wie beispielsweise SUVs oder Pick-Ups) bei denen die Wahrscheinlichkeit für ein Herausschleudern der Insassen bei einem Überschlag aus dem Fahrzeug sehr groß ist. Die meisten Autos, die ein MEMS-Gyroskop enthalten, erfassen ausschließlich die Gierrate, doch zum Erkennen von Überschlägen müssen sie auch die Rollrate messen. Hierfür ist ein weiteres Gyroskop für die X-Achse des Fahrzeugs erforderlich. Eine ähnliche Bewegungserkennung benötigt auch die Verstellung der Scheinwerfer-Leuchtweite bei Beladung des Fahrzeugs. Für Autos mit Xenon-Scheinwerfern ist diese Einrichtung zwingend vorgeschrieben.

MEMS-basierte Sensoren sind bereits Teil unseres täglichen Lebens. Die Sensoren in verbreiteten Anwendungen wie etwa Smartphones sind jedoch bei weitem nicht so stabil und präzise wie jene, die in Automotive-Anwendungen eingesetzt werden, und ihre Eigenschaften werden durch die Temperatur, Vibrationen und andere Umgebungsfaktoren stark beeinflusst. Das MEMS-Element ist außerdem nur die zentrale Komponente eines Systems, das in den meisten Fällen eine in der Software realisierte Rauschfilterung, adaptive Lernalgorithmen sowie die Fähigkeit erfordert, temperatur- und vibrationsbedingte Fehler zu kompensieren – ganz zu schweigen von den Veränderungen, die während der Produktion eines Autos erfolgen. Insgesamt ist festzustellen, dass aktive Radaufhängungen und elektronische Stabilitätsprogramme sehr komplexe Anwendungen sind. Und wie bei so vielen Automotive-Anwendungen, darunter auch der MEMS-Sensor selbst, ist Embedded-Software allgegenwärtig.

Bild 2: Übersicht über Sicherheitsvorgaben und Sicherheitsanforderungen für ESP-Anwendungen (Auszug – es sind nicht alle Anforderungen wiedergegeben).

Bild 2: Übersicht über Sicherheitsvorgaben und Sicherheitsanforderungen für ESP-Anwendungen (Auszug – es sind nicht alle Anforderungen wiedergegeben). Murata

Für die gesamte Software in einem Fahrzeug gilt die Norm ISO 26262. Diese trägt den Titel „Road vehicles – Functional safety“ (Funktionssicherheit von Straßenfahrzeugen) und ist Bestandteil der übergeordneten Norm ISO61508 „Funktionssicherheit von elektrischen, elektronischen und programmierbaren elektronischen (E/E/PE) Systemen, die eine Sicherheitsfunktion ausführen“. Die Norm gilt für jeden Aspekt sicherheitskritischer Features, die dem Fahrer die Kontrolle abnehmen und in die Lenkung, die Geschwindigkeit und die Bremsfunktionen eingreifen.

Ingenieure, die Sicherheitsfunktionen unter Verwendung von MEMS-Bauelementen entwickeln, müssen sicherstellen, dass sie die Norm ISO 26262 einhalten. Diese Angelegenheit ist durchaus ernst zu nehmen, da bei Nichteinhaltung der Norm Schadenersatz-Prozesse drohen, falls es zu einem Unfall kommen sollte. Der wichtigste Aspekt des Entwicklungsprozesses besteht darin, sämtliche Applikations-Anforderungen zu benennen und jene herauszuheben, die potenziell Einfluss auf die Sicherheit haben können. Auf der Basis einer solchen Sicherheits-Analyse erfolgt eine Bestandsaufnahme der Software und der Hardwareplattform, um eine Einordnung des Sicherheitsrisikos in die Automotive Safety Integrity Levels (ASIL) QM, A, B, C oder D vorzunehmen. ASIL D bedeutet, dass die bei einer Fehlfunktion bestehende Möglichkeit lebensbedrohender oder tödlicher Verletzungen ein Maximum an Sicherheit erfordert.

Gyro-Sensor SCC2000

Der Sensor der Serie SCC2000 von Murata enthält einen Dreiachsen-Beschleunigungssensor für niedrige g-Werte, zwei Drehratensensor-Optionen für die X- oder die Z-Achse, ein ASIC zur Signal-Vorverarbeitung und ein digitales 32-Bit-SPI-Interface. Auch in punkto Temperaturabhängigkeit, Stoßempfindlichkeit und Bias-Stabilität erfüllt er die Anforderungen der Automotive-Branche.

