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Bild 1: Die Stift- und Buchsenleisten aus dem Werkstoff PA 4.6 haben einen Positionierpin und sind für das Reflow-Löten geeignet.

Bild 1: Die Stift- und Buchsenleisten aus dem Werkstoff PA 4.6 haben einen Positionierpin und sind für das Reflow-Löten geeignet.Fischer Elektronik

Oberflächenmontierte Steckverbinder werden im automatisierten Prozess auf die Leiterkarte bestückt. Die Leiterkarte wird dann im bleifreien Lötprozess kurzzeitig Temperaturen von 260 °C ausgesetzt. Technische Kunststoffe wie PBT (Polybutylenterephthalat) oder PA 66 (Polyamid 66) erreichen beim Reflow-Lötprozess ihre Erweichungstemperatur. Die Isolierkörper der Steckverbinder schmelzen bei diesen hohen Temperaturen. Standard-Kunststoffmaterialien erfüllen die hohen Anforderung durch den Lötprozess (Heißdampf- oder Reflow-Löten) nicht. Hochleistungsthermoplaste, zum Beispiel LCP (Liquid Crystalline Polymers), werden für SMD-Steckverbinder eingesetzt (Bild 1).

Auf einen Blick

Eine einfache Verarbeitung durch leichtfließende Materialien ermöglicht die Herstellung von dünnwandigen Steckverbindern. Die Hochleistungswerkstoffe überzeugen bei der Verwendung für Stift und Buchsenleisten auf ganzer Linie.

Thermische Belastung

Hochleistungsthermoplaste sind fest, steif, und zäh und sind ausgezeichnet chemikalien- und oxidationsbeständig. Die Anwendungsbedingungen werden immer anspruchsvoller. Miniaturisierte, leistungsfähige Produkte bestimmen die Entwicklungsrichtung von Leiterplattensteckverbindern. Die eingesetzten Hochleistungswerkstoffe zeichnen sich durch Dimensionsstabilität, hervorragende Wärmeformbeständigkeit und gute mechanische Eigenschaften aus. Der Schmelzbereich von den Hochleistungskunststoffen liegt über 270 °C.

Zwei Beanspruchungsarten unterscheidet man bei der thermischen Beanspruchung. Es wird zwischen einem kurzzeitigen und langzeitigen Wärmeeinfluss unterschieden. Beide Beanspruchungen wirken sich unterschiedlich auf die Isolationswerkstoffe der Steckverbinder aus.

Temperaturen um die 260 °C mit einer Belastungsdauer von zehn Sekunden werden bei einem kurzzeitigen Wärmeeinfluss, beispielsweise Dampfphasenlöten, erreicht. Die Hochleistungskunststoffe haben eine sehr hohe Formbeständigkeit und eine voraussagbare geringe Schwindungsneigung (Bild 2).

Bild 2: Stiftleisten aus einem Hochleistungsthermoplast zum THR-Löten geeignet.

Bild 2: Stiftleisten aus einem Hochleistungsthermoplast zum THR-Löten geeignet.Fischer Elektronik

Einige Hochleistungskunststoffe, zum Beispiel PPS, sind bei einem langzeitigen Wärmeeinfluss bis 200 °C temperaturbeständig. Die Hochleistungsthermoplaste PEEK (Polyetheretherketon) können auf Dauer Temperaturen bis 260 °C ausgesetzt werden. Die Belastungsdauer geht über mehrere tausend Stunden. Solche Belastungen haben Auswirkung auf die Lebensdauer der Kunststoffe. Eine Abnahme der mechanischen Eigenschaften, beispielsweise  Schlagzähigkeit, Bruchdehnung, wird durch den langzeitigen Wärmeeinfluss verstärkt.

Hohe mechanische Eigenschaften auch bei hohen Temperaturen

Die Hochleistungskunststoffe sind standardmäßig bei höheren Temperaturen deutlich stabiler als die technischen Kunststoffe. Steckverbinder benötigen von der Fertigung bis zur Montage auf der Leiterplatte eine hohe Stabilität des Isolierkörpers.

Die mechanischen Parameter des Isolators verändern sich mit zunehmender Temperatur. Im Bereich der Glasübergangstemperatur ist immer ein größerer Verlust der mechanischen Eigenschaften festzustellen. Diese nehmen bis zum Erreichen der Schmelztemperatur weiter langsam ab. Verstärkungsstoffe wie Glasfaser oder Mineralien erhöhen deutlich die mechanischen Eigenschaften der Kunststoffe.

Geringe Wandstärken

Bild 3: Buchsenleisten im Raster 2 mm mit minimalen Wandstärken von 0,3 mm.

Bild 3: Buchsenleisten im Raster 2 mm mit minimalen Wandstärken von 0,3 mm. Fischer Elektronik

Der Aufbau der Leiterplattensteckverbinder fordert teilweise sehr geringe Wandstärken (Bild 3). Zusätzlich haben viele Steckverbinderwerkzeuge nur einen kleinen nichtsichtbaren Anschnitt, gleichzeitig werden beim Füllvorgang im Werkzeug auch weite Fließwege zurückgelegt. Für solche Anwendungen sind leichtfließende Materialien notwendig. Im Vergleich zu technischen Kunststoffen haben die leichtfließenden Materialien der Hochleistungskunststoffe zum Teil deutlich höhere Werkzeugwand- und Massetemperaturen. Bei teilkristallinen Werkstoffen muss darauf geachtet werden, das die Materialien beim Abkühlen im Formwerkzeug richtig auskristallisieren. Am Werkzeug nicht die richtige Werkzeugwandtemperatur einzustellen, führt zu Verlusten bei den Eigenschaften vom Material. Die auf diese Weise eingesparte Zykluszeit verringert die mechanischen und thermischen Eigenschaften deutlich. Im Lötprozess erfolgt durch die zugeführte Wärme eine Nachkristallisierung des Kunststoffes. Das kann zu Verzug des Isolierkörpers am Steckverbinder führen. Die Leiterkarte kann durch die auftretenden Verzugskräfte verbiegen.

