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Bei der Funktionsentwicklung von Steuergerätesoftware gilt es, hohe Qualitätsstandards (SPICE, CMMI) einzuhalten. Dabei ist die korrekte Parametrierung der Steuergeräte genauso entscheidend wie die grundsätzlich korrekte Funktionalität der Software im Steuergerät. Beim Anpassen der Parameter muss deshalb der Qualitätsanspruch identisch sein. Diesen Anpassungsvorgang bezeichnet man als „Applikation“ oder „Kalibration“. Essenziell für die Prozesssicherheit und die Qualität des Gesamtsystems sind genau nachvollziehbare Kalibrierungen und konsistente Bedatungen in jeder denkbaren Variante.

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Vector Informatik

Immer kürzere Innovationszyklen sowie höchste Anforderungen an Qualität und Effizienz machen bei der Entwicklung von elektronischen Systemen eine hohe Wiederverwendung der Software in vielen Typen und Fahrzeugvarianten unabdingbar. Jede Variante in einem Steuergerät führt zu einem eigenen Parametersatz; als Folge steigt die Anzahl an Parametersätzen stark an.

Für Steuergeräte eines Dieselmotors mit Euro-6-Abgasnorm sind heute ungefähr 60.000 Parameter zu kalibrieren. Steuergeräte aus den Bereichen Fahrwerk und Innenraum kommen zwar mit weniger Parametern aus, aber dennoch erfordert die höhere Anzahl der Varianten auch hier eine dedizierte Lösung zum Datenmanagement. In Summe muss der Hersteller für ein aktuelles Fahrzeug viele tausend Parametersatzdateien ermitteln und verwalten.

Qualitätsverbesserung durch einen klaren Prozess

Wesentliche Hilfe beim komplexen Verwalten der Kalibrierdaten bietet der Einsatz einer speziellen Datenmanagement-Lösung. Sie gewährleitet, dass tausende von Parametern in genau definierten Kombinationen für hunderte von Fahrzeugabstimmungen in die korrekten Varianten gelangen. Gleichzeitig muss jede Änderung im Sinne der Qualitätssicherung exakt nachvollziehbar sein.

Bild 1: Durch einen klar definierten Prozess trägt das CDM-System zu einer wesentlichen Qualitätsverbesserung beim Kalibrieren der Steuergeräte bei.

Bild 1: Durch einen klar definierten Prozess trägt das CDM-System zu einer wesentlichen Qualitätsverbesserung beim Kalibrieren der Steuergeräte bei.Vector Informatik

Eine derart klar definierte Vorgehensweise schafft Prozesssicherheit und erhöht die Datenqualität. Die Originaldateien der Ingenieure, die ihre Arbeitsergebnisse in ein CDM-System (Calibration Data Management) einpflegen, unterstehen einer Versionsverwaltung. Somit ist auf einen Blick ersichtlich, welche Parametersätze in eine bestimmte Variante eingeflossen sind und wo sie wiederverwendet werden. Dies stellt die automatische Aktualisierung einer neuen Bedatungsversion in allen betreffenden Varianten sicher.

Ein Qualitäts- und Reifegradmodell hilft innerhalb des Projekts, die Änderungen für die Datenintegration zu dokumentieren und den Projektfortschritt zu überwachen. Das CDM-System stellt ein mehrstufiges Konzept für die Datenintegration bereit. Nachdem sämtliche Ergebnisse der Applikationsingenieure in das System eingegeben sind, ist dieses in der Lage, Konflikte durch Fehl- oder Doppelbedatungen über zugeordnete Verantwortlichkeiten und Regeln zu lösen. Die Ergebnisse lassen sich anschließend nach dem Vier-Augen-Prinzip validieren und auf Vollständigkeit prüfen. Erst dann sind die Daten bereit zur Konsolidierung für den nächsten Datenstand und die Freigabe für die nächste Phase. Das ermöglicht auch in der Zusammenarbeit mit Entwicklungspartnern und bei unterschiedlichen Verantwortungsbereichen immer einen Zugriff auf die korrekten Daten.

Effizienz durch intelligentes Variantenmanagement

Neben der Unterstützung von Kalibrieraufgaben durch einen klar strukturierten Prozess ist der produktive Umgang mit der Vielzahl der Varianten eine Kernaufgabe des Datenmanagements. Eine „Variante“ repräsentiert einen Satz von Fahrzeugattributen wie Hubraum, Getriebetyp oder Abgasnorm. Die unterschiedlichen Ausprägungen bedingen Änderungen in der Parametrierung der Steuergerätesoftware, wobei man hier von „Derivat-Applikationen“ spricht.

Bild 2: Eine skalierbare Lösung deckt die Anforderungen an Prozesssicherheit, Datenqualität und das Variantenmanagement ab.

Bild 2: Eine skalierbare Lösung deckt die Anforderungen an Prozesssicherheit, Datenqualität und das Variantenmanagement ab.Vector Informatik

Das Variantenmanagement stellt Mechanismen bereit, die beispielsweise sicherstellen, dass alle Varianten automatisch eine konsistente Bedatung erhalten und vermeidet so unnötige Doppelarbeit. Bei Parametern, die von Systemattributen abhängen, kommen Regeln zur Beschreibung der Abhängigkeiten zum Einsatz. Das gewährleistet ohne Mehrarbeit eine gleiche Bedatung aller Varianten mit identischen Systemattributen.

Think big, start small

Unternehmen setzen das Datenmanagement in unterschiedlichem Umfang ein. Häufig entstehen Lösungen aus den konkreten Herausforderungen für bestimmte Aufgaben. So benötigt ein Applikationsingenieur beispielsweise Unterstützung beim Verteilen der Arbeitsergebnisse auf alle Applikationsderivate. Dagegen gehört es zur Aufgabe eines Projektleiters, Konflikte zu lösen oder zu vermeiden, die durch die Abgabe der Kalibrierdaten seiner Teammitglieder in das System entstehen. Mit zunehmender Verbreitung solcher Einzellösungen gewinnt eine einheitliche Datenmanagement-Lösung für das gesamte Unternehmen immer mehr an Bedeutung. Sie bildet den gesamten Prozess ab und unterstützt auch angrenzende Bereiche wie Software-Entwicklung und Validierung.

Aus diesem Grund ist es hilfreich, wenn die Datenmanagement-Lösung sowohl den spezifischen Anforderungen eines Applikationsingenieurs als auch eines Teams sowie des kompletten Unternehmens gerecht wird. Eine derart skalierbare Lösung lässt sich schrittweise einführen und ausbauen.

Datenmanagement beim Applikationsingenieur

Bei der Steuergeräteapplikation bewertet der Ingenieur mithilfe von Softwarewerkzeugen (MCD-Tools) am Prüfstand oder im Fahrzeug zunächst das aktuelle Verhalten einer Systemkomponente, um die Parameter anschließend in Richtung des Sollverhaltens zu verstellen. Dieser Online-Kalibrierung genannte Vorgang umfasst jedoch nur einen Teil der notwendigen Arbeiten. Häufig ist es darüber hinaus erforderlich, die Parameter für die unterschiedlichen Fahrzeugvarianten ohne direkte Verbindung zum Steuergerät zu vergleichen und zu bearbeiten (Offline-Kalibrierung). Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn man Parameter nach den Vorgaben der Softwareentwicklung vorbedatet, bei der Übernahme von Ergebnissen aus ähnlichen Vorgänger-Projekten, beim Kopieren von Werten aus der Online-Kalibrierung in verschiedene Varianten oder beim Optimieren mit numerischen Methoden anhand von Modellen.

Bild 3: CDM Studio zeigt unter anderem auch den Status der Steuergerätekalibrierung.

Bild 3: CDM Studio zeigt unter anderem auch den Status der Steuergerätekalibrierung.Vector Informatik

Der Applikationsingenieur benötigt für diese Aufgaben ein Werkzeug mit einer Benutzeroberfläche ähnlich wie Microsoft Excel, in der sich beliebige Parameter (Zeilen) gleichzeitig mit beliebigen Spalten (Varianten) darstellen und bearbeiten lassen. Zusätzlich muss es die besonderen Erfordernisse der Kalibrierung (ASAM-Standard-Formate wie CDF2.0, Kennfelder, Diagnoseinformationen) unterstützen.

Zusammenarbeit im Team

Steuergeräteapplikation ist zu großen Teilen Teamarbeit. Diese Teams setzen sich häufig aus Mitgliedern unterschiedlicher Unternehmen zusammen (Fahrzeughersteller, Steuergerätelieferant und Ingenieursdienstleister). Bei der zunehmenden Globalisierung und Spezialisierung gewinnt die effiziente Zusammenarbeit von Applikationsteams daher immer größere Bedeutung. So müssen die Arbeitsergebnisse schnell verteilbar sein, wobei die Vernetzung über E-Mail und Internet hilfreich ist. Um die Daten jedoch zwischen unterschiedlichen Systemen auszutauschen, sind häufig viele manuelle Arbeitsschritte erforderlich – eine zeitraubende und fehleranfällige Angelegenheit. Die Datenverwaltung versetzt die Teams nun in die Lage, die Informationen automatisch zu verteilen. Eine Integration des E-Mail-Systems informiert alle Beteiligten über Datenänderungen, neue Freigaben und Softwareänderungen. Dadurch ist gewährleistet, dass die Teams zeitnah auf einem identischen Datenstand arbeiten.

Ebenso wichtig wie eine automatisierte Verteilung ist die Verfügbarkeit der Daten an Orten mit schwieriger Netzwerkanbindung. Idealerweise lässt sich ein Applikationsprojekt aus der zentralen Datenbank auf den Laptop eines Ingenieurs auschecken, sodass es im lokalen Netzwerk für den gemeinsamen Zugriff verfügbar ist.

Datenmanagement im Unternehmen

Eine Lösung für das Datenmanagement ist naturgemäß eng in die Werkzeugkette für die Entwicklung elektronischer Systeme eingebunden. Die Änderungen in den Applikationsdaten haben einen direkten Bezug zu Anforderungs-Management-Systemen, Change-Management-Systemen und vielen anderen ALM-Anwendungen (ALM: Application Lifecycle Management). Leistungsfähige CDM-Systeme zeichnen sich durch hohe Flexibilität aus und lassen sich über Automatisierungsschnittstellen, APIs (Application Programming Interfaces) oder Webservices in bestehende Systeme einbetten. Über eine Integration mit OSLC (Open Services für Lifecycle Collaboration) ist es beispielsweise möglich, eine durchgängige Nachvollziehbarkeit von Änderungen zu realisieren.

Anpassung an Besonderheiten

Insbesondere beim Einsatz über Bereichsgrenzen hinweg stellen sich an ein CDM-System besondere Anforderungen. Denn die Arbeitsweise bei der Kalibrierung eines Chassis-Controllers unterscheidet sich spürbar von der eines Motorsteuergeräts. Durch die jeweils unterschiedlichen Anforderungen aus Steuergerät und Organisation haben sich verschiedene Arbeitsweisen etabliert und bewährt. Daher ist es bei der Einführung des Datenmanagements wichtig, die verschiedenen Arbeitsmodalitäten der Fachbereiche bestmöglich abzubilden, anstatt einen Standardprozess vorzugeben.

Eine skalierbare Lösung für alle Anwendungsfälle

Prozesssicherheit, hohe und konsistente Datenqualität sowie effizientes Variantenmanagement sind die Grundvoraussetzungen für erfolgreiche Kalibrierprojekte. Vector Informatik bietet hierfür weitreichende Unterstützung – vom Einzelarbeitsplatz bis zur Unternehmenslösung. Das CDM Studio genannte Tool dient dem Applikationsingenieur als Werkzeug zum Bearbeiten von Parametersatzdateien (Bild 3). Die bei der Steuergerätekalibrierung entstandenen Parameter lassen sich komfortabel anzeigen, gegenüberstellen und bearbeiten. Aufgrund der vielfältigen Import-Möglichkeiten spielt die Herkunft der Parameter nahezu keine Rolle. CDM Studio unterstützt alle gängigen Mess- und Kalibrierwerkzeuge wie CANape, INCA, MARC und andere.

Arbeiten mehrere Applikateure im Team, sind Lösungen zur sicheren Datenablage und Datenverwaltung gefragt. Bei vCDM handelt es sich um eine datenbankgestützte Plattform für Applikationsteams und ganze Unternehmen. Mithilfe von Arbeitspaketen und Berechtigungen vermeidet das System Datenkonflikte; es erkennt und löst Überschneidungen und erlaubt das lückenlose Verfolgen von Datenänderungen.

Eckdaten

Bei der Steuergerätekalibrierung sind zehntausende Daten für jede einzelne Fahrzeugvariante zu ermitteln und zu verwalten. Für die geforderte Qualität ist ein sicherer Prozess sowie eine durchgängige Tool-Unterstützung notwendig.

Durch die Verwaltung von Abhängigkeiten, die automatische Berechnung von Parameterwerten und die Wiederverwendung von Arbeitspaketen bleibt auch eine große Anzahl von Varianten sicher beherrschbar. Das Ergebnis sind konsistente Datenstände mit einer hohen Datenqualität, die sich mit Data-Mining und Report-Funktionen für weitere Qualitäts- und Effizienzsteigerungen nutzen lassen. Zur grafischen Darstellung und Verarbeitung von Applikationsdaten schließlich dient das integrierte CDM Studio. Somit stehen verschiedene Lösungen mit demselben Look&Feel zur Verfügung, sodass die Anwender direkt zwischen unterschiedlichen Anwendungsfällen wechseln können.

Auch die Berücksichtigung der Arbeitsweisen unterschiedlicher Fachbereiche oder Unternehmen ist unabdingbar, wie Wolfgang Löwl (Gruppenleiter Tool-Entwicklung bei Bosch im Bereich Powertrain) bestätigt: „Gemeinsam mit Vector hat Bosch ein leistungsfähiges CDM-System entwickelt, das unsere speziellen Anforderungen voll erfüllt. Es ist seit zehn Jahren erfolgreich im Einsatz.“

Ausblick

In der Zukunft wird es immer wichtiger, die enormen Datenmengen nicht nur qualitätssteigernd sondern auch wertsteigernd einzusetzen. So ist es möglich, mit Datamining-Algorithmen aus der Historie bestehender Applikationsdaten automatisch neue Bedatungen zu generieren. Diese Bedatungen können dann mit speziellen Modellen validiert werden. Auf diese Weise lassen sich zukünftig immer mehr Aufgaben aus dem Fahrzeug ins Büro verlagern.

Dipl.-Ing. Stephan Herzog

ist bei Vector Informatik als Business Development Manager für den Bereich Messen und Kalibrieren zuständig.

Dipl.-Ing. Andreas Patzer

ist bei Vector Informatik als Teamleiter in der Produktlinie Measurement & Calibration für Customer Relations and Services verantwortlich.

Dipl.-Inf. Michael Vogel

ist bei Vector Informatik als Business Development Manager für vCDM verantwortlich.

(av)

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