Wie steht’s mit der Geschäftsentwicklung im Elektro-Bereich generell? Wo sind die Stärken dieses mittelständisch geprägten Bundeslandes? Einige Highlights aus den Technologie- und Produktbereichen runden den Report ab. 

Baden-Württemberg ist eine der führenden Technologieregionen Europas – exportstark mit einer hohen Dichte an Forschungseinrichtungen. Der deutsche Südwesten gehört zu den erfolgreichsten Gegenden mit einem hohen Anteil an Beschäftigten in Hochtechnologie- und Zukunftsbranchen. Der Erfindergeist hat im Tüftlerland Tradition. Baden-Württemberg liegt bei der Innovationsfähigkeit innerhalb der Europäischen Union auf Platz 1. Nirgendwo in Europa werden mehr Patente angemeldet als in Baden-Württemberg. Auf die innovativen Nachfahren von Johannes Kepler, Philipp Matthäus Hahn, Gottlieb Daimler, Carl Friedrich Benz und Graf Zeppelin geht knapp ein Viertel aller jährlichen Patentanmeldungen in Deutschland zurück.

Der drittstärkste Industriezweig

Mehr als ein Viertel der deutschen Elektronikindustrie befindet sich in Baden-Württemberg und generiert knapp ein Fünftel des Umsatzes der Gesamtbranche.  Mehr als 6600 Unternehmen mit Produkt- und Dienstleistungskompetenzen sind in Deutschlands Südwesten der Elektronikindustrie zuzurechnen. Knapp 210.000 Menschen erwirtschaften einen Umsatz von über 43 Milliarden Euro. Nach dem Maschinenbau und der Automobilindustrie ist die Elektronikindustrie der drittstärkste Industriezweig innerhalb des Verarbeitenden Gewerbes im „Ländle“. Die breitgefächerte Branche Elektronik und Elektrotechnik umfasst die Bereiche Industriesteuerung, Kommunikationstechnik, Bauelemente der Elektronik, Mikrosysteme und elektrotechnische Geräte. Weltfirmen wie Siemens, Bosch und ABB entwickeln, forschen und produzieren an ihren Standorten in Baden-Württemberg in dieser Branche. Etwa die Hälfte des Umsatzes wird über den Export erzielt.

So hat beispielsweise Bosch im Frühjahr 2009 eine Kooperation mit Infineon zur Lizenzierung von Herstellungsprozessen für Niederspannungs-Power-MOSFETs und zur Second-Source-Belieferung vereinbart. Das Unternehmen unterhält seit 1971 Halbleiterwerke in Reutlingen. Seit 1995 ist dort eine 6-Zoll-Fab in Betrieb. Im März 2010 wurde eine neue 8-Zoll-Fab für 200-mm-Wafer für das Automobilelektronikgeschäft eröffnet, die 600 Millionen Euro kostete. Im Endausbau, der bis 2016 geplant ist, werden dann jeden Tag bis zu vier Millionen Chips gefertigt. Zu diesem Zeitpunkt werden rund 800 Menschen  in der Waferfab beschäftigt sein.

In dieser Region ist der Anteil kleiner und mittelständischer Unternehmen besonders stark ausgeprägt. Auch im Frühsommer dieses Jahres steuert  die Wirtschaft in Baden-Württemberg auf stabilem Kurs weiter: Nahezu die Hälfte der Unternehmen gibt eine gute Geschäftssituation an, nur sechs Prozent sind aktuell nicht zufrieden. Zu diesem Ergebnis kommt die neue Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammern (IHK) in Baden-Württemberg, an der sich über 4000 Unternehmen beteiligt haben. Im Vergleich zum Jahresbeginn sind die Betriebe wieder optimistischer: Fast dreißig Prozent erwarten bessere Geschäfte als im vergangenen Jahr. Rund 60 Prozent gehen von einer gleichbleibenden Entwicklung aus, nur etwa zwölf Prozent rechnen mit einer Verschlechterung ihrer Geschäfte. Eine im Vergleich zum Jahresbeginn verbesserte Nachfragedynamik trägt zu der positiven Stimmung bei. Einen Rückgang der Nachfrage melden nur noch zwölf Prozent der Unternehmen (Jahresbeginn: 16 Prozent), eine verbesserte Auftragslage geben dagegen 30 Prozent der Unternehmen an (Jahresbeginn: 24 Prozent) an. Die IHK-Studie besagt weiter: Vier von zehn aller auslandsorientierten Südwestbetriebe rechnen mit steigenden Exporten in den kommenden zwölf Monaten. Mehr als die Hälfte erwartet Auslandsgeschäfte auf konstant hohem Niveau, nur jeder zehnte Betrieb befürchtet Exporteinbußen. Die gute Nachfrage kurbelt auch die Inlandsinvestitionen an. Fast 80 Prozent der Betriebe wollen in diesem Jahr gleich viel oder mehr im Inland investieren, nur ein Fünftel investiert in Deutschland weniger oder gar nicht. 

Bauelemente-Distributoren

Zu den erfolgreichen familiengeführten Distributoren elektronischer Bauelemente gehört Rutronik in Ispringen. 1973 hatte Helmut Rudel das Ein-Mann-Unternehmen Rutronik Passive Bauelemente  gegründet und bis heute unter der Leitung vom Geschäftsführungsvorsitzenden Thomas Rudel zum drittgrößten Distributor in Europa mit über 1100 Mitarbeitern und rund 734 Mio. Euro Umsatz (2010) gebracht. Das mittlerweile weltweit agierende Unternehmen hat sich mit dem Markt gewandelt: „Die Welt wird kleiner, Rutronik größer“, so das Motto. Völlig neue Applikationen wie LED-Beleuchtung, erneuerbare Energien oder Smart Metering spielen heute eine wichtige Rolle für die Bauelemente-Distribution. Im Vertriebsprogramm befindet sich seit kurzem beispielsweise das speziell auf die Anforderungen von LED-Beleuchtungsanwendungen ausgerichtete Molex-Steckverbindersystem Flexi-Mate mit einem umfassenden Spektrum von Board-to-Board- und Wire-to-Board-Anschlussmöglichkeiten. Zum Rutronik-Firmenverbund gehören auch Discomp (Massenspeicher), Rusol Energy (Photovoltaik-Lösungen) und BEK Systemtechnik (Fertigung elektronischer Baugruppen und Geräte).

Das Molex-Steckverbindersystem Flexi-Mate mit einem umfassenden Spektrum von Board-to-Board- und Wire-to-Board-Anschlussmöglichkeiten.

Das Molex-Steckverbindersystem Flexi-Mate mit einem umfassenden Spektrum von Board-to-Board- und Wire-to-Board-Anschlussmöglichkeiten.Rutronik

Ein weiterer wichtiger Bauelemente-Distributor ist der 1979 gegründete Firmenverbund aus MSC Vertriebs GmbH, Stutensee und Gleichmann & Co. Electronics GmbH, Frankenthal. Er gehört heute zu den größten und expansivsten Distributoren für Elektronische Bauelemente in Europa. Zu den Lieferanten zählen über 70 europäische, amerikanische und asiatische Bauelementehersteller wie zum Beispiel Samsung, Renesas, Hitachi, NEC, Atmel, Actel, Lattice, Macronix, SanDisk, Hynix und so weiter. Im Vordergrund stehen dabei beratungsintensive Produkte wie Mikrocontroller und -prozessoren, programmierbare Logikbausteine, Grafik- und TFT-Displays, Speicherkomponenten und -module, elektromechanische und optoelektronische Komponeten sowie Board Level Produkte. Ergänzt wird das Dienstleistungsspektrum durch einen umfangreichen Programmierservice, die analytische Röntgeninspektion der Baugruppen sowie thermografische Dienstleistungen. Eines der aktuellsten Produkte sind beispielsweise die Optokoppler  PS9924 und PS9905 von Renesas Electronics. Besonders lange Kriechstrecken von mindestens 14,5 mm und eine Isolationsspannnung von 7500 Veff sind die Hauptmerkmale der im neuartigen 8-Poligen Long Shrink Dual Inline Package (LSDIP) untergebrachten ICs (Bild B).  Durch maximale Signallaufzeiten von 75 ns bei 25 °C und typischen Werten von 40 ns lässt sich eine maximale Kommunikationsbandbreite von 10 MBit/s erreichen.

Die Optokoppler  PS9924 und PS9905 von Renesas Electronics mit besonders langen Kriechstrecken von mindestens 14,5 mm.

Die Optokoppler PS9924 und PS9905 von Renesas Electronics mit besonders langen Kriechstrecken von mindestens 14,5 mm. MSC

Messtechnik

Auch im Messtechnikbereich hat Baden-Württemberg einiges zu bieten. Der Messtechnik-Hersteller Agilent hat in Böblingen seinen zweitgrößten Standort außerhalb der USA. Viele werden sich noch an Wandel & Goltermann erinnern, die schon seit geraumer Zeit amerikanisch geworden sind, jetzt als JDSU firmieren. Aber es gibt nach wie vor auch Messtechniker die dem Bundesland treu geblieben sind. Der Messtechnik-Distributor Datatec ist hier wohl an erster Stelle zu nennen; lesen Sie dazu ein Interview mit dem Gründer Hans Steiner auf Seite 21 in diesem Heft. Aber auch Ipetronik in Baden-Baden hat sich seit der Gründung 1989 zu einem führenden Unternehmen in mobiler Messtechnik in der Automobilindustrie entwickelt. Ein umfangreiches Portfolio von Messmodulen, Datenloggern, Sensoren und Software vereint modulare Messtechnik mit dem Know-how aus der Analogmesstechnik und der Busmesstechnik an gängigen Automobilnetzwerken, einschließlich der zugehörigen Protokolle zur Steuergerätekommunikation. Interessant beispielsweise das als M-LOG Video-Extender bezeichnete Modul in Zwei- und Vier-Kanal-Version inklusive Videokameras. Für Anwendungen im Fahrzeuginnenraum konzipiert, ermöglicht der Video-Extender eine ereignisgesteuerte Aufzeichnung mit einstellbarer Pre- und Post-Triggerzeit im Bereich von einer bis 60 Sekunden.

Elektromechanik

Wer an Elektromechanik und 19“-Technik denkt, kommt an dem 1962 von Gunther Schroff in Straubenhardt gegründeten Unternehmen nicht vorbei. Heute ist es ein weltweit führender Entwickler und Hersteller von Elektronik-Packaging-Systemen und gehört seit 1992 zum US-amerikanischen Pentair-Konzern. Das Standardproduktprogramm reicht von Schränken, Gehäusen und Baugruppenträgern über Stromversorgungen, Backplanes bis hin zu Mikrocomputer-Aufbausystemen. Beispielhaft seien hier zwei neue 4 HE-CompactPCI Serial-Systeme als Tischgehäusen genannt. Diese Systeme sind 4 HE hoch, 44 TE breit, 275 mm tief und haben im Frontbereich zwei integrierte Griffe, was die Eignung für den mobilen Einsatz und für Laboranwendungen unterstreicht. Als Backplane ist entweder eine 3 HE 9 Slot CompactPCI Serial-Backplane oder eine 3 HE 8 Slot CompactPCI PlusIO-Backplane integriert. Der Systemslot kann standardmäßig mit einer 4 TE breiten CPU-Karte oder nach dem Entfernen einer 4 TE breiten Frontplatte mit einer 8 TE breiten CPU-Karte (doppeltbreiter Systemslot) bestückt werden.

Ein weiterer Vertreter der Elektromechanik ist RAFI, mit Sitz in Berg bei Ravensburg. Über 100 Jahre Know-how in der Mensch-Maschine-Kommunikation haben das Unternehmen zu einem führenden Hersteller von Bediensystemen und elektromechanischen Komponenten sowie einer der zehn größten EMS-Anbieter Deutschlands gemacht. RAFIX 22 FS+, Slim and Fast – das Spektrum an Betätigern deckt alle Einsatzbereiche ab und reicht von beleuchtbaren Drucktastern mit hervorstehender oder flacher Blende über Wahl-, Schlüssel- und Pilzdruckschalter bis hin zu verschiedenen Not-Halt-Tastern. Ebenfalls zählen Leuchtvorsätze, Potenziometer-Antriebe und robuste USB-Durchführungen zum RAFIX FS 22+-Sortiment.

Ein weiterer global Player aus dem Bereich Elektromechanik ist Erni Electronics, mit Sitz in Adelberg und eigenen Niederlassungen in Europa, Nordamerika und Asien. Das 1956 gegründete Unternehmen gehört zur internationalen Firmengruppe der Erni International. Entwickelt und gefertigt wird ein breites Spektrum an Steckverbindern, Backplanes und Komplettsystemen, Lötbaugruppen und Kabelkonfektionen. Im Bereich elektrische Steckverbinder gemäß der DIN-41612-Norm zählt das Unternehmen zu den weltweit größten Herstellern. Die momentane Produktpalette erstreckt sich über PCB-Steckverbinder, I/O-Steckverbinder, Backplanes, Kabel mit Steckverbindern, Gehäuse, Systeme, Werkzeuge und Pressen. Vom Design bis zur Fertigung erfolgt eine 100%-Kontrolle. Alle Metallteile, wie Kontakte und Schirmungen sowie die darauf abgestimmten Kunststoffkomponenten, wie Isolierkörper und Gehäuse werden selbst entwickelt und gefertigt.

(jj/ah)

Sie möchten gerne weiterlesen?