Neben der geringen Wandstärke haben die Isolierkörper auch sehr viele Kerne. Beim Zusammenfließen der Schmelze um den Kern entsteht eine Bindenaht. Die Bindenähte können, durch die große Anzahl an Kontakten in einem Steckverbinder nicht vermieden werden. Eine verbesserte Festigkeit der Bindenaht erreicht man durch die richtige Auswahl des Kunststoffes, der Auslegung des Werkzeuges und durch die optimale Temperierung im Bereich des Zusammenfließens der Schmelze. Je länger die Schmelze sich im Bereich der Bindenaht miteinander verbinden kann, umso beständiger ist die Bindenaht. Viele Kunststoffe sind für die geforderten Betriebstemperaturbereiche geeignet, neigen bei Belastungen durch die Kontakte im Bereich der Bindenähte zu reißen. Dieses kann durch ein unzureichendes Verschmelzen der Fließfronten miteinander verursacht werden. Eine weiterer Grund ist die hohe Steifigkeit und die geringe Zähigkeit des ausgewählten Materials, welches ein Verschmelzen der Fließfronten erschwert. Bei verstärkten Kunststoffen legen sich die Fasern parallel zu der Bindenaht, infolgedessen ist die Festigkeit der Bindenaht geringer. Eine Vermeidung der Bindenähte wäre das Optimum, kann aber durch die hohe Anzahl an Kernen im Werkzeug nicht realisiert werden.

Zertifiziert nach UL 94

Die Brandbeständigkeit ist ein weiterer Bereich mit sehr hohen Anforderungen an den Kunststoffen. In den letzten Jahren ist verstärkt auf das Brandverhalten von Stift- und Buchsenleistenmaterialien geachtet worden. Viele Steckverbinder werden auf Leiterplatten verbaut die gut versteckt und teilweise nicht erreichbar sind. Im Falle eines Schwellbrandes auf der Leiterplatte oder in der näheren Umgebung sollen die eingesetzten Materialien ein Verbreiten des Feuers verhindern oder erschweren.

Bild 4: Buchenleisten in SMD-Technik aus dem inhärenten Hochleistungskunststoff PPS (Polyphenylensulfid).

Bild 4: Buchenleisten in SMD-Technik aus dem inhärenten Hochleistungskunststoff PPS (Polyphenylensulfid).Fischer Elektronik

Je nach Kunststoff unterscheidet man zwischen Typen die inhärent flammwidrig sind oder die durch Zusätze die Flammwidrigkeit erreichen. Inhärente Typen (zum Beispiel PEEK, LCP, PPS) haben den Vorteil, dass keine weiteren Zusätze benötigt werden, die dann wegen den RoHS- beziehungsweise REACH-Anforderung nicht eingesetzt werden können (Bild 4).

Die Kunststofflieferanten zertifizieren unter anderem ihre Kunststoffe nach Underwriter‘s-Laboratories-Standard UL 94. Dabei werden bei unterschiedlichen Wandstärken an Normstähle aus Kunststoff in horizontaler (UL 94 HB) oder vertikaler (UL 94 V) Lage geprüft. Die Hochleistungskunststoffe erreichen teilweise schon bei einer Wandstärke von 0,35 mm eine Einstufung nach UL 94 von V-0.

Für die weitere Beurteilung des Brandverhaltens der Kunststoffe wird die Hausgerätenorm DIN EN 60335-1 herangezogen. Die Überhitzung von Drähten und Widerständen wird bei dieser Untersuchung simuliert. Dabei wird der Kunststoff an einem Punkt mit einem Glühdraht bei einer hohen Temperatur belastet. Um eine Zulassung zu erhalten müssen mehrere Prüfungen an Probeplatten oder direkt am Bauteil durchgeführt werden. Dabei wird am Bauteil die Glühdrahttemperatur GWT (Glow Wire Temperature) bestimmt. An Prüfplatten wird der Glühdrahtentflammbarkeitsindex GWFI (Glow Wire Flammability Index) und die Glühdrahtentzündungstemperatur GWIT (Glow Wire Ignition Temperature) bestimmt.

Umweltauflagen erfüllt

Durch die Gesetzesumstellung, zuerst durch RoHS 2002/95/EG (Restriction of (the use of certain) hazardous substances; deutsch: „Beschränkung (der Verwendung bestimmter) gefährlicher Stoffe“) und dann durch die REACH-Verordung (Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals), sind weitere Einschränkungen bei den Kunststoffen festgelegt worden. Der Einsatz von Polybromierten Biphenylen (PBB) und Polybromierten Diphenylether (PBDE) sind durch die neuen Vorschriften verboten worden. Beide Verordnungen werden durch die Europäische Union ständig mit neuen Stoffen erweitert. Diese Auflagen durch die nationalen und internationalen Behörden führen zu innovativen Entwicklungen und Verbesserungen von Kunststoffen. Kontinuierlicher Wandel führt zu fortschrittlichen Technologien die durch die Globalisierung der Märkte erforderlich geworden sind, um ein Fortbestehen in der heutigen Wirtschaft zu sichern.

Valentin Razmovski

ist als Entwicklungsingenieur bei Fischer Elektronik in Lüdenscheid tätig.

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