Diagnosen, die ein grundlegender Bestandteil jeder Zertifizierung gemäß ISO 26262 sind, dienen zur Senkung der Ausfallrate. Grundsätzlich ist die Zertifizierung des gesamten Systems erforderlich. Ein Teil dieses Prozesses wird sich jedoch auf die Tatsache stützen, dass die Sensorbauteile, von denen die Applikation ihre Eingangsinformationen bezieht, ihren jeweiligen Betriebszustand signalisieren können. Der SCC2000 von Murata zum Beispiel entspricht bereits den Anforderungen von ISO 26262. Für Ingenieure, die diesen Sensor in ihrem Gerät verwenden wollen, steht eine Ausfallsicherheits-Spezifikation zur Verfügung, ergänzt durch Design-Unterstützung von Murata. Der hier gewählte Ansatz trägt die Bezeichnung „Safety Element out of Context“ (SEooC). Murata hat den Sensor mit Blick auf eine generische Applikation entwickelt und einen entsprechenden Selbsttest-Rahmen ausgearbeitet. Der kombinierte Sensor entspricht darüber hinaus den Anforderungen für die Stresstest-Qualifikation gemäß AEC-Q100, wie sie von elektronischen Bauteilen für Automotive-Anwendungen verlangt wird. Es handelt sich hier um eine Plattform zum Einsatz in Designs für die aktive und passive Sicherheit von Automotive-Anwendungen. Dazu zählen beispielsweise Berganfahr-Assistenten, aktive Lenkungen und adaptive Tempomaten für Fahrerassistenz-Systeme.

Gyro-Sensor für Safety-Anwendungen

Bild 2 zeigt die Sicherheitsvorgaben für den Sensor. Sollte der Sensor beginnen, fehlerhafte Daten auszugeben, so fällt er in einen sicheren Zustand und kommuniziert dies der Host-Anwendung mit den Failure-Flags. Außerdem durchläuft der SCC2000 nach dem Einschalten eine Eigendiagnose, in der er die kritischen Sensorfunktionen testet. Das in den Sensor eingebaute ASIC prüft ferner fortlaufend ungefähr 20 Parameter, ohne dass dies Auswirkungen auf die normale Funktion des Sensors hat.

Der Sensor der Serie SCC2000 von Murata besitzt beispielsweise fünf Statusregister, die den allgemeinen Betriebszustand, den Gyro-Sensor-Status 1, den Gyro-Sensor-Status 2, den Beschleunigungssensor-Status und den Status der gemeinsamen Funktionsblöcke anzeigen. Das ASIC besitzt Schnittstellen für den Drehraten-Sensor und den Mehrachsen-Beschleunigungssensor. Beide Schnittstellen beruhen auf einer Mixed-Signal-Architektur mit Vorverarbeitung des analogen Signals, Analog-Digital-Wandlung und digitaler Nachverarbeitung. Die Interfaces nutzen einige Schaltungsteile gemeinsam, und zwar sowohl im analogen Teil (Stromversorgungs-Regler, Spannungsreferenzen, Oszillator, Temperatursensor) als auch im digitalen Teil (SPI, Register, Interface zum nichtflüchtigen Speicher).

Auch in punkto Temperaturabhängigkeit, Stoßempfindlichkeit und Bias-Stabilität erfüllt der SCC2000 von Murata in vollem Umfang die Anforderungen der Automotive-Branche. Er enthält einen Dreiachsen-Beschleunigungssensor für niedrige g-Werte, zwei Drehratensensor-Optionen für die X- oder die Z-Achse und ein digitales 32-Bit-SPI-Interface. Der Sensor besitzt ein per Software selektierbares und per SPI konfigurierbares Tiefpassfilter für 10 Hz oder 60 Hz. Der Messbereich des Gyroskops beträgt ±125 Grad/s bei einer Empfindlichkeit von 50 LSB pro Grad/s; weitere Messbereiche sind auf Anfrage verfügbar. Die typische Temperaturdrift des Beschleunigungssensors beträgt ±6 mg für den 2-g-Sensor und ±12 mg für die 6-g-Version. Die Temperaturdrift des Gyroskops liegt typisch im Bereich von ±0,5°/s für die 125°/s-Version für die X- und Z-Achse. Die typische Bias-Stabilität des Gyroskops beträgt in der 125-Grad/s-Version 1°/h für die X-Achse und 2°/h für die Z-Achse.

Jan Pekkola

ist Senior Product Engineer für Sensorprodukte bei Murata Europe

(av)

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