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Ein neuer Trend in der Vernetzung von Steuergeräten in Kraftfahrzeugen ist die Verwendung von Ethernet. Klassische Bussysteme im automobilen Umfeld wie zum Beispiel MOST, Flexray und CAN werden durch Ethernet abgelöst. Ethernet bedeutet dabei für Entwickler von Vernetzungslösungen im Kraftfahrzeugbereich einige neue Herausforderungen. Das beginnt mit der physikalischen Übertragungsschicht, die sich vom klassischen Ethernet unterscheidet, und endet mit der Einführung von neuen Übertragungsprotokollen auf höheren Schichten.

Ethernet-Daten mitlesen

Daten auf Ethernet-Leitungen lassen sich nicht so einfach mitlesen wie bei den herkömmlichen Bussen, die im Auto zum Einsatz kommen. Mit Hilfe entsprechender Messanordnungen, der passenden Hard- und Software sowie dem richtigen Know-how lässt sich allerdings auch Ethernet messtechnisch gut beherrschen.

Der Umstieg auf Ethernet hat mehrere Vorteile. Zum einen gibt es eine Kostenersparnis. Dies betrifft unter anderem die Kosten für Bauteile im Fahrzeug. So ist zum Beispiel die Verkabelung für eine Verbindung über Ethernet günstiger als eine optische Leitung für den Einsatz von MOST. Zum anderen kann auf vorhandene, günstige Tools aus der bestehenden PC- und Industrie-Ethernet-Welt zurückgegriffen werden. Ein weiterer Vorteil ist die größere Datenübertragungsrate, die einige neue Anwendungsfelder ermöglicht.

Anwendungsfälle für Ethernet in der automobilen Vernetzung

Für Ethernet im automobilen Umfeld gibt es verschiedene Anwendungsfälle. Einer der ersten Anwendungsfälle wird die Übertragung von Kameradaten über Ethernet sein. Der Vorteil von Ethernet besteht darin, dass Netzwerkkameras (IP-Kameras) nicht nur mit einem Steuergerät verbunden werden, sondern dass mehrere Steuergeräte auf die Datenströme der Kamera zugreifen können. Das Netzwerk wird dadurch sehr flexibel und ist für die Zukunft gut gerüstet. So lässt sich eine Anwendung entwickeln, die über mehrere Kameras ein Top-View-Bild der Fahrzeugumgebung liefert. Für spätere Erweiterungen können zusätzliche Steuergeräte ebenfalls auf die bereits vorhandenen Kameradaten zugreifen.

Bild 1: Busanalysesoftware Caromee mit der Darstellung von Bildern, die von IP-Kameras kommen. Zusätzlich lassen sich noch weitere Busse wie CAN und Flexray analysieren.

Bild 1: Busanalysesoftware Caromee mit der Darstellung von Bildern, die von IP-Kameras kommen. Zusätzlich lassen sich noch weitere Busse wie CAN und Flexray analysieren.Eberspächer

Toolhersteller im Bereich der Busanalyse stehen im Fall von IP-Kameras vor neuen Herausforderungen. Bisher ist für klassische Bussysteme wie zum Beispiel CAN die Einbindung einer Datenbank erforderlich, um die Rohdaten auf dem Bus zu decodieren und damit für den Menschen lesbar zu machen. Für Ethernet-Daten, die von IP-Kameras kommen, muss der Datenstrom analysiert werden, um das zugehörige Bild darstellen zu können (Bild 1). Das heißt, man muss im Datenstrom auf den Anfang eines Bildes warten, alle Ethernet-Nachrichten zwischenspeichern und auf das Ende des Bildes warten. Anschließend kann man aus allen zwischengespeicherten Ethernet-Nachrichten das Bild generieren.

Ein weiterer wichtiger Anwendungsfall ist das schnelle Flashen von Steuergeräten. Durch das Flashen über Ethernet werden die Flash-Zeiten signifikant gesenkt. Konnte man früher (mit CAN), nur Daten mit einer maximalen Länge von 8 Byte pro Nachricht übertragen, kann Ethernet Nachrichten mit einer Länge von über 1500 Byte übertragen, womit die Nutzdatenrate steigt und mit der ohnehin schon vielfachen Bitrate ein enormer Zeitvorteil entsteht.

Weitere Anwendungsfälle wie Steuergeräte-Kommunikation, Vernetzung von Fahrzeugen mit der Umwelt und Diagnose werden die Bedeutung von Ethernet weiter steigern. Insgesamt lässt sich sicher vorhersagen, dass in Zukunft die Komplexität und die Größe von Nachrichten weiter zunehmen werden. Ethernet ist daher die beste Lösung, um auf diese Anforderungen reagieren zu können. Mit dieser Lösung setzt man auf eine sehr performante, kostengünstige Technik. Potenziale für Kostenersparnis ergeben sich noch in weiteren Bereichen. So verringern sich unter anderem das Gewicht und die Umfänge der Verdrahtung im Fahrzeug.

Zugriffsmöglichkeiten auf Ethernet-Busse

Auf physikalischer Ebene wird beim automobilen Ethernet nicht auf das Ethernet aus der PC-Welt gesetzt. Ziel der Entwicklung war eine physikalische Übertragung der Datenströme über ungeschirmte zweiadrige Leitungen. Dieses Ziel wurde durch den Ethernet Standard „BroadR-Reach“ erreicht. Dieser Standard ist auch für die harten Anforderungen im automobilen Umfeld, wie zum Beispiel Störsicherheit, ausgelegt, und Übertragungsraten von 100 MBit lassen sich problemlos erreichen. Von Nachteil ist allerdings, dass ein Zugriff mit dem klassischen Tooling auf dieses Ethernet nicht mehr möglich ist. So sind die Ingenieure zum Beispiel nicht in der Lage, mit einem PC mit eingebautem Ethernet-Controller auf das automobile Ethernet zuzugreifen. Für diesen Anwendungsfall braucht man Umsetzer von automobilem Ethernet auf Standard-Ethernet – entweder Eins-Zu-Eins-Umsetzer (Mediaswitches) oder Switches, die über einen Standard-Ethernet-Anschluss verfügen.

In der klassischen Steuergeräte-Entwicklung (mit CAN, Flexray und so weiter) hatte man die Möglichkeit, Daten über eine Messhardware einfach abzugreifen. Dies ist mit dem automobilen Ethernet nicht mehr so einfach möglich. Die Ingenieure können in diesem Fall nicht mehr einfach nur das Übertragungskabel auftrennen und eine Messhardware anschließen. Zum Abgriff der Daten ist der Zugriff auf verschiedene Lösungen erforderlich. Diese Lösungen haben aber auch Nachteile, weil sie beispielsweise das Laufzeitverhalten von Nachrichten verändern.

Der einfachste Weg, bei Ethernet den Datenverkehr abzugreifen, sind Switches. Dabei besteht aber das Problem, dass Nachrichten, die durch einen Switch laufen, ein anderes Laufzeitverhalten bekommen, weil der Switch die Nachrichten für einige Zeit verarbeitet und dann weiterleitet. Diese Methode hat eine Latenzzeit zur Folge, die nicht einmal ein konstantes Verhalten hat sondern von den Verarbeitungsalgorithmen im Switch abhängt.

Eine andere Methode, um Daten von einer Ethernet-Leitung abzugreifen, ist ein TAP (Test Access Point). Ein TAP greift die Daten direkt auf der physikalischen Schicht ab und leitet sie mit einer geringen konstanten Latenzzeit weiter.

Bild 2: Messaufbau für die Analyse von CAN und Ethernet mit der Busanalysesoftware Caromee, der FlexCard USB als CAN-Hardware-Interface und die Standard-PC-Schnittstelle für Ethernet.

Bild 2: Messaufbau für die Analyse von CAN und Ethernet mit der Busanalysesoftware Caromee, der FlexCard USB als CAN-Hardware-Interface und die Standard-PC-Schnittstelle für Ethernet.Eberspächer

Zeitliche Anforderungen

Entwickler einer Anwendung stellen sich immer die Frage, welche zeitlichen Anforderungen sie an das Tooling für die Analyse geben sollen. Für einfache Anwendungsfälle, in denen der Jitter zwischen Ethernet und einem anderen Bussystem nur eine untergeordnete Rolle spielt, würde ein Aufbau für die Busanalyse wie in Bild 2 ausreichen. In diesem Fall ist mit Schwankungen der Zeitstempel im Bereich von bis zu 20 ms zu rechnen. Dies würde aber ausreichen wenn man nur Bilder in einem zeitlichen Zusammenhang mit einer CAN-Nachricht analysieren will, die nur einmal pro Bild kommt. Bei einer Bilddatenrate von 25 Bildern pro Sekunde würde eine Übertragung eines Bildes theoretisch 40 ms beanspruchen. In diesem Fall hätte man also immer noch eine ausreichend hohe Messgenauigkeit.

Wenn allerdings eine sehr genaue zeitliche Korrelation zwischen einem Ethernet-Bus und einem klassischen Bus gefragt ist, müsste der Messaufbau für die Analyse wie in Bild 3 aussehen. In diesem Fall fungiert die FlexCard PMC II von Eberspächer Electronics als Messaufnehmer für Ethernet und CAN. Die FlexCard PMC II sorgt dabei für eine zeitsynchrone Zeitstempelung der einzelnen Nachrichten, wobei die Genauigkeit der Zeitstempel im Mikrosekunden-Bereich liegt. Beide Messaufbauten eignen sich nicht nur für das Aufzeichnen einer Probefahrt. Mit der Analysesoftware Caromee ist es sogar möglich, die Daten wieder zeitsynchron abzuspielen. So kann man zum Beispiel Algorithmen von Steuergeräten mit einer bestimmten Aufzeichnung immer wieder testen.

