Ermuntert zum offenen Dialog zwischen OEM und EMS: Matthias Holsten, Geschäftsführer der Plath EFT GmbH (rechts), mit Hubertus Andreae, Referent und Prozessberater der Elektronikindustrie.

Ermuntert zum offenen Dialog zwischen OEM und EMS: Matthias Holsten, Geschäftsführer der Plath EFT GmbH (rechts), mit Hubertus Andreae, Referent und Prozessberater der Elektronikindustrie. Plath EFT

Rund 60 Geschäftsführer, Einkaufs- und Technikleiter von Unternehmen, die Produkte bei der Plath EFT fertigen, bildeten das Forum der Tagung. Sie waren gekommen, um praktische Anregungen über die vom EFT-Geschäftsführer Matthias Holsten initiierte Veranstaltungsidee mit nach Hause zu nehmen: partnerschaftliche Zusammenarbeit praktizieren und deren Umsetzung effizienter anzugehen.

Der Ausgangspunkt waren denn auch die offenen Worte von Hubertus Andreae, externer Prozessberater und Referent in der Elektronikbranche: „Misserfolg ist meist kein Indikator für die Marktsituation, sondern ein Indiz, dass man Prozessschwächen nicht in den Griff bekommt“. Im weiteren Verlauf setzte er sich, sowohl aus der Sicht von OEM wie auch der der EMS, mit der gesamten Prozesskette im Detail auseinander, ohne das eigene Geschäft der Anwesenden zu offenbaren.

„Löchern Sie uns mit Fragen“, forderte Matthias Holsten die anwesenden Kunden, als im Anschluss die Besichtigung des Engineering und der Fertigung bei der Plath EFT in kleinen Gruppen begann. Auch hier war der Leitgedanke „qualitative Zusammenarbeit“ Programm.

Das Fazit: Beide Seiten, OEM wie EMS, bestätigten die hohe gegenseitige Verzahnung im Projektprozess. Sie positiv zu verstehen gelänge, so Hubertus Andreae, nur in der Bereitschaft zur besseren Prozess- und Informationsvernetzung. Hier täte die OEM-Seite gut daran, mehr Beratungskompetenz aus den Reihen der EMS zu akzeptieren und anzunehmen. Die Produktbegleitung durch EMS sei notwendig, das Alleinemachen schon aus finanziellen Gründen der falsche Weg. Allerdings sollten beide Partner methodische Ansätze entwickeln, die zu geringeren Gemeinkosten und zur Leistungssteigerung führen.

Synergieeffekte besser nutzen

Die Datenerhebung spiegelt nur ein ungefähres Bild der Elektronikbranche: In Deutschland gibt es, laut Angaben von Andreae, rund 350 bis 400 EMS-Unternehmen. Sie erwirtschaften aus einem jährlichen Produktionsvolumen von rund 24 Mrd. Euro einen OEM-Projektumsatz von ca. 2 Mrd. Euro – und damit unter 10 %.

Immer schneller reagierende Märkte stellen die OEM unter einen enormen Druck: In der Folge werden von einem typischen EMS-Dienstleister (15 bis 20 Mio. Euro Umsatz) jährlich rund 500 Kundenanfragen abgefordert, von denen letztendlich 20 % in konkrete Projekte der Auftragsfertigung übergehen. Dass hierbei ein Kostenfaktor von ca. 1.000,- Euro pro Kalkulation zu Buche schlägt, ist bei vielen EMS-Dienstleistern nicht präsent– oder die Tatsache wird verdrängt.

Der notwendige Zeitvorsprung gegenüber dem Wettwerber, ein Produkt just-in-time auf den Markt zu bringen, wird am besten im engen Zusammenspiel mit dem EMS auf den Weg gebracht – das Bewusstsein, beiderseitig Synergien zu nutzen, ist, so Hubert Andreae, dringend angesagt. So ist es nach seiner Erfahrung bei Terminverschiebungen oberstes Gebot, die Termin- mit der Prozesskette laufend miteinander abzugleichen. Hilfreich und effizient sei zudem ein unmissverständliches, gegenseitig transparentes Auftragsmanagement.

