“e-” statt “CE-Zeichen”

In diesem Artikel werden normative Anforderungen und EMV-Prüfverfahren für Kfz-Komponenten vorgestellt. Das EMV-Prüfzentrum Seibersdorf verfügt über die nötigen Messeinrichtungen und ist von der österreichischen Zulassungsbehörde notifiziert.

Autoren: Dipl.-Ing. Kurt Lamedschwandner
Ing. Hans Preineder

Der Anteil elektronischer Komponenten in Kraftfahrzeugen nimmt ständig zu. Dadurch sind immer höhere Anforderungen zur Sicherstellung der elektromagnetischen Verträglichkeit (EMV) in Kraftfahrzeugen zu erfüllen. Unter elektromagnetischer Verträglichkeit versteht man dabei die Fähigkeit einer elektrischen oder elektronischen Einrichtung, in ihrer elektromagnetischen Umgebung bestimmungsgemäß zu funktionieren, ohne dabei andere Einrichtungen störend zu beeinflussen.
Kfz-EMV-Richtlinie
Für EMV-Prüfungen an Kraftfahrzeugen und deren elektrischen/elektronischen Unterbaugruppen (EUBs) kommt die Kfz-EMV-Richtlinie 95/54/EG vom 31. 10. 1995 zur Anwendung. Sie ist am 1. Jänner 1996 in Kraft getreten und legt Mindestanforderungen an Kraftfahrzeuge und deren EUBs fest. In Österreich wurde die Richtlinie mit BGBl.II Nr. 90/1997 als §17b der 42. Novelle zur Kraftfahrgesetz-Durchführungsverordnung umgesetzt. Die allgemeine EMV-Richtlinie 89/336/EWG ist nicht anzuwenden und die CE-Kennzeichung entfällt somit. An dessen Stelle tritt die Anbringung des e-Zeichens: Rechteck das den Buchstaben “e” und die Kennziffer des Mitgliedstaates, der die Typgenehmigung erteilt hat, umgibt. Im Gegensatz zum CE-Zeichen handelt es sich dabei nicht um eine Herstellererklärung, da die Zulassung von Kraftfahrzeugen und deren EUBs durch die zuständigen Behörden (Österreich: BMVIT ? Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie, Abt. II/B/5; Deutschland: KBA ? Kraftfahrtbundesamt) zu erfolgen hat. Voraussetzung für die Erlangung einer Zulassung ist die Durchführung der EMV-Prüfung in einem von der Zulassungsbehörde notifizierten Prüflabor. Das EMV-Prüfzentrum der ARC Seibersdorf research GmbH wurde am 7.1.1999 vom Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr (Republik Österreich) als Prüfstelle gemäß Richtlinie 95/54/EG anerkannt. Auch Erzeugnisse der Unterhaltungselektronik (Radios, Kassettenrecorder, CD-Player), die zum Einbau in Fahrzeuge bestimmt sind, fallen in den Geltungsbereich der Richtlinie 95/54/EG. Während der Übergangsfrist besteht die Möglichkeit, entweder die Richtlinie 89/336/EWG (CE-Kennzeichnung) oder die Richtlinie 95/54/EG (e-Zeichen) anzuwenden. Ab dem 1. Oktober 2002 darf jedoch nur mehr die Richtlinie 95/54/EG angewandt werden.
Störfestigkeitsprüfungen und Störaussendungsmessungen
Analog zur Richtlinie 89/336/EWG wird auch bei der Kfz-EMV-Richtlinie 95/54/EG zwischen Störfestigkeitsprüfungen und Störaussendungsmessungen unterschieden. Im Gegensatz zur EMV-Richtlinie kommen jedoch nur Messverfahren für die Emission über Abstrahlung und die Störbeeinflussung durch Strahlung im Frequenzbereich von 20 MHz bis 1 GHz zur Anwendung. Leitungsgeführte Emissionen, leitungsgeführte Störgrößen und elektrostatische Entladungen finden keine Berücksichtigung. Die Kfz-EMV-Richtlinie