fig1.jpg

Netzwerkanalysator VectorStar MS4647A.

Netzwerkanalysator VectorStar MS4647A.Anritsu

Da elektronische Systeme und Teilkomponenten immer komplexer werden und mit zunehmend höheren Frequenzen arbeiten, beeinflussen Einbauelemente wie Messadapter aber auch Anpassungsnetzwerke die Performance eines Gerätes teilweise signifikant. Tatsächlich können bei hohen Frequenzen – und 145 GHz sind heutzutage in den modernsten Hochgeschwindigkeits-Datenübertragung keine Seltenheit – durch Adapter, Stecker und Leitungen erzeugte Fehler schwerwiegender sein, als vom Prüfling (Device under Test, DUT) selbst verursachte Fehler.

Infolgedessen rücken Embedding- und De-Embedding-Verfahren zunehmend in den Vordergrund, da sie eine Möglichkeit darstellen, das DUT messtechnisch von Fremdfehlerquellen aus der Peripherie zu separieren. Die Verfahren selbst sind bereits seit Jahren bekannt, allerdings in relativ niederfrequenten Anwendungen nicht sehr weit verbreitet. Für heutige Hochfrequenzanwendungen haben Embedding und De-Embedding entscheidend an Bedeutung erlangt, nur müssen diese Verfahren ordnungsgemäß durchgeführt werden, um Messwertverfälschungen minimal zu halten.

Eckdaten

Um die Übertragungseigenschaften von HF-Schaltungen mit einem Netzwerkanalysator messen zu können, kommen in Messaufbauten häufig Prüfadapter zum Einsatz, deren parasitäre Effekte teilweise signifikante Messfehler verursachen. Mithilfe von Embedding- und De-Embedding-Verfahren lassen sich diese Fehler durch unterschiedliche Kalibrierungsmethoden rechnerisch kompensieren. Beim VectorStar erreicht Anritsu mit HF-Brückenschaltungen für Messungen unterhalb von 2,5 GHz konstantere Leistung am Messabgriff und damit eine genauere S-Parameter-Bestimmung bis herab auf 70 kHz.

Das Prinzip von Embedding und De-Embedding

Für analytische Messungen an HF-Schaltungen (DUT) ist es oft aus Platzgründen nicht möglich, diese direkt und ohne parasitäre Effekte der Messadapter mit einem VNA zu verbinden.

Bild 1: Beim De-Embedding werden zugefügte kalibrierte Einbauelemente (Messadapter) mit gemessen, aber rechnerisch aus dem Messergebnis kompensiert. Embedding erlaubt eine Beurteilung des Zusammenspiels von kalibriertem DUT und Anpassungsnetzwerk.

Bild 1: Beim De-Embedding werden zugefügte kalibrierte Einbauelemente (Messadapter) mit gemessen, aber rechnerisch aus dem Messergebnis kompensiert. Embedding erlaubt eine Beurteilung des Zusammenspiels von kalibriertem DUT und Anpassungsnetzwerk.Anritsu

Ist das Übertragungsverhalten (beispielsweise S-Parameter) von Messadaptern und -leitungen ermittelt, können Messergebnisse vom Prüfaufbau rechnerisch korrigiert werden (De-Embedding), sodass daraus letztlich nur das Übertragungsverhalten des einzelnen DUT übrig bleibt. Parasitäre Effekte von Messadaptern und -leitungen werden quasi ausgeblendet. Das Gegenteil (Embedding) wird manchmal benötigt, um Leistungsfähigkeit eines DUT zusammen mit dem Anpassungsnetzwerk zu beurteilen. Zweck dieser Messverfahren ist somit das Verkleinern oder Erweitern der Messebene (Bild 1). Werden sie allerdings schlecht ausgeführt, kann das einige Fehler nach sich ziehen. So kann etwa ein mangelhaft ausgeführtes De-Embedding-Verfahren in Passivitäts- und Kausalitätsfehlern resultieren.