Bild 3: Messaufbau für die Analyse von CAN und Ethernet mit der Busanalysesoftware Caromee und der FlexCard PMCII für hochgenaue zeitliche Anforderungen.

Bild 3: Messaufbau für die Analyse von CAN und Ethernet mit der Busanalysesoftware Caromee und der FlexCard PMCII für hochgenaue zeitliche Anforderungen. Eberspächer

ISO/OSI-Schichtenmodell

Beim ISO/OSI-Schichtenmodell (Bild 4) deckt im Moment in vielen Anwendungsfällen BroadR-Reach die Schicht 1 (Layer 1, das sogenannte automobile Ethernet), ab. Schicht 2 (Layer 2) im Modell setzt auch im Auto auf den bisherigen Ethernet-MAC und VLAN. Bei VLAN wird unter anderem aber auch schon Double-VLAN implementiert. Auf der Netzwerkschicht (Schicht 3) kommen dann schon mehrere Standards zur Anwendung. So nutzen Video-Anwendungen häufig IEEE 1722. Im Diagnosebereich wird auf Netzwerkschicht auf IP (DoIP) gesetzt, und auf der Transportschicht (Schicht 4) auf TCP. Für die Kommunikation von Steuergeräten untereinander deckt IP die Netzwerkschicht ab. Auf Transport-Ebene kommen hierbei die Protokolle TCP oder UDP zum Einsatz. Auf höherer Ebene, wie bei der Steuergerätekommunikation, gibt es Protokollstandards wie SOME-IP und Service-Discovery.

Für die Kommunikation von Steuergeräten untereinander wird unter anderem auf das Protokoll SOME-IP gesetzt. Dieses Protokoll ist eine Abkehr von der typischen zyklischen Kommunikation im automobilen Umfeld. SOME-IP ist ein RPC-Verfahren. Grundsätzlich ist SOME-IP ein Client-Server-Modell. Zu Beginn einer Kommunikation sendet der Client eine Anfrage an einen Server. In dieser Anfrage wird beschrieben, was der Server ausführen soll und wie die Antwort auszusehen hat. Der Server wird dann die Anfrage bearbeiten und ein Ergebnis zurückschicken. In der Client-Server-Kommunikation sind verschiedene Verfahren für die Fehlerbehandlung und dem Nachrichtenaufbau hinterlegt – unter anderem mit einer Art Session-Verwaltung.

Bild 4: Das ISO/OSI-Schichtenmodell.

Bild 4: Das ISO/OSI-Schichtenmodell.Eberspächer

Integration von Ethernet in eine klassische Autovernetzung

Bei der Integration von Ethernet in eine klassische Autovernetzung gibt es auch einige Herausforderungen. Da es nur einen fließenden Übergang zu Ethernet geben wird und keinen harten Schnitt, muss die Kommunikation von klassischen automobilen Bussystemen mit Ethernet-Steuergeräten sichergestellt werden, was meist über Gateways erfolgt. Ein größeres zentrales Steuergerät stellt dann die Gateway-Funktionalität bereit. Um die Last auf Ethernet zu verringern, kommen Verfahren zum Einsatz, die unter anderem mehrere CAN-Nachrichten zu einer Ethernet-Nachricht paketieren. Dadurch lässt sich die größere Nachrichtenlänge von Ethernet-Nachrichten besser ausnutzen. In diesem Fall besteht die Möglichkeit, von 8 Byte Datenlänge bei CAN auf bis zu über 1500 Byte bei Ethernet zu kommen. Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass sich die Komplexität des Nachrichtenaufbaus vergrößert. Es wird Standards geben, die Dateninhalte auf mehrere Ethernet-Nachrichten verteilen. Es wird aber auch Standards geben, die mehrere klassische Dateninhalte in eine Ethernet-Nachricht verpacken.

Herausforderungen

Weitere Herausforderungen für die Zukunft gibt es aber langfristig. So gehen die Bestrebungen dahin, die Übertragung auf ein ungeschirmtes Gigabit-Ethernet als physikalische Übertragungsschicht zu erweitern. Einige Fragen zu harten Echtzeitanforderungen sind noch immer nicht geklärt.

Dipl.-Ing. B. Sc. (FH/TU) Thomas Bachmann

ist bei Eberspächer Electronics unter anderem als Produkt-Manager tätig.

(av)

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