unterscheidet Prüfverfahren für Fahrzeuge und solche für elektronische Unterbaugruppen (EUBs). Der Schwerpunkt der Kfz-EMV-Richtlinie 95/54/EG liegt hinsichtlich Störfestigkeit darauf, die Sicherheit des Fahrers und die anderer Verkehrsteilnehmer zu gewährleisten. Somit bietet das e-Zeichen keine Garantie für das einwandfreie Funktionieren aller Fahrzeugkomponenten (Autoradio, Klimaanlage usw.) in einer elektromagnetischen Umgebung. Dies zu gewährleisten ist alleinige Sache des Herstellers. Dieser hat sein Fahrzeug so in Verkehr zu bringen, dass es in seiner elektromagnetischen Umgebung bestimmungsgemäß funktioniert. Zu diesem Zweck hat er den gegenwärtigen Stand der Technik bei der EMV-Prüfung anzuwenden.
Normen der Automobilindustrie
Die Automobilkonzerne stellen in ihren technischen Lieferbedingungen zusätzlich zu den gesetzlichen Anforderungen (e-Kennzeichnung) hausinterne Anforderungen an ihre Zulieferer, die in der Regel wesentlich schärfere Prüfkriterien als die internationalen Normen enthalten. Verfahren zur Prüfung der Störfestigkeit für Komponenten im Frequenzbereich von 10 kHz bis 18 GHz sind in ISO 11452-1 bis 7 beschrieben. Die Normen ISO 7637 ? 0 bis 3 bzw. DIN 40 839 Teil 1 bis 4 legen Störaussendungs- und Störfestigkeitsprüfverfahren für Komponenten und für das gesamte Fahrzeug fest (Frequenzbereich 1 MHz bis 18 GHz für eingestrahlte Störgrößen, Prüfimpulse für leitungsgeführte Störgrößen). In diesem Artikel soll nur auf die Komponentenprüfungen eingegangen werden, da solche im EMV-Prüfzentrum Seibersdorf durchgeführt werden. Im Frequenzbereich bis maximal 1 GHz sind die Streifenleitungsmethode, die Methode der Stromeinspeisung und das Verfahren mit der TEM-Zelle die am meisten verwendeten EMV-Prüfverfahren für Kraftfahrzeugkomponenten. Oberhalb von 1 GHz sollte nur noch die Störfestigkeitsprüfung mit Feldern in einem geschirmten, mit Hochfrequenzabsorbern ausgekleideten Raum (Absorberhalle) angewendet werden.
EMV-Prüfverfahren für Kfz
Als Streifenleitung wird ein aus einem Leiterstreifen und einer Massefläche bestehender offener Wellenleiter bezeichnet. Zwischen den Platten kann sich eine transversal-elektromagnetische Welle (TEM Welle) mit der geforderten Prüffeldstärke ausbreiten, wenn die Leitungslänge sehr viel größer als die Wellenlänge (wird realisiert, indem man die Streifenleitung mit dem Wellenwiderstand abschließt) und der Plattenabstand sehr viel kleiner als die Wellenlänge ist. Oberhalb der durch die Geometrie der Anordnung bestimmten Grenzfrequenz, bilden sich höhere Moden aus, wodurch die Frequenzgrenze dieses Komponentenprüfverfahrens bestimmt ist. Wie Bild 1 zeigt, wird der zu prüfende Kabelbaum zwischen der Massefläche und dem Leiterstreifen auf isolierenden Abstandhaltern verlegt. Es wird nur der Kabelbaum dem Prüffeld ausgesetzt, der Prüfling selbst und sämtliche Peripheriegeräte befinden sich außerhalb der Streifenleitung. Die Streifenleitung ist in einem geschirmten, mit Absorbern ausgekleideten Raum (Absorberhalle) anzuordnen, um reproduzierbare Messergebnisse zu erzielen und um unerlaubte Abstrahlung elektromagnetischer Felder in die Umgebung zu vermeiden.