Ein Passivitätsfehler liegt vor, wenn ein Passivgerät Verstärkungseigenschaften zu haben scheint. Dies kann nachfolgende Simulationen oder Messmodellbildungen verfälschen. Unglücklicherweise können selbst kleine De-Embedding-Fehler große Auswirkungen auf die Modelle haben, die auf fehlerhaften Messergebnissen basieren.

Bei einem Kausalitätsfehler kann möglicherweise ein Ereignis auftreten, das vor dem eigentlichem Impuls stattfindet, der das Ereignis ausgelöst hat. Dies kann bei Messungen mit einem Vektornetzwerkanalysator (VNA) auftreten: Werden Signale nicht über einen ausreichend weiten Frequenzbereich erfasst, können die Transformationsberechnungen des VNA Fehlerursachen anzeigen, bevor diese tatsächlich eingetreten sind.

Es ist daher entscheidend, beim De-Embedding-Verfahren ein Messgerät mit gleichbleibend hoher Genauigkeit über einen breiten Frequenzbereich einzusetzen. Schließlich erfordern es Anwendungen heutzutage, Frequenzen oberhalb von 100 GHz zu messen. Beim De-Embedding für niedrige Frequenzen unterhalb von 1 GHz ist jedoch die gleiche Genauigkeit und Wiederholbarkeit gefordert, um die so genannten DC-Extrapolationsfehler minimal zu halten und somit die Integrität der aus dem Zeitbereich konvertierten Messergebnisse zu wahren.

Bild 2: Augendiagramm basierend auf schlechten Ergebnissen niederfrequenter S-Parameter-Messungen.

Bild 2: Augendiagramm basierend auf schlechten Ergebnissen niederfrequenter S-Parameter-Messungen.Anritsu

Anritsu setzt in Vektornetzwerkanalysatoren der Baureihe VectorStar eine neuartige Architektur ein, die eine hohe Messgenauigkeit über einen weiten Frequenzbereich erreicht. Konventionelle VNA werden über Richtkoppler an HF-Messobjekte angeschlossen. Koppler weisen bei hohen Frequenzen gute Eigenschaften auf, ihre Leistung am Messausgang fällt allerdings unterhalb von etwa 1 GHz deutlich ab, was bei niedrigen Frequenzen zu Fehlern bei S-Parameter-Messungen führt.

Beim VectorStar werden Richtkoppler für HF-Messungen über 2,5 GHz eingesetzt und HF-Brückenschaltungen unterhalb von 2,5 GHz. Dadurch ist die Leistung am Messabgriff sowohl über niedrige als auch über hohe Frequenzen konstanter, wodurch der VNA bis herab auf 70 kHz S-Parameter sehr genau bestimmen kann. Hieraus ergibt sich ein geringer DC-Extrapolationsfehler bei der Konvertierung in den Zeitbereich beziehungsweise bei der Simulation von Augendiagrammen im Zeitbereich.

Bid 3: Augendiagramm basierend auf guten niederfrequenten S-Parameterdaten bis an die Untergrenze von 70 kHz.

Bid 3: Augendiagramm basierend auf guten niederfrequenten S-Parameterdaten bis an die Untergrenze von 70 kHz.Anritsu

Bei der Entwicklung von Baugruppen für serielle Hochgeschwindigkeits-Datenübertragung bedeuten genauere Simulationsergebnisse weniger Konstruktionsänderungen für die Ingenieure, was letztlich den gesamten Designzyklus beschleunigt.

Bei einer klassischen Baugruppensimulation führt ein abfallender Signalpegel im NF-Bereich zu fehlerhaften S-Parametern und einem unbrauchbaren Augendiagramm (Bild 2). Bei konstanterem Signalpegel bis herab auf 70 kHz bringt die Simulation genauere S-Parameter und ein verwendbares Augendiagramm hervor (Bild 3).  Schließlich zeigt Bild 4 Messungen an einer Backplane (Bus-Platine) mit einer Leiterlänge von etwa 102 cm, deren Simulationen in Bild 2 und 3 dargestellt sind. Hierbei kamen ein Bitfehlerraten-Prüfgerät (BER-Tester) Typ MP1800 von Anritsu sowie ein Oszilloskop für die eigentliche Messung der Augendiagramme zum Einsatz. Bild 3 und 4 zeigen eine weitgehende Übereinstimmung, während Bild 2 und 4 den Fehler bei ungünstiger Messsignalauskopplung verdeutlichen.

