Die grünen Platten in den Radios der siebziger Jahre faszinierten Neuschäfer. Was für die einen Entwickler die für sie typische Garage ist, war bei Neuschäfer ein Gartenhäuschen. Gerade einmal 24 m² groß. Die Ergebnisse konnten sich dennoch sehen lassen: Entwicklung und Produktion von elektronischen Steuerungen und starre Leiterplatten in minimalen Mengen. Heute verfügt Neuschäfer Elektronik über 10.000m² Gesamtproduktionsfläche allein im Werk 1. Parallel dazu entstand im Jahr 2004 mit der Gründung des Schwesterunternehmens ne-sensoric das Werk 2. Heute arbeiten in den beiden Werken über einhundert Mitarbeiter. Die Sparte Elektronik fertigt die Basisprodukte für elektronische Geräte. ne-sensoric ist zuständig für Systeme und Geräte. Das heißt: mechanische Bearbeitung, Metallbearbeitung, Kunststofftechnik und Werkzeugbau, Sensoren, Komplettgeräte und Wasserbehandlungssysteme. Den Begriff Familienunternehmen erfüllen die Neuschäfers richtig mit Leben: Senior Wilfried dirigiert die Leiterplattentechnik im Werk 1, der Sohn führt das Werk 2 und die zentralen Dienste liegen in den Händen der Damen Neuschäfer.

Technik vom Feinsten

Ein Gang durch den pulsierenden Betrieb zeigt eine Fertigung auf dem neusten Stand der Technik: Gleich ob Arbeitsvorbereitung, CAD/CAM-Arbeitsplätze, Materiallager, Bohrerei, Filmerstellung und Belichtung, Ätzanlagen, Stationen mit E-Test und AOI, Labor für Schliffbilder zur Qualitätskontrolle und letzten Endes der Versand. Von größter Bedeutung für das Unternehmen ist neben der Abwasseranlage die Heizstation mit Wärmerückgewinnung. Da am Standort Frankenberg äußerst strenge Sicherheitsauflagen hinsichtlich Abwasser, Abluft und den in solchen Betrieben üblichen Abfällen zu erfüllen sind, helfen nur skalierbare Systeme weiter. Allein die komplette Abwassertechnik, in ihrer Übersichtlichkeit und Sauberkeit an einen Reinraum erinnernd, nimmt annähernd den Platz eines Einfamilienhauses ein.

Gearbeitet wird in der Produktion weitestgehend mit vollautomatischen NCC-gesteuerten Anlagen und Geräten. Allein die Bohrerei mit mehreren Ein-, Zwei- und Mehrspindelautomaten sorgt für die erforderlichen Löcher im Basismaterial. In der Mehrzahl wird mechanisch gebohrt. Bis zu Lochdurchmessern um 100 µm erreichen die Vollautomaten. Für noch kleinere Löcher, wie Microvias oder auch Blindvias, springen Lasermaschinen ein. Gleichgültig ob Galvanikanlage oder andere Stationen in der Fertigung, alle wirken wie Reinräume – frei nach dem Motto „Die Grundlage von Qualität ist Sauberkeit und Ordnung“. Apropos Galvanikanlage, da wird neben der normalen Verkupferung oder dem Auftragen anderer Oberflächen auch mit Dickkupfer hantiert. Auch für die Durchmetallisierung steht eine geeignete Anlage parat.

Von großer Bedeutung sind auch die vollautomatischen Bestückungsautomaten, die unter normalen Bedingungen bis zu 24.000 BE/h platzieren. Viele Kunden wollen ihre Baugruppen aus einer Hand. Bereits im Anschluss an das Bestücken wird optisch geprüft. Genauer gesagt, das fängt mit der Überprüfung der Lotdepots an. Dann folgt entweder der Reflow-Lötanlage, das Dampfphasenlöten oder je nach Bauteil auch das Selektivlöten. Die automatisch optische Prüfung zur finalen Inspektion aller relevanten Kriterien schließt sich an. Zudem hat das Unternehmen im Rahmen der Bestückung von Baugruppen sich auch auf die Kabelkonfektion festgelegt. Dies ist insofern sinnvoll, als dass mitunter eine Baugruppe nicht nur zu bestücken ist, sondern auch mit der geeigneten Verkabelung ausgestattet werden muss. Meist geht es um die Konfektion von Einzelleitungen oder Flachbandkabeln. Mitunter sind selbst sehr komplexe Kabelsätze und Steuerleitungen zu erstellen.