In der Streifenleitung des EMV-Prüfzentrums Seibersdorf kann eine Prüffeldstärke von mindestens 200 V/m im Frequenzbereich 1 MHz bis 1 GHz erzeugt werden.
Bei der Stromeinspeisung (BCI ? Bulk Current Injection-Verfahren) wird mittels einer Stromzange auf den Kabelbaum induktiv Strom eingekoppelt. Der Vorteil dieses Verfahrens liegt darin, dass es die Prüflingsgröße nicht einschränkt. Da der Kabelbaum die eingekoppelte Leistung teilweise wieder abstrahlt, ist die Prüfanordnung in einem geschirmten Raum zu betreiben. Mit Hilfe einer Einkoppelzange nach Bild 2 kann im EMV-Prüfzentrum Seibersdorf im Frequenzbereich 100 kHz bis 400 MHz ein Strom von 100 mA oder mehr auf eine Leitung eingespeist werden.
Genauso wie in einer Streifenleitung wird auch in einer TEM-Zelle ein Prüfling mit einer transversal-elektromagnetischen Welle (TEM Welle) beaufschlagt. Durch die geometrischen Abmessungen der TEM-Zelle ist die obere Grenzfrequenz und die maximal mögliche Prüflingsgröße vorgegeben. Bei der Störfestigkeitsprüfung mit Feldern werden Prüfling und Kabelbaum mit der geforderten Prüffeldstärke beaufschlagt. Die Prüfung wird bei horizontaler und vertikaler Polarisation durchgeführt. Prüfverfahren bis zu einer Frequenz von 18 GHz sind in den Normen ISO 11452, ISO 7637 und DIN 40839 festgelegt. In der Absorberhalle des EMV-Prüfzentrums Seibersdorf kann über Groundplane eine Prüffeldstärke von 100 V/m im Frequenzbereich 20 MHz bis 1 GHz und eine Prüffeldstärke von 35 V/m bis 18 GHz erzeugt werden.
Genormte Kfz-Prüfpulse
Zur Sicherstellung der elektromagnetischen Verträglichkeit im Kraftfahrzeug ist es wichtig, dass einerseits die von den Geräten in das Bordnetz emittierten Störgrößen bestimmte Grenzwerte bezüglich Spannungshöhe, Zeitspanne, Energieinhalt oder Anstiegsgeschwindigkeit der Impulse nicht überschreiten, und dass andererseits die mit den festgelegten Störgrößen über das Bordnetz beaufschlagten Komponenten die geforderte Störfestigkeit aufweisen. Da die Laborprüfverfahren nicht alle Störgrößen beinhalten können, die im Bordnetz in der Praxis auftreten, definieren die Normen ISO 7637 bzw. DIN 40 839 sieben charakteristische Prüfimpulse. Prüfimpuls 1 simuliert das Abschalten induktiver Lasten. Durch Prüfimpuls 2 wird die Störfestigkeit gegenüber einem Nachlaufen von Gleichstrommotoren beim Ausschalten der Zündung geprüft. Die Prüfimpulse 3a und 3b bilden Impulse nach, die bei Schaltvorgängen entstehen. Der Versorgungsspannungseinbruch beim Startvorgang wird durch Prüfimpuls 4 nachgebildet. Prüfimpuls 5 bildet einen Batterieladestrom-Abschaltimpuls nach, der auftritt, wenn die Batterie abgeklemmt wird, während der Generator Ladestrom liefert. Eine Zündstromunterbrechung wird durch Prüfimpuls 6 dargestellt. Prüfimpuls 7 entspricht dem Entladeimpuls des Generators, wenn der Motor abgeschaltet wird. Für die Erzeugung dieser Prüfimpulse steht im EMV-Prüfzentrum Seibersdorf ein computergesteuerter Messplatz der Firma EM-Test zur Verfügung.

EMV-Prüfzentrum Seibersdorf
Tel. (050) 550-2805
kurt.lamedschwandner@arcs.ac.at
http://www.arcs.ac.at/IT/ITM

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