KC-Produkte 03-Dispensraupe

(Bild: KC-Produkte)

Wenn Entwickler oder Produktverantwortliche erstmals an das Thema Schutzbeschichtung herangeführt werden, ist es hilfreich, sich über den Prozess einige grundlegenden Gedanken zu machen. Eine bis zur Härtung fließfähige Flüssigkeit soll in Teilbereichen aufgetragen werden. Die Oberfläche ist stofflich und tektonisch komplex und inhomogen. Zudem ist die Beschichtung am Ende der Herstellungskette angesiedelt und daher mit vielen Einflüssen aus vorgelagerten Stufen konfrontiert. Alles in allem also keine einfache Aufgabe.

Da Produktionsprozesse heutzutage sehr durchleuchtet und optimiert sein sollen, stellt sich die Frage, warum dies bei der Schutzbeschichtung so häufig vernachlässigt wird. Zumindest lassen sich die Kosten durch eine frühe Planung und Umsetzung bei Stoff und Prozess stark reduzieren. Zudem wird die Durchführung beherrschbarer. Wer sich im Prozessfenster immer am äußersten Rand bewegt, hat nicht viel Spielraum und muss ungeplante Mehrkosten und Arbeitsgänge in Kauf nehmen. Den Zeitdruck, Ärger und das Problembewältigen kann man umgehen, wenn ein paar einfache Regeln beherzigt und umgesetzt werden.

Augen auf bei den Abständen

Eine der häufigsten Fragen ist die nach den erforderlichen Abständen. Die Frage lässt sich so pauschal gar nicht einfach beantworten, ist der Mindestabstand doch hauptsächlich abhängig von drei Faktoren: Stoff, Prozess, Oberfläche. Der Schutzlack hat ein charakteristisches Fließverhalten, das auch mit seiner Verdünnung in Relation steht. Auch sein Härtungsverlauf entscheidet, wie er die Lackiergrenzen einhält, oder nicht. Je nach Auftragsverfahren kann von einer typischen Lackmenge, Auftragsdynamik, sowie Genauigkeit ausgegangen werden.

Die Grenzen der Selektivität: Der komplizierteste Teil ist die Baugruppe selber mit ihrer Bestückung, sind doch funktionale Bauteile wie Stecker, Buchsen, Sockel oder Relais auszusparen. KC-Produkte

Die Grenzen der Selektivität: Der komplizierteste Teil ist die Baugruppe selber mit ihrer Bestückung, sind doch funktionale Bauteile wie Stecker, Buchsen, Sockel oder Relais auszusparen. KC-Produkte

Der komplizierteste Teil ist die Baugruppe selber mit ihrer Bestückung. Die dabei verwendeten Werkstoffe, Güten und verbliebene Rückstände aus den Produktionsprozessen spielen neben der Topografie die größte Rolle bei der Beschichtungsgenauigkeit. Selbst die Wahl der bestückten Bauteile ist wichtig. Generell sind von der Lackierung funktionale Bauteile, wie Stecker, Buchsen, Sockel oder Relais auszusparen. Sie werden unbrauchbar bei Kontakt mit isolierendem Polymer und gelten daher als verlackungskritisch. Häufig kann man denselben Baustein auch in einer mehr geschlossenen oder waschdichten Variante erhalten. Der Kern allen Übels ist die Kapillarkraft, welche ohne Gegenmaßnahmen uneingeschränkt wirkt. Durch sie zieht es den Lack in engste Spalte des Bauteils hinein und auch entgegen der Schwerkraft.

Auch mechanische Komponenten werden dadurch beeinträchtigt. Sobald zum Beispiel ein Federkontaktstift verklebt ist, kann er nicht mehr den erforderlichen Anpressdruck für eine sichere Kontaktierung aufbringen. Beachtlich ist, dass selbst parallel angeordnete, erhabene Leiterzüge unter dem Lötstopplack eine Kapillare darstellen. Die bereits erwähnten Rückstände aus dem Basismaterial oder Prozessen wie dem Löten verschlimmern die Randeinhaltung. Werden die Verhältnisse von Oberflächenspannung, Oberflächenenergie und Adhäsion gestört, können flüssige Schutzlacke ihren ursprünglichen Ort über mehrere Zentimeter verändern. Aus den genannten Gründen kann keine feste Abstandsregel definiert werden. Üblicherweise werden 2 bis 3 mm als Mindestabstand zwischen Lackierung und Freizone angegeben. In speziellen Fällen kann der Wert auch gegen 0,5 oder 10 mm tendieren.

Löcher im Print

Durchgänge im Print können die schlimmeren Feinde einer genauen, wiederholbaren Schutzlackierung sein. Moderne, mehrlagige Baugruppen werden mittels Durchsteigern, englisch vias genannt, über verschiedene Schichten hinweg elektrisch verbunden. Diese Löcher, ob im Durchmesser sehr klein oder nicht, unterliegen ebenso der oben angesprochenen Kapillarkraft. Hinzu kommt ein Flüssigkeitsdruck, der durch die nach der Hautbildung fortschreitende Lackhärtung hervorgerufen wird. Die kleinen Löcher leiten den Lack auf die Gegenseite, was dort zu Verlackungen und auf der Lackierseite zur Stoffverarmung führt. Daher können folgende Regeln für das Layout definiert werden: Erstens müssen Durchkontaktierungen oder Löcher im Lackierbereich verschlossen sein, zweitens dürfen sie nicht in der Nähe verlackungskritischer Bauteile platziert werden und drittens wirken viele nah beieinander liegende Löcher wie ein großes Loch.

Ungünstig platzierte Durchkontaktierungen: Bohrungen sollten nicht in der Nähe verlackungskritischer Bauteile platziert werden, da die dabei entstehenden Kapillarkräfte zu Beschichtungsfehler führen. KC-Produkte

Ungünstig platzierte Durchkontaktierungen: Bohrungen sollten nicht in der Nähe verlackungskritischer Bauteile platziert werden, da die dabei entstehenden Kapillarkräfte zu Beschichtungsfehler führen. KC-Produkte

In der Praxis hat das Zudrucken oder Zulöten der Vias die sicherste Wirkung. Etwas anders verhält es sich mit den großen Bohrungen zur Montage mit und ohne Metallisierungsfläche. Hier ist zu beurteilen, wie schwerwiegend eine Belackung ist. Löcher ohne elektrische Anbindung müssen häufig lediglich zu Montagezwecken offen bleiben. An sie kann durchaus heran lackiert werden. Manche Erdungsflächen werden mittels Zahnscheiben realisiert, wobei eine geringe Verlackung der Metalloberfläche nicht störend ist. Im letzten Fall wird die Kontaktierung durch plane Auflage hergestellt, dann ist eine versehentliche Lackierung der Metallfläche unbedingt zu vermeiden.

Lösungen für lackfreie Zonen

Beispiel einer Schraffurzeichnung der verschiedenen Beschichtungszonen. Lackierspezialisten helfen bei der optimalen Umsetzung, denn annähernd jede Baugruppe erfordert eine selektive Betrachtung der Beschichtungsbereiche und lackfreien Zonen. KC-Produkte

Beispiel einer Schraffurzeichnung der verschiedenen Beschichtungszonen. Lackierspezialisten helfen bei der optimalen Umsetzung, denn annähernd jede Baugruppe erfordert eine selektive Betrachtung der Beschichtungsbereiche und lackfreien Zonen. KC-Produkte

Annähernd jede Baugruppe erfordert eine selektive Betrachtung der Beschichtungsbereiche und lackfreien Zonen. Eine spürbare Erleichterung für den Beschichtungsprozess ist es, wenn diese Flächen in größtmögliche Areale zusammengefasst werden und nicht wie eine Ansammlung von Kleinstaaten auf der Landkarte aussehen. Idealerweise liegen die Freizonen mit Steckern, LED, Buchsen oder Löchern entlang des Baugruppenrandes und im Inneren ist der zusammenhängende Lackierbereich. Die Bauteilhöhen spielen dabei ebenfalls und vor allem im Randbereich eine wichtige Rolle. Es leuchtet ein, dass es schwierig wird, einen hohen Baustein vollständig zu lackieren und wenige Millimeter daneben eine verlackungsempfindliche Buchse absolut trocken zu halten. Auch mögen die meisten automatisierten Beschichtungsverfahren keine variable Bestückung. Insbesondere Klebstoffauftrag, wilde Verdrahtung und unkontrollierte Bauteilschieflagen können von den Lackierverfahren nicht berücksichtigt werden.

Für den maschinellen Lackierprozess ist es in der Regel erforderlich, dass die Baugruppe einfach und beidseitig handhabbar ist. Sie sollte daher zu beiden Längsseiten einen parallelen Randsteg aufweisen. Bei größeren Mehrfachnutzen, einseitig massiv bestückten Baugruppen und sehr dünnen Flexprints ist darauf zu achten, dass keine Durchbiegung stattfindet. Auf einer gebogenen Oberfläche läuft der Schutzlack unkontrollierbar weiter.

Oft helfen auch schon einfache Maßnahmen, wie das Öffnen von Rastbügeln an Steckern, das Abziehen von Jumpern oder Sicherungen aus den Haltern, um eine Kapillare zu vermeiden. Da diese Lösungen nicht immer umsetzbar sind, ist es üblich geworden, vor der Lackierung kritische Zonen mit einem permanenten oder temporären, ablösbaren Damm zu umfahren. Das Material wird automatisch, präzise aufgebracht und hält den folgenden Schutzlack fern.

Experten für Prozessentwicklung

Der Lackierspezialist vereint tiefe Kenntnisse der chemischen und physikalischen Gegebenheiten von Materialien und Prozessen der Bestückung und Beschichtung. Daher ist es vorteilhaft, Spezialisten bei der Erstellung der Beschichtungsvorgabe zu Rate zu ziehen. Letztlich zeigen aber nur reale Muster, ob die Machbarkeit gegeben ist oder ob Handlungsbedarf herrscht. Durch eine ausgiebige Erprobungsphase lassen sich viele Stolpersteine aus dem Weg räumen und parallel dazu eine für alle Seiten umsetzbare Beschichtungsvorgabe erstellen.

Diese sehr wichtige Dokumentation zeigt neben den Lackierflächen und Freizonen auch die Übergangsbereiche und Toleranzen an. Eine auch aus Unwissenheit übertrieben scharfe Vorgabe ist nicht zielführend. Denn allgemein gesprochen kann praktisch jede Vorgabe umgesetzt werden, nur der Aufwand sprengt schnell den ökonomischen Rahmen. Innerhalb der Lackierfläche kann es zum Beispiel ratsam sein, für einen einfachen Betauungsschutz den Schwerpunkt auf die Bedeckung der metallischen Anschlüsse zu legen. Dadurch wird der Isolationsabstand ausreichend erhöht. Für höherwertige Schutzaufgaben, wie medialer Angriff oder Explosionsschutz, kann hingegen der komplette, möglichst lückenlose Schutzüberzug erforderlich werden.

Ansonsten lässt sich die Schutzlackierung auch hinsichtlich einer späteren Prozesskontrolle schwer fassen. Üblicherweise wird eine in der unbestückten Ebene gemessene Schichtdicke in Relation zur wahrlich nonkonformen Schutzlackierung auf der assemblierten Baugruppe gesetzt. Mangels guter Messmöglichkeiten wird dazu häufig ein planes Basismaterial im Prozess mit beschichtet, gehärtet und vermessen. Das Messergebnis liegt, wenn keine Nassschicht geprüft wird, retrospektiv vor. Das heißt, eine Eingriffsmöglichkeit auf den Lackierprozess ist nur bei sehr rasch härtenden Lacksystemen gegeben. Ausgangswerte für die selbst zu erstellende Lackdickendefinition finden sich in dem aktuellen Regelwerk IPC-A-610.

Neben der Angabe des zu verwendenden Schutzlackes sollte schon aufgrund drohender Obsolenz ein ebenso erprobtes Alternativmaterial stehen. Seltener wird die Lackviskosität, respektive Verdünnung, angegeben, sondern eher dem Lackierer und dem verwendeten Auftragsverfahren überlassen. Weitaus sinnvoller wäre es, die Oberflächeneigenschaften wie Reinheit und Oberflächenenergie vorzuschreiben, weil nur durch Einschränkung dieser Eigenschaften ein gleichbleibendes Lackierergebnis erwartet werden kann. Völlig abzuraten ist von Angaben, die einen frommen, aber praxisfernen Wunsch ausdrücken, wie „Stecker darf Lack nicht hineinziehen“ oder Ähnliches.

zusammenfassung

Es ist eine Realität, dass unterschiedliche elektronische Baugruppen verschiedenartige Anforderungen an den Beschichtungsprozess stellen. Sogar innerhalb einer Produktionscharge können sich Differenzen einstellen, welche zu Abweichungen bei der Lackierung führen. Daher ist eine fachlich fundierte und sorgfältige Entwicklung samt Erprobung des Prozesses erforderlich. Definitive Vorgaben für die Beschaffung und Bestückung lassen sich schwerlich formulieren, weil sehr der Einzelfall entscheidet. Durch Bewusstsein möglicher Einflüsse und Kenntnis der stofflichen und verfahrensbedingten Größen ist es jedoch möglich, optimiert beschichtbare Baugruppen zu generieren, die sich prozesssicher und zu Zielkosten produzieren lassen. Als Anbieter von Beschichtungsdienstleistungen kann Kunststoff-Chemische Produkte (KC-Produkte) auf eine langjährige Erfahrung hinsichtlich unterschiedlicher Lackierverfahren und fundierter Kenntnis über marktübliche Schutzmedien und den vorgelagerten Leiterplatten-Produktionsprozessen verweisen. Neben Lackieranlagen und der Beschichtung als Lohndienstleistung die umfassende Beratung zur Gestaltung des optimalen Prozesses erhältlich.

Jens-Hendrik Klingel

Geschäftsführer von Kunststoff-Chemische Produkte.

(mrc)

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KC-Produkte GmbH

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Germany