Klare Lieferbedingungen und unzweifelhafte Konditionen festigen die Geschäftsbeziehung, gerade bei speziellen EMS-Dienstleistungen, die den Auftragsgeber merklich entlasten. „Es ist ein Irrglaube, dass vermeintlich kostenlose EMS-Services nichts kosten“, so Andreae. Das Ziel beider Parteien sollte es sein, die Beziehung stabil zu gestalten, durch bessere Prozessvernetzung. Fände keine Aufarbeitung der kritischen Punkte statt, träten beim EMS-Wechsel die gleichen Probleme wieder auf. „Bloßes Rosinenpicken führt zur Nomadisierung, partnerschaftliche Zusammenarbeit bleibt da aus“, so Andreae.

Standort Deutschland – ein Handicap?

„Wir haben keinen Standortvorteil in der Elektronikbranche, wenn man nicht die Gesamtkosten betrachtet“, grenzte Hubertus Andreae die Frage nach dem vermeintlichen Standortnachteil Deutschland ein. Nicht selten würden Auftraggeber gerade die alltäglichen Umgangsschwierigkeiten mit geografisch fernen EMS-Dienstleistern ausblenden. Es fehle die Rückbesinnung auf jene Werte, die die Wahl eines deutschen Dienstleisters aus qualitativen und finanziellen Gesichtspunkten sinnvoll macht. So seien die vereinfachte Kommunikation, kürzere Transportzeiten und schnellere Reaktionsfähigkeit im Eil- oder Schadensfall ein Mehr an Sicherheit. Genau betrachtet führe die Wahl eines deutschen EMS-Unternehmens auch zu deutlich reduzierten Transport- und Pufferlagerkosten, zu krisensicherer Geschäftsgestaltung, ohne kulturelle Differenzen.

Mehr jedoch als die gebotene Prozessoptimierung und das bereichs-übergreifende Supply Chain Management sei nach Aussagen des Berliner Unternehmensberaters der allseits vorherrschende Innovationsdruck, der für den Standort Deutschland spricht. Hier böte sich den EMS-Betrieben mit ihrer Kompetenz die Chance, für den Kunden Produkte, Prozesse und Kosten ideenreich zu gestalten. „Der OEM-Auftraggeber muss allerdings bereit sein, das Projekt mit dem EMS-Dienstleister gemeinsam ganzheitlich anzugehen und mit ihm zu bewerten. „Dem Prozessmanagement, der EDV und den Finanzen fällt dabei eine gleichbedeutende Rolle zu. Das ist allerdings erst in wenigen Fällen ausgeprägt“, fasste Andreae das Kern-problem der Elektronikbranche zusammen.

Was EMS von E2MS unterscheidet

Es ist nicht nur der unterschiedliche Blick der am Entwicklung- und Fertigungsprozess Beteiligten, wie sie die Zusammenarbeit verstehen,“ betonte Hubertus Andreae, „ein EMS-Betrieb, der mehr als reine Auftrags-fertigung zu bieten hat muss lernen, mit seine Kompetenzen entsprechend nach außen zu gehen.“

Wie weit der Blick über den eigenen Tellerrand der Fertigung hinausgehen kann, zeigten die beiden Plath EFT-Referenten Friedrich Vogt und Hartmut Koch, Leiter des Engineering und der Fertigung, in der Präsentation ihres Hightech-Unternehmens. Stünden konventionelle EMS-Betriebe für Fertigung, Test und Prüfung der Produkte sowie für das Material-management, so brächten Mitbewerber, die das „Electronic Engineering“ böten, deutlich mehr Erfahrung und Fähigkeiten mit ins Spiel. „Wir bedienen mit der Luftfahrtindustrie und die Verteidigungstechnik eine anspruchsvolle Klientel“, äußerten Vogt und Koch. Sie unterstrichen damit, das höchste Maß an Zuverlässigkeit und Sicherheit erzielen zu können.

Das schafft Wissenshintergrund bei der Konstruktion, dem PCB-Design und beim Produktdatenmanagement, der letztendlich jedem Kunden zugute kommt, betonten die beiden Experten. Fast 60 Jahre Erfahrung, genährt durch den Know-how-Transfer der Muttergesellschaft, der Hamburger Plath GmbH, stünden so bei jedem Auftrag bereit. „Wir wollen erreichen, dass unsere Kunden uns als Mitgestalter von langfristig effizienten Lösungen in der gesamten Prozesskette verstehen. Darin liegt der Mehrwert, der uns alle in die ersehnte Win-Win-Sitiuation bringt“, zog Plath EFT-Geschäfts-führer Matthias Holsten am Ende des Tage sein ganz persönliches Resümee.

Rainer Schoppe

: IMA-Institut, Hamburg.

(hb)

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