Aufmacher

(Bild: Rohm)

Die Erdatmosphäre wird ständig von einer Teilchenstrahlung, bestehend hauptsächlich aus Protonen, Alpha-Teilchen und leichten Atomkernen, getroffen. Diese primäre kosmische Strahlung hat ihren Ursprung sowohl in der Sonne als auch in Quellen außerhalb unseres Sonnensystems. Da es auf ihrem Weg durch die Atmosphäre zu Kollisionen mit Molekülen kommt, erreichen die Bestandteile der primären kosmischen Strahlung die Erdoberfläche nicht. Bei diesen in der Erdatmosphäre auftretenden Kollisionen entstehen jedoch Kaskaden von Sekundärteilchen. Die auf der Erdoberfläche beziehungsweise in der niedrigen Erdatmosphäre zu beobachtende sekundäre kosmische Strahlung – auch Höhenstrahlung genannt – setzt sich aus den verschiedenartigen Bestandteilchen dieser Kaskaden von Sekundärteilchen zusammen. [1]

Bild 1: Durchschnittliche relative Neutronenflussrate an verschiedenen Orten im Vergleich zum Referenzstandort New York City (JESD89A).

Bild 1: Durchschnittliche relative Neutronenflussrate an verschiedenen Orten im Vergleich zum Referenzstandort New York City (JESD89A). Rohm

Die wichtigste Einflussgröße auf die an einem beliebigen Ort zu erwartende Intensität der Höhenstrahlung verbirgt sich bereits im Namen – die Höhe über dem Meeresspiegel. Weiterhin haben die lokalen geomagnetischen Bedingungen und die Sonnenaktivität Einfluss auf die Höhenstrahlungsintensität. Für Ausfälle von Leistungshalbleitern auf der Erdoberfläche sind hauptsächlich die Neutronen als Komponente der Höhenstrahlung verantwortlich [2]. Daher betrachtet dieser Beitrag im Weiteren nur diese Komponente der Höhenstrahlung.

In Bild 1 ist für einige im JEDEC-Teststandard JESD89A [3] gelistete Standorte die durchschnittliche relative Neutronenflussrate, bezogen auf den Referenzstandort New York City, dargestellt. Deutlich zu erkennen ist die Abhängigkeit zwischen der Höhe über dem Meeresspiegel und der Neutronenflussrate. Neben der Höhe sind jedoch auch andere Einflussfaktoren relevant, da sich an Standorten mit gleicher Höhe die relative Höhenstrahlungsflussrate zum Teil deutlich unterscheidet. Der Grund hierfür ist in den unterschiedlichen geomagnetischen Gegebenheiten in verschiedenen Regionen der Welt zu suchen. Weiterhin hat auch die Variation der Sonnenaktivität Einfluss auf die Neutronenflussrate auf der Erdoberfläche. Die von der Sonne ausgehende Aktivität beeinflusst das Erdmagnetfeld, wodurch die Neutronenstrahlung durch die veränderliche Sonnenaktivität um bis zu 30 Prozent variiert [3].

Wie es zu Ausfällen in Leistungshalbleitern aufgrund von Höhenstrahlung kommt, erfahren Sie auf der nächsten Seite.

SEB in Leistungshalbleitern

eck-daten

Seit den 1990er Jahren ist bekannt, dass durch Single Event Burnout aufgrund von Höhenstrahlung ausfallen können. Verantwortlich für den Ausfall sind vor allem Neutronen. Typischerweise treten derartige Fehler auf, wenn ein Halbleiter mit einer Spannung über einem kritischen Wert belastet wird. Die Fehlerrate steigt dabei mit weiter steigender Spannungsbelastung exponentiell an. Messdaten zeigen, dass aktuelle SiC-MOSFETs eine höhere Robustheit gegenüber dem Single-Event-Burnout zeigen als vergleichbare Bauelemente auf Si-Basis.

Seit den 1990er Jahren ist bekannt, dass bei Leistungshalbleitern Ausfälle aufgrund terrestrischer kosmischer Strahlung auftreten [4-6]. Bereits 1994 zeigte eine teilweise in einem Salzstock durchgeführte Versuchsreihe, dass bis zu diesem Zeitpunkt unerklärliche Ausfälle bei Leistungshalbleitern auf Höhenstrahlung zurückzuführen sind [4].

Der Fehlermechanismus basiert auf der Kollision eines Neutrons mit hoher Energie mit einem Si-Kern im Halbleiterbauelement, wodurch bei ausreichend hoher elektrischer Feldstärke ein leitfähiger Kanal durch den Halbleiter entstehen kann. Als Folge des resultierenden Stroms mit hoher Stromdichte in diesem Kanal kommt es zur thermischen Zerstörung des Bauteils (weitergehende Beschreibungen des Ausfallmechanismus sind in der Literatur, bespielsweise in [2] und [7] zu finden).

Da diese Ausfälle ohne jegliche Vorwarnung auftreten, ist die Vorhersage ihrer Häufigkeit beziehungsweise Wahrscheinlichkeit lediglich statistisch möglich.Für die Ausfallrate eines gegebenen Leistungshalbleiters sind die angelegte DC-Spannung, die Temperatur und die Neutronenflussrate zu beachten.

Angelegte DC-Spannung und Temperatur stellen Belastungen dar, die das jeweilige Systemdesign und die Anwendung festlegen. Im Gegensatz dazu hängt die Neutronenflussrate, der ein Halbleiterbauelement ausgesetzt ist, vom Einsatzort ab. Außerdem ist die Ausfallrate direkt von der eingesetzten Chipfläche abhängig, da mit größerer Chipfläche die Wahrscheinlichkeit steigt, dass ein Neutron mit ausreichender Energie auf den Halbleiter trifft. Das Chipdesign ist in mehrerer Hinsicht relevant. Zunächst ergibt sich aus den mit dem Chipdesign realisierten Eigenschaften des Halbleiters die für eine konkrete Anwendung notwendige Chipfläche. Außerdem hat das Design des Halbleiters Einfluss auf die spannungsabhängige Ausfallrate aufgrund von SEB.

Es ist bekannt, dass bei IGBTs und MOSFETs auf Si-Basis ab einer kritischen Spannung, die in etwa bei 60 Prozent der nominalen Sperrspannung liegt, mit dem Auftreten von Ausfällen auf Grund von SEBs zu rechnen ist. Wird die angelegte Spannung über diese kritische Spannung gesteigert, steigt die Ausfallrate exponentiell an. Um sicherzustellen, dass eine Anwendung die tolerable Ausfallrate nicht überschreitet, begrenzen Entwickler die Dauer-Gleichspannung, mit der ein Halbleiterbauelement belastet wird, entsprechend der Robustheit des Bauteils.

Wie die Ausfallraten durch SEB bei verschiedenen Bauteilen konkret aussehen, lesen Sie auf der nächsten Seite.

SiC-Leistungshalbleiter trotzen Single-Event-Burnouts

Bild 2: Ausfallraten aufgrund von SEBs bedingt durch Höhenstrahlung in verschiedenen Leistungshalbleitern der 1200-V-Spannungsklasse.

Bild 2: Ausfallraten aufgrund von SEB bedingt durch Höhenstrahlung in verschiedenen Leistungshalbleitern der 1200-V-Spannungsklasse. Rohm

In den letzten Jahren wurden die spannungsabhängigen Ausfallraten von MOSFETs und auf Si-Basis durch Single Event Burnout experimentell durch beschleunigte Tests ermittelt [8, 9]. Welche Ausfallraten bei SiC-Leistungskomponenten zu erwarten sind und wie sich die Robustheit dieser Bauelemente gegenüber denen auf Si-Basis der entsprechenden Spannungsklasse unterscheiden, beleuchtet der Beitrag im Folgenden.

Bild 3: Ausfallrate von Leistungshalbleitern der 650-V-Spannungsklasse: Die SiC-Bauelemente sind deutlich robuster gegenüber SEBs als Komponenten auf Si-Basis.

Bild 3: Ausfallrate von Leistungshalbleitern der 650-V-Spannungsklasse: Die SiC-Bauelemente sind deutlich robuster gegenüber SEB als Komponenten auf Si-Basis. Rohm

Bild 2 zeigt die gemessenen Ausfallraten unterschiedlicher Si- und SiC-Bauelemente. Deutlich zu erkennen ist, dass die getesteten SiC-MOSFETs robuster gegenüber Ausfällen aufgrund von Höhenstrahlung sind als die getesteten Si-IGBTs dieser Spannungsklasse. Ähnliche Ergebnisse zeigt der Vergleich der Leistungshalbleiter in der 650- und der 1700-V-Spannungsklasse (Bilder 3 und 4) – SiC-Bauelemente sind den Komponenten auf Si-Basis hinsichtlich der Anfälligkeit für SEB überlegen. Während ein direkter Vergleich einzelner SiC- und Si-Bauteile für einzelne Bauteiltypen sinnvoll sein kann, ist ein Vergleich der Technologien in dieser Form nicht durchführbar, da die Bauelemente zwar die gleiche Spannungsklasse, aber unterschiedliche Durchbruchspannungen aufweisen.

Bild 4: Auch in der 1700-V-Spannungsklasse sind SiC-Bauelemente hinsichtlich ihrer Festigkeit gegenüber Höhenstrahlung im Vorteil.

Bild 4: Auch in der 1700-V-Spannungsklasse sind SiC-Bauelemente hinsichtlich ihrer Festigkeit gegenüber Höhenstrahlung im Vorteil. Rohm

Für einen Vergleich der verschiedenen Technologien ist die Betrachtung der Ausfallraten normiert auf die Chipgröße und die Durchbruchspannung der Bauelemente sinnvoller (Bild 5). Der Vergleich zeigt deutlich, dass die SiC-Trench-MOSFETs der dritten Generation von Rohm gegenüber den anderen Technologien wie Si-MOSFETS, Si-IGBTