Bis vor kurzem wäre für die Überwachung per EKG ein entblößter Brustkorb des Fahrers sowie der Einsatz von nassen Elektroden mit einem bestimmten Gel wie beim Gesundheits-Checkup erforderlich gewesen. Gel und Hautkontakt sind nicht mehr erforderlich, weil die Messung mit dem neuen Sensor von Plessey durch Bekleidung und Sitzpolsterbezüge hindurch erfolgt.

Berührungslose Überwchung der Vitalfunktionen

Berührungslose Überwchung der VitalfunktionenPlessey

DDD (Driver Drowsiness Detection) heißen Fahrerassistenzsysteme, die erkennen, wenn der Fahrer übermüdet ist. Meist geschieht dies durch Auswertung der Lenkbewegungen. Eine viel effektivere Methode besteht darin, die Herztöne im Rahmen eines EKGs (Elektrokardiogramm) zu überwachen, weil der Herzrhythmus sich bei einsetzender Müdigkeit verändert. Durch die Überwachung per EKG erhält man den Parameter HRV (Heart Rate Variability; Veränderung der Herzfrequenz – für Mathematiker: die Ableitung), der Aufschluss über die Herzfrequenz von Schlag zu Schlag gibt. Hierdurch lässt sich feststellen, wann beim Fahrer Schläfrigkeit oder auch Stress einsetzen.

Der berührungslose EKG-Sensor

Auf der CES (siehe Beitrag Seite 18) stellte Plessey den EPIC (Electric Potential Integrated Circuit) genannten Sensor der Öffentlichkeit vor. Es handelt sich dabei im Wesentlichen um ein kapazitiv gekoppeltes Elektrometer, das einen Verstärker mit einer extrem hohen Eingangsimpedanz von 50 GΩ bei 10 pF Eingangskapazität verwendet und somit nahezu keine Energie vom Messobjekt aufnimmt. Dieser Sensor kann daher sowohl Veränderungen der elektrischen Ladung wahrnehmen und so elektrische Felder messen, als auch Potenzialdifferenzen und somit Spannungen ermitteln. Durch die kapazitive Koppelung lassen sich die Sensoren unter den Sitzbezug eines Fahrzeugs unsichtbar einbauen – beispielsweise unter Leder, Baumwolle und diversen Kunstfasern.

Beim Atmen verändert das Auf und Ab des Brustkorbs das elektrische Feld in der Umgebung, das der EPIC-Sensor ebenfalls detektiert und in ein deutliches niederfrequentes Signal umwandelt, welches der Atemfrequenz entspricht. Ein EKG misst die elektrische Aktivität des Herzmuskels, wobei der EPIC-Sensor hier als Voltmeter fungiert, das Spannungsveränderungen misst, ohne Strom zu verbrauchen. Das EKG-Signal bewegt sich typischerweise im 1-mV-Bereich. Entscheidend für die kapazitive EKG-Messung über Sensoren im Sitz ist die korrekte Platzierung der Sensoren.

Die Erfassung von EKG- und Atemfunktion erfolgt berührungslos über Sensorelektroden im Sitz.

Die Erfassung von EKG- und Atemfunktion erfolgt berührungslos über Sensorelektroden im Sitz.Plessey

Universell einsetzbar

„Plessey verwendet eine Anordnung von EPIC Sensoren, bei der sich mit Fahrern unterschiedlichen Körperbaus optimale Signale erzielen lassen – unabhängig von Größe und Gewicht des Fahrers“, erklärte Steve Cliffe, Business Development Director bei Plessey Semiconductors auf der CES im Gespräch mit AUTOMOBIL-ELEKTRONIK. „Die besten Werte erhält man über den mittleren bis unteren Rückenteil, wo die Signale vom Herz am stärksten sind, zumal in dieser Körperregion wenig Bewegung beim Fahren stattfindet.“

Die Trennung von Atem- und EKG-Signal erfolgt über eine relativ einfache Filterung, und durch die hohe Gleichtakt-Unterdrückung bleiben Störsignale außen vor. „Das im EPIC genutzte System hat sich als absolut resistent gegenüber elektrischen Rausch- und Störquellen innerhalb des Fahrzeugs erwiesen“, betont Steve Cliffe.

Mit speziellen Evaluation Kits will Plessey den OEMs und Zulieferern seinen für den Temperaturbereich von -40 °C bis +85 °C spezifizierten Sensor näherbringen. Diese Kits bestehen aus einer Anordnung von sechs Sensoren, die an der Rückenlehne des Fahrersitzes befestigt werden, sowie aus einer Matte auf dem Fahrersitz, die als Masse dient. Eine Schaltbox ermöglicht es sowohl die Sensoren auszuwählen, die abhängig vom Körperbau des Fahrers die besten EKG-Signale liefern, als auch die besten Einstellungen zur Störsignal-Ausblendung auszuwählen.

Das Kit enthält ein USB-Interface, eine Windows-kompatible Anzeige und Software. Ebenfalls im Kit enthalten sind abnehmbare Sitzbezüge aus Leder und Baumwolle, wie sie in der Automobil-Industrie zum Einsatz kommen. „Eigene Untersuchungen von Plessey haben gezeigt, dass EPIC mehr als 95 % aller Herzschlagspitzen erkannte, die während einer zehnminütigen Probefahrt über eine unebene Straße auftraten“, berichtet Steve Cliffe.

Auch zur Erkennung der Sitzbelegung oder als einfacher berührungsloser Näherungsschalter oder zur Bewegungserkennung verschiedener Funktionen im Fahrzeug eignet sich der Sensor.

Alfred Vollmer

ist Redakteur der Zeitschrift AUTOMOBIL-ELEKTRONIK sowie von all-electronics.de

(av)

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