Es lebe die Vielfalt

Aus den anfänglichen Kleinstmengen an Leiterplatten, neben den elektronischen Steuerungen zu Gründungszeiten die Hauptprodukte, wurden mittlerweile richtig solide Losgrößen. In der Mehrzahl sind es ein- bis dreistellige Losgrößen bei gleichzeitig vielfältigen Varianten. Weitere Produkte ergaben sich fast zwangsläufig: Flexible Leiterplatten kamen ins Programm. Als Material kommen sowohl halogenfreies FR4 als auch Polyimid und auf Wunsch auch andere Materialien zum Einsatz – vorausgesetzt, sie passen in den Prozess. Immerhin können in dieser Sparte Dimensionen bis 1.500 mm Länge und maximale Formate bis 610 mm x 460 mm bewältigt werden.

Wer sich so intensiv mit Leiterplatten, deren Einsatzzwecke und allen denkbaren Applikationsvarianten befasst wie Wilfried Neuschäfer, der kommt auch stets auf neue Produktideen. So entstand auch das so genannte Virgin Board. Hintergrund der Überlegungen war die Bestückung per Hand bei Mischbestückungen von SMT-Bauteilen und bedrahteten Bauelementen zu reduzieren. Dabei ist die Lösung so ideal wie einfach: Eine dünne Kupfermembran in den Bohrlöchern dient als Halt für die bedrahteten Bauteile. In letzter Konsequenz besteht die Platine damit dann aus drei oder fünf Lagen. Die Mittellage dient als Membran für die bedrahteten Bauteile. Diese Öffnungen werden in einem kleineren Radius als die Beinchenstärke gebohrt. Beim Einstecken werden die Bohrlöcher etwas aufgeweitet. Das führt zu einem Widerhakeneffekt und die eingesteckten Bauteile können beim Wenden der Platinen nicht herausfallen.

Mit den Polyflex-Schaltungen wurde eine Alternative zu konventionellen flexiblen Schaltungen gefunden. Gegenüber üblichen Flexschaltungen müssen die erforderlichen Anschlüsse in Form von Steckern oder ähnlichem nicht zusätzlich angelötet werden; denn die Anschlüsse sind bei der Polyflex-Schaltung bereits ausgebildet. Die sind in etwa vergleichbar mit Anschlusspins von IC-Bauteilen und können somit direkt eingelötet werden. Aufgrund der Materialstärke von bis zu 250 µm lassen sich Strombelastungen realisieren, die mit keiner konventionellen Leiterplatte erreicht werden. So können auf einer 5 mm breiten und 250 µm dicken Leiterbahn bis zu 10 A fließen und die Temperatur wird um gerade einmal 10 °C erhöht. Im Vergleich mit konventionellen Flexschaltungen hält sich die Beweglichkeit von Polyflex aber in Grenzen. Die auf 100 µm reduzierten Stellen sind wegen ihrer geringen Stärke zwar gut zu bewegen, jedoch nicht unentwegt.

Vorsprung durch diversifizierte Technik

Dort wo andere Hersteller mit Mehrfachwerkzeugen in der Stanztechnik arbeiten hat sich bei Neuschäfer eine Eigenentwicklung durchgesetzt: Monowerkzeug(e). Im Klartext heißt das, ein Werkzeug aus eigener Produktion führt die gesamten Stanzarbeiten mit großer Schnelligkeit und Genauigkeit aus. Basis dafür sind CNC-gesteuerte Stanzautomaten, die eigenständig die vorliegenden Formate optimal nutzen. Mit diesem Weg sorgt das Unternehmen für absolute Formgenauigkeit und ebensolche Wiederholgenauigkeit; denn alle Formen werden mit demselben Werkzeug gestanzt.

Sie heißen Jumper, SMD-Jumper, Hochstrom-Jumper, Short-Jumps, Power-Jumps, Bent-Jumps, SMS-TNT-Verbinder, THT-Jumper oder auch Corner-Jumper oder Modul-Contacts – die Eigenentwicklungen sind aus den vielfältigen Kundenanforderungen entstanden. So ist der Jumper eine spezielle Lösung für die Verbindung von starren Leiterplatten zur Umgebung oder zu weiteren Platinen und machen dadurch starre Boards mit einem Schlag flexibel. Mit jenen Brücken lassen sich elektrische Verbindungen zwischen Leiterplatten ohne großen Aufwand realisieren. Und diese Jumper hat das Unternehmen nach einer Idee ihres Chefs entwickelt und zur Perfektion gebracht. Diese Jumper sind teilweise so klein, dass sie als Einzelstück kaum zu sehen sind. Auf Grund seiner Größe auch Short-Jumps genannt, macht er alle Temperaturbewegungen mit und lässt sich zudem noch automatisch bestücken.

Systemintegrator mit Fertigungstiefe

Ideen, Investitionen, Innovationen – das treibt Wilfried Neuschäfer seit mehr als 40 Jahren voran. Das Resultat kann sich sehen lassen. Der einstige Bastler von Industriesteuerungen und kleinen elektronischen Baugruppen hat sich sukzessive zum kompetenten Systemintegrator mit großer Fertigungstiefe entwickelt.

In einer anderen Gewichtsklasse spielen die Hochstrom-Jumper. Das ist die Lösung für hohe Ströme von Leiterplatte zu Leiterplatte. Auch diese Variante lässt sich problemlos im Bestückungsautomaten verarbeiten. Zum Einsatz kommt wie bei allen Jumper Walzkupfer mit galvanischer Verkupferung der Oberflächen. Das Material ist typischerweise etwa 250 µm stark und deshalb auf Biegeradien von mindestens 5 mm angewiesen. Mit Power Jumps steht eine weitere Lösung parat. Sie ähneln im Grunde den Short-Jumps – mit dem Unterschied, dass diese Variante für besonders große Strombelastungen ausgelegt ist. Short-Jumps und Power-Jumps lassen sich auch in Kombination bestücken. So lassen sich Signalleitungen und Leistungsleitungen ohne Problem über Ritz- und Fräskanäle verbinden. Eine weitere Kategorie wird mit den Bent-Jumps aufgeboten. Damit lassen sich Platinen mehrpolig über Ritz- oder Fräskanten verbinden.

SMD-THT-Verbinder lösen Aufgaben in der Baugruppenfertigung, zum Beispiel wenn eine Grundplatte senkrecht bestückt werden soll. Mit dieser Lösung müssen Entwickler keine Kopfstände machen, um das Kontaktierungsproblem bei zum Beispiel übergroßer Bauteildichte vom Tisch zu bekommen. Die Teile sind so konstruiert, dass auch sie mit einem Bestückungsautomaten an einer Kante bestückt und via Reflow verlötet werden können. THT-Jumper ergänzen die gegurteten SMD-Jumper für direktes Einstecken in die dafür vorgesehenen Bohrungen in der Leiterplatte. Das Interessante an dieser Konstruktion: Sie werden mit Polyimidfolie produziert und sind damit erheblich widerstandsfähiger als konventionelle Abdeckungen.

Eine weitere Lösung stellen die Corner-Jumper dar. Da sie Leiterplatten über Ecke verbinden sollen, gibt es die Corner-Jumper in 60-, 90- und 135-Grad-Winkeln. Und wie immer sind die Verbindungsstifte im Randbereich der Platine untergebracht und rund 4 mm lang. Kostbarer Bestückungsraum auf der Leiterplattenoberfläche bleibt somit den Bauteilen vorbehalten. Modul Contacts MC sind eine weitere Idee, um die Produktion von Modulen oder gar kompletten Geräten zu rationalisieren. Dazu werden auf einer X-beliebigen Leiterplatte Kontaktteile per Bestückungsautomat aufgebracht und im Reflowofen verlötet. Im Anschluss werden die Kontaktteile senkrecht nach oben gebogen und ragen regelrecht aus der Platine empor. Wird die Leiterplatte in einem nächsten Schritt in einem Modulgehäuse vergossen, dann dienen diese Kontakte zum finalen Anschluss an die Stromführung. Geeignete Kontakte liefert das Unternehmen gleich mit.

electronica 2014: Halle A2, Stand 148

Manfred Frank

ist freier Fachjournalist

(mrc)

Sie möchten gerne weiterlesen?