Sowohl exakte Zeitstempel für die I/Os als auch kurze Klemme-Klemme-Reaktionszeiten sind wichtig.

Sowohl exakte Zeitstempel für die I/Os als auch kurze Klemme-Klemme-Reaktionszeiten sind wichtig.Redaktion IEE/Renate Schildheuer

Herr Dörner, bevor Sie Marketing Manager für die dezentrale IP20-Peripherie wurden waren Sie über drei Jahre im Vertrieb als Promotor für das TIA-Portal unterwegs.

Promotor mit der Aufgabe des Förderers ist im Endeffekt nichts anderes als regionales Marketingmanagement, nur dass man sehr viel mehr vor Ort beim Kunden ist. Das direkte Feedback der Anwender geben wir dann an das jeweilige Produktmanagement im Stammhaus weiter.

Wie ist denn draußen beim Kunden der Grundtenor zum TIA-Portal?

Als wir mit dem TIA-Portal an den Start gingen, war zu spüren, dass die Kunden auf eine neue Oberfläche gewartet haben, die für Durchgängigkeit sorgt und alle Teildisziplinen sukzessive zusammenführt: Visualisierung, Antriebstechnik und SPS. Das war und ist für den Programmierer wirklich ein Grundbedürfnis. Deutlich wurde auch ein Unterschied zwischen den Generationen: Bei jüngeren Programmierern trifft das Tool den Zeitgeist. Für alte Hasen, die schon Jahrzehnte mit dem Simatic Manager arbeiten, ist dies natürlich eine Umstellung. Rückblickend sind das aber die interessantesten Gespräche mit dem wertvollsten Feedback gewesen.

Stichwort Antriebstechnik: Ist denn mittlerweile auch die Servo-­Antriebstechnik Simotion Bestandteil des TIA-Portals?

Als erstes wurde die Frequenzumrichter-Reihe der Sinamics G120 integriert. Inzwischen sind auch Servo-Funktionen zum großen Teil im TIA-Portal verfügbar. Das stufenweise Vorgehen orientiert sich an der Technologiekurve und dem Innovations­zyklus der Anwender. Die meisten Anwender wollen zuerst mit weniger komplexen Projekten und Maschinen Erfahrungen sammeln, bevor sie eine komplette Maschinengeneration innovieren und auf dem TIA-Portal aufsetzen. Genauso stufenweise verhält es sich bei der dezentralen Peripherie, die wir mit den Systemen ET 200MP und SP modernisieren – und natürlich parallel dazu auch im TIA-Portal beziehungsweise im TIA Selection Tool abbilden, dem Äquivalent für den Hardware-Planer.

Was gab den Anstoß für den Generationswechsel der dezentralen Peripherie? Sind ET 200S und M nicht mehr auf der Höhe der Zeit?

ET 200S ist im Moment die erfolgreichste Peripherie am Markt. Für die Zukunft haben wir mit ET 200SP und ET 200MP Trend setzende Systeme.

Der Speed auf dem Rückwandbus schafft Flexibilität.

Der Speed auf dem Rückwandbus schafft Flexibilität.Redaktion IEE/Renate Schildheuer

Welche Trends wollen Sie konkret setzen?

Der Rückwandbus bei den neuen Generationen von ET 200SP und ET 200MP ist wesentlich schneller als bei den bestehenden Systemen, konkret: um den Faktor 40 als bei einer S7-400-Steuerung. Außerdem kommt die Taktsynchronität des Rückwandbusses hinzu: Bei der ET 200SP fahren wir den Rückwandbus jetzt taktsynchron mit 100 MBit/s; bei ET 200MP, die auf die I/O-Module der S7-1500-Familie zurückgreift, sogar mit 400 MBit/s. Das sind heute führende Werte, die früher undenkbar waren. Die hohen Übertragungsraten sorgen für mehr Flexibilität beim Aufbau. Früher konnte man gerade acht MP-Module anreihen, jetzt bis zu 30. Das geht, weil die Aktualisierungszeiten keine Rolle mehr spielen. Und bei 30 Modulen nebeneinander auf einer Schiene hört normalerweise irgendwo dann auch der Schaltschrank auf.

Ist die Klemme/Klemme-Reaktionszeit nicht ebenso wichtig wie die Übertragungsrate auf dem Rückwandbus?

Die Diskussion über die Klemme/Klemme-Reaktion wird oft theoretisch geführt. Genau nachfragt, geht es vielen Anwendern weniger um die Reaktion auf ein Signal, als um den exakten Zeitpunkt, wann etwas auftritt. Für eine präzise Geschwindigkeitsmessung braucht man nur den Zeitpunkt, allerdings mikrosekundengenau. Ob das Datum mit Zeitstempel dann ein oder erst zwei Buszyklen später mit anderen Signalen ausgewertet wird, ist zweitrangig. Deshalb haben wir mit den sogenannten Time-Based-I/O-Modulen für ET 200SP und ET 200MP die passende Antwort für diese Anforderung entwickelt.