Bild 4: Resultierendes Augendiagramm am Ausgang einer Backplane.

Bild 4: Resultierendes Augendiagramm am Ausgang einer Backplane.Anritsu

Verfügt der Anwender über einen Vektornetzwerkanalysator, der über einen breiten Frequenzbereich exakte Messergebnisse liefert, stellt De-Embedding eine zuverlässige Möglichkeit zur Lokalisierung der Messebene am DUT beziehungsweise im zu messenden Netzwerk dar.

Welche Methoden stehen dem Anwender für das De-Embedding zur Verfügung?

Kompensation von Messadaptern

Gelegendlich erfordern Messungen an einem DUT die Verwendung von Messadaptern wie beispielsweise Koppelstecker mit SMA- und N-Anschluss. Weil ein solcher Messadapter immer eine gewisse Phasenlänge besitzt und ebenso Verluste wie auch Fehlanpassungen aufweist, sollten dessen Einflüsse korrigiert werden, bevor eine Kalibrierung des gesamten Messaufbaus erfolgt.

Bild 5: Kalibrierbezugsebenen für die Kompensation von Adaptern.

Bild 5: Kalibrierbezugsebenen für die Kompensation von Adaptern.Anritsu

Kommen zwei Messadapter am Eingang und Ausgang des DUT zum Einsatz, ist für jeden einzelnen eine vollständige 12-Term-Kalibrierung erforderlich, wobei sich immer nur ein Adapter innerhalb der Kalibrierbezugsebene befindet (Bild 5). Prinzipiell sollten alle Adapter bei denselben Frequenzen vermessen werden.

Nun ermittelt die Kalibrierung die elektrische Länge des Messadapters, welche innerhalb von ¼ λ des Kalibriersignals liegen sollte. Der Wert wird in den VNA eingegeben, um das Übertragungsverhalten dieses Adapters bei Korrekturberechnungen für spätere Messungen zu berücksichtigen. In den S-Parametern sollte der Adapter reziprok sein – daran zu erkennen, dass die Messergebnisse zu S21 und S12 identisch sind.

Wichtig ist auch, dass Kalibrierungssets Messnormale für Reflexions- und Transfer-Messungen enthalten, die zudem ein Kalibierprotokoll haben. Hersteller von hochwertigen HF-Messnormalen charakterisieren deren Leistungswerte präzise, da jede Baugruppe über individuelle und einmalige Eigenschaften verfügt. Die Kalibrierdaten der verwendeten Messnormale können vor der eigentlichen Kalibrierung in den VNA eingetragen werden.

Bild 6: Messaufbau für die Eintor-Kalibrierung.

Bild 6: Messaufbau für die Eintor-Kalibrierung.Anritsu

Eintor-Kalibrierung

Die Kalibrierung nach Bauer-Penfield wird zuweilen auch als Eintor-Kalibrierung bezeichnet. Dabei werden zwei Eintor-Kalibrierungen durchgeführt. Eine davon mit offenem Ende, die andere mit angebrachtem Messadapter beziehungsweise Kalibriernormal (Bild 6).

Für beide Kalibrierungen müssen die Arbeitsfrequenzbereiche identisch sein. Dieses Verfahren ist am besten für Messungen für Transfer-Kalibriernormale mit komplexer Übertragungsfunktion geeignet und kann in Multiport-Anwendungen eingesetzt werden. Es ist nützlich bei Anwendungen mit Messsonden: Eine Kalibrierung wird an der Koaxialschnittstelle durchgeführt, die andere am Ende der Sondenspitze.

Von besonderer Bedeutung ist die Reproduzierbarkeit, vor allem bei höheren Frequenzen, was eine sorgfältige Handhabung des Messaufbaus erfordert. In On-Wafer-Anwendungen ist zum Beispiel die gute Platzierung des Kalibrier-Wafers und der Sondenspitzen notwendig, um das für das De-Embedding vorgesehene Einbauelement charakterisieren zu können. Eine ungünstige Platzierung resultiert in empfindlichen Wechselwirkungen mit dem Wafer wodurch Fehlerstellen und somit Reflexionen verursacht werden, die zu ungenauen Messergebnissen führen. Je höher die Frequenz, umso anfälliger sind die Auswirkungen auf eine mechanische Verschiebung der Sondenspitze.

Bild 7: Messaufbau für eine Innen-/Außen-Kalibrierung.

Bild 7: Messaufbau für eine Innen-/Außen-Kalibrierung.Anritsu

Innen-/Außen-Kalibrierung

Beim Innen-/Außen-Kalibriervorgang werden Zweitor-Kalibrierungen an jeweils zwei Stellen auf der äußeren und inneren Bezugsebene durchgeführt (Bild 7).

Durch die Konfiguration des Netzwerks und/oder des DUT können die Kalibrierungen auf der inneren Bezugsebene komplex werden. Im Gegensatz zu vorhergehenden Kalibrierungsmethoden charakterisiert dieses Verfahren die Einbauelemente vollständig und erfasst gleichzeitig die Netzwerke.

Da die inneren Kalibrierungen schwierig zu realisieren sind, wird diese Methode heutzutage kaum noch angewendet. Wenn die Kalibrierung jedoch gelingt, kann das Endergebnis stabiler sein als bei der Adapterkompensation oder Eintor-Kalibrierung. Dieses Verfahren ist zudem weniger anfällig für Reproduzierbarkeitsprobleme und lässt die Verwendung von leicht fehlerhaften Kalibriernormalen zu.

Außenkalibrierungen unter Verwendung von Back-to-Back-Einbauelementen

Bild 8: Messaufbau für das Back-to-Back-De-Embedding.

Bild 8: Messaufbau für das Back-to-Back-De-Embedding.Anritsu

Anstelle sich auf Kalibrierreihen zu verlassen, nutzt dieses Verfahren eine einfache Back-to-Back-Messung paarweiser Hälften von Einbauelementen durch Anwendung einer einzigen vollumfänglichen Zweitor-Kalibrierung (Bild 8). Diese Methode ist geeigneter, wenn der Einsatz von Kalibriernormalen auf der inneren Bezugsebene nicht möglich ist. Die Impedanz der Einbauelemente muss jedoch gut angepasst sein (Match).

Die oben genannten Verfahren werden beim De-Embedding von modernen Messapplikationen am häufigsten eingesetzt. Dennoch unterstützt ein technisch ausgereifter VNA wie der VectorStar von Anritsu eine Vielzahl anderer De-Embedding-Aufgaben wie beispielsweise:

  • Innen-/Außen-Kalibrierung mit vier Mess-Toren, meist für Applikationen mit nicht-gekoppelten Multiport-Einbauelementen
  • Messung von gekoppelten und nicht-gekoppelten Systemen mit vier Mess-Toren, wobei sich die Abhängigkeit hauptsächlich auf die Qualität der verwendeten Leitungen bezieht.

Dieser Artikel erklärt Ziele von Embedding und De-Embedding bei Messungen mit einem Vektornetzwerkanalysator und zeigt, wie sich diese Verfahren bei einer Reihe physischer Situationen mithilfe eines VectorStar MS4647A von Anritsu in die Praxis umsetzen lassen.

Paul Holes

ist Field Applications Engineer (HF- und Mikrowellenprodukte) bei Anritsu in Großbritannien.

(jwa)

Sie möchten gerne weiterlesen?

Unternehmen

Anritsu GmbH

Konrad-Zuse-Platz 1
81829 München
Germany