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Manfred Scheuerer, BMW: "Für uns ist es wichtig, dass die Roboter in der Anlage sieben Jahre lang störungsfrei laufen."Helukabel

Nahe Regensburg im bayerischen Elsendorf werden im Dreischichtbetrieb rund 700.000 Türen im Jahr für den BMW X1 mit Punktschweißzange und Klebepistole zusammengebaut. Wie im Automobilbau üblich, übernehmen auch dort Roboter weitestgehend die Arbeit. 76 Großserienroboter stehen in der riesigen Halle, aufgeteilt auf vier Anlagen. Damit die Roboter ihre Arbeit verrichten können, müssen Strom, Kühlwasser, Daten und Klebemittel via Kabel oder Schlauch bis zum Werkzeugkopf am Ende des Roboterarms geführt werden. Neben den standardisierten technischen Spezifikationen der Kabel und Schläuche für die jeweiligen Werkzeuge definiert BMW dazu auch qualitative Anforderungen. Diese sind als Formel im Lastenheft hinterlegt und berechnen sich aus der maximal tolerierten Stillstandszeit der Anlage. Sieben Jahre lang soll die Anlage möglichst störungsfrei laufen.

Da Roboter prinzipiell ohne Werkzeug angeboten werden, kommen hier Systemintegratoren ins Spiel, deren Spezialität die Robotik ist. Robotec Systems ist einer solcher Spezialist. Der Fokus des Unternehmen liegt auf dem Anpassen von Kabeln, Leitungen und Schläuchen zur Versorgung von Applikationswerkzeugen an Industrierobotern. Volker Elbe, Vertriebsleiter bei Robotec Systems, erklärt: „Die Belastung der Kabel- und Schlauchpakete ist zum einen von den Bewegungsradien der Roboterarme abhängig. Zum anderen lässt es sich bei Schweißrobotern nicht verhindern, dass der Abbrand zwischen Kabel und Schläuche gelangt und dort bei allen Bewegungen wie Schmirgelpapier wirkt. Das erhöht den Verschleiß und kann die Lebenszeit verkürzen.“ In der internen Qualitätskontrolle des Systemintegrators müssen deswegen alle Produkte eine Million Torsionszyklen absolvieren. Auch die Kabel von Helukabel mussten diesen Test bestehen. Möglich wird das durch die Konstruktion und Materialzusammensetzung der verwendeten Kabel.

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Volker Elbe, Robotec Systems: "Die größte Hürde des Projekts war das Erstellen der Lastdaten." Helukabel

Simulation schafft Klarheit

In der Produktionsplanung gilt es grundsätzlich, Überkapazitäten zu vermeiden. Anlagengröße und -design werden deshalb mit Produktionsplanungs-Software vorab simuliert. „Ausgehend von der Jahresproduktion und der Taktzeit berechnen wir die Leistungsdaten für jeden einzelnen Roboter. Dazu benötigen wir Simulationsdaten für alle Teile, die der Roboter bewegen muss. Nur so können wir die Roboterleistung exakt auf die tatsächlichen Erfordernisse auslegen“, erklärt Manfred Scheuerer, der bei BMW für die Fertigungsplanung verantwortlich ist. Die Last addiert sich aus allen Teilen, die der Roboter in der vorgegebenen Taktzeit bewegen muss. Dazu zählt neben den Werkzeugen, dem Handling und natürlich dem Werkstück selbst auch das Energiezuführungssystem für die Werkzeuge.

Letzteres besteht aus zwei Komponenten: Zum sogenannten Support zählen die Teile, welche die Schnittstelle zu den jeweiligen Industrierobotern bilden. Vorzugsweise bestehen diese Komponenten aus Metall und Kunststoff. Die wichtigste Baugruppe des Supports ist das Rückführsystem, das dafür sorgt, dass die zweiten Komponente – das Energiepaket – eng an dem Roboter anliegt. Dadurch werden unkontrollierte Störkonturen verhindert, die zum Crash und damit zum Stillstand einer Fertigungsanlage führen können. Das Energiepaket besteht aus einem Wellrohr mit etwa 70 mm Durchmesser. In dem Rohr befinden sich die konfektionierten Kabel, Leitungen und Schläuche.

Die Simulationsdaten basieren unter anderem auf den CAD-Daten der Konstruktion und einem kinematisierten Robotermodell. Sie geben Auskunft über Gewichtsdaten und die exakte Lage des Schwerpunkts. Schließlich offerieren sie ein präzises Abbild des kompletten Systems, bestehend aus Support und Energiepaket. „Unser Ziel ist es, alle Roboter auf 90 Prozent Auslastung auszulegen. Dann sind wir mit Blick auf die Laufzeit der Anlage von sieben Jahren auf der sicheren Seite“, meint der BMW-Planer.

Erstmals Lastdaten ermittelt

„Eine der Herausforderungen im Rahmen des Projekts war es, die geforderten Lastdaten für BMW bereitzustellen“, berichtet Volker Elbe. „Das Stichwort heißt ‚biegeschlaffe Elemente‘. Keinem ist es bislang gelungen, das exakte Verhalten eines Seiles zu simulieren. Ebenso chaotisch verhält sich auch ein Energiepaket. Aus einem Mix aus Engineering am CAD und empirischen Versuchen gelang es uns, den Schwerpunkt der Masse zu ermitteln und wie sich das Gewicht während der Bewegung des Roboters verhält und verteilt.“ Beim Punktschweißen kommen immerhin mit Kabeln und Schläuchen über 40 kg Gepäck zusammen, die wie ein Rucksack auf dem Roboterarm sitzen.

Der Roboter ist außerdem in zwei Achsbereiche unterteilt: Die Achsen eins bis drei verhalten sich recht statisch, die Achsen drei bis sechs dynamisch. Für letztere Achsen geben die Lastdaten Auskunft über die Performance des Roboters. Mit ihnen lässt sich ermitteln, wie schnell sich seine Achsen bewegen und welche Last sie tragen können.

Das Endprodukt samt der robotergefertigten Tür.

Das Endprodukt samt der robotergefertigten Tür.BMW

Die Energiepakete für die Anwendungen Handling und Punktschweißen bestehen oft aus 25- bis 35-mm²-Primärkabeln wie mehradrige Steuerkabel, Motor-und Resolverkabel, Datenkabel, Kupferkabel oder Lichtwellenleiter, Erdungsleitungen und Schläuche für die Versorgung des Werkzeugs. Darüber hinaus gibt es aber noch alle anderen Art von Medien wie Hydraulikleitungen, spezielle Hybridkabel oder Verbrauchsmedien wie Nieten oder Schweißbolzen. „In diesen Kabeln, Leitungen und Schläuchen steckt viel Know-how“, stellt Volker Elbe fest. Doch die Simulationsdaten für BMW sind der Clou. „Dank dieses Projektes können wir heute für alle unsere Systeme Last- und 3D-Simulationsdaten bereitstellen. Wir haben unsere Erfahrungen auf diesem Gebiet ausgebaut, sodass auch künftige Kunden davon profitieren“, freut sich Volker Elbe.

(mf)

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