Was bedeutet Taktsynchroniät des Interfacemoduls? Bedeutet dies, das die Anschaltbaugruppen den Profinet-Takt eins zu eins auf dem Rückwandbus abbilden?

Stimmt genau: Bei ET 200SP und ET 200MP können wir nicht nur Profinet RT (Real Time), sondern sogar IRT (Isochronous Real Time) abbilden und mit dem Rückwandbus synchronisieren; dazu benötigt man die High-Feature-Module bei ET 200SP. Bei der dezentralen Peripherie ET 200MP funktioniert das mit den Standard-Modulen. Damit erreicht man kurze Buszyklen weit unter einer Millisekunde, was ein wichtiger Bestandteil für die Reduktion der Klemme/Klemme-Reaktionszeit ist.

S steht für skalierbar, M für modular. Wie kommt es zu dieser Namens­gebung?

Mit Modular assoziieren wir die Nähe zu unseren Controllern und dem optimierten Anschluss; an die S7-1500 bei ET 200MP beziehungsweise an die S7-300 bei ET 200M. Dementsprechend werden die Module auch auf einer Profilschiene montiert. Hinsichtlich Bauform hätte bei der ET 200SP auch der Name ‚feinmodular‘ gepasst, wäre dann vielleicht aber immer als kleiner Bruder der MP-Serie verstanden worden. Dies wollten wir vermeiden, da die SP-Peripherie ein eigenständiges System mit ganz spezifischen Eigenschaften ist. Belege dafür sind der aktive Rückwandbus und die Möglichkeit, Motorstarter oder Technologiemodule direkt anzureihen.

Trotz großer Aderquerschnitte und Diagnose-­LED bauen die Module jetzt schmaler.

Trotz großer Aderquerschnitte und Diagnose-­LED bauen die Module jetzt schmaler.Redaktion IEE/Renate Schildheuer

Bei der MP-Baureihe hat Siemens eine schmalere Bauform mit 25 mm Breite anstatt 35 mm angekündigt. Was gab den Anstoß?

Platzbedarf ist der zweite wichtige Aspekt bei der Neuauflage unserer Peripherie, neben dem Speed. Aufgrund der verwendeten Push-In-Klemmen können wir jetzt 10 mm schmaler bauen. Das spart in Summe richtig Platz im Schaltschrank. Zudem schafft die Push-In-Technik auf dem 25-mm-Modul Platz für bis zu 32 Eingänge oder Ausgänge, ohne die Alltagstauglichkeit der Verdrahtung einzuschränken. Bei der ersten Modulserie, der 35-mm-Version, hatten wir uns für Schraubklemmen entschieden. Da aber die Push-In-Technik generell Montagezeit spart, gibt es eine Anschlussleiste mit Federklemmen auch für die 35-mm-Module. Mit der schmaleren Variante erweitern wir zudem die Funktionalität der Serie. Anstatt einer kanalgenauen Diagnose unterstützen wir eine modul­genaue Diagnose. Die reicht vielen Anwendern bereits aus.

Also ein Downsizing?

Wir schaffen damit mehr Wahlmöglichkeiten und eine feinere Abstufung der Funktionen. Der Anwender bezahlt somit nur die Features, die er auch tatsächlich benötigt und reduziert dadurch Kosten. Weiterhin haben wir darauf Wert gelegt, dass die Pin-Belegung innerhalb einer Baugruppentype gleich bleibt. Der Vorteil: Schaltpläne, die für die breiteren ­Module bereits erstellt wurden, können übernommen werden.

Welche Modulvarianten sind in dieser schmalen Bauform verfügbar?

Da gibt es momentan digitale Eingangs- und Ausgangsmodule mit 16 und 32 Kanälen sowie eine Mischbaugruppe mit je 16 Ein- und Ausgängen. Analog-Module sind in Vorbereitung. Diese werden bei reduzierter Kanalzahl vergleichbare technische Daten haben wie die 35-mm-Module.

Bei ET 200SP spricht Siemens von einer Baugrößenreduzierung um 50 %. Wie ist dies gemeint?

Durch die Verwendung der Push-in-Technik bei ET 200SP konnten wir die Kanaldichte im Vergleich zu ET 200S oder den meisten anderen Anbietern erhöhen. Mit diesen Maßnahmen haben wir es geschafft, zum Beispiel ein 16-DI-Modul zu entwickeln. Bis dato gab es maximal acht digitale Eingänge. Und auch bei den Analog-Modulen waren es bisher zwei Kanäle, jetzt sind es vier. Selbst die Safety-Module bauen jetzt schmaler.

Es gibt Anbieter, die eine höhere Kanaldichte propagieren – und auch realisieren.

Mit gleicher Spezifikation gibt es keinen Anbieter mit einer höheren Kanaldichte. Bei Aderquerschnitten bis 1 mm² könnte man natürlich noch mehr Klemmen auf ein Modul bringen. Wir haben uns aber entschieden, Adern ohne Endhülsen bis 2,5 mm² Querschnitt und mit Aderendhülsen bis 1,5 mm² zu spezifizieren. Allein die Aderdurchmesser setzen dann den Abmessungen bereits Grenzen, weil die Klemmeneinführungen entsprechend dimensioniert sein müssen. Daneben benötigen die Diagnose-LEDs weiteren Platz und müssen sichtbar sein. Ein weiterer Pluspunkt bei den ET-200SP-Modulen, da die LEDs auch bei einer Vollverdrahtung nicht abgedeckt sind. In der heutigen Zeit, wo die schnelle Analyse eines Fehlers an Bedeutung gewinnt, wird der Anwender ungern auf gut sichtbare LEDs verzichten.

Auch der Schaltschrankplaner profitiert vom TIA-Portal.

Auch der Schaltschrankplaner profitiert vom TIA-Portal.Redaktion IEE/Renate Schildheuer

Sie sagten anfangs, dass auch Hardware-Planer vom TIA-Portal profitieren. Wie?

Bei der Schaltschrankplanung unterstützen wir Anwender mit dem TIA Selection Tool. Das bildet die Module eins zu eins ab und berechnet die Abmessungen millimetergenau. Und wer exakte Anbaumaße benötigt, beispielsweise für die nachgelagerte Schaltschrankmontage, kann auf die CAX-Daten zugreifen. Somit decken wir den ganzen Prozess von der Planung, Konfiguration über die CAX-Daten bis hin zur Stückliste ab. Das erspart dem Anwender redundante Arbeiten, die Zeit und Geld kosten.

Gab es den Selector nicht schon vorher?

Es gab früher mehrere Tools. Was Sie meinen ist das Simatic ­Selection Tool, das als Stand-alone-Tool die Peripheriemodule umfasste. Als Äquivalent zum TIA-Portal haben wir das TIA ­Selection Tool aufgebaut, mit dem sich jetzt die komplette Peripherie auslegen lässt, zentral wie dezentral und inklusive CPU-Planung. Außerdem sind sämtliche Module, die im TIA-Portal parametriert und programmiert werden, im Selection Tool abgebildet. Somit hat auch der Planer ein durchgängiges Werkzeug und alles im Blick – bis hin zu Auftrags- und Schaltschrank-spezifischen Bestelllisten.

Wie sieht die Timeline beim Simatic Manager aus? Zwei Systeme ­parallel pflegen macht langfristig viel Aufwand.

Da könnten Sie gleich die Frage zur Verfügbarkeit der S7-300 stellen. Solange die S7-300-Baureihe vorhalten, so lange gibt es auch den Simatic Manager.

Was ist beim TIA-Portal in Sachen Tablet-Nutzung angedacht?

Für die S7-1200-CPU gibt es bereits eine App. Damit lassen sich über den Webserver der SPS beispielsweise grundlegende Dinge wie die IP-Adresse einer Steuerung einrichten, Programm-Downloads anstoßen oder Statusinfos abrufen. Diese App bauen wir zur TIA-App aus, die auch die 1500er-Baureihe unterstützt.

Wie erfolgt die Anbindung, übers Firmennetzwerk oder vor Ort per ­Near Field Communication (NFC)?

Dazu haben wir eine schöne Lösung verfügbar: Anschaltboxen mit Wlan im Formfaktor von ET 200SP und ET 200MP. Bislang musste man dafür ein separates Modul im Schaltschrank einbauen und verdrahten. Das fällt jetzt weg, da die Module links von der CPU oder Anschaltbaugruppe angereiht werden. Parallel dazu unterstützt die Switch-Baureihe Scalance XM-400 die Near Field Communication. Darüber kann man mit dem Smartphone oder Tablet die IP-Adresse der Steuerung abrufen und sich auf deren Webserver aufschalten.

In der Februarausgabe hat die Firma HMS CAN-Anschaltungen für die S7-1200 vorgestellt. Das Ziel: Bestimmte Märkte mit CAN-Dominanz für die Simatic-Steuerungen erschließen. Wäre es nicht interessant auch die dezentrale Peripherie mit einem Kopfmodul für diese Märkte verfügbar zu machen?

Das ist ein vielschichtiges Thema. CAN-Module gab es bereits in der Vergangenheit und sind für ET 200SS bereits verfügbar. Bei der SP-Baureihe analysieren wir noch den Markt. Hier steht erst mal ein passender Controller für die ET-200SP-Variante auf der Roadmap, dies hat bei den vielfältigen Themen zunächst Priorität eins.

Stefan Kuppinger

ist Chefredakteur der IEE.

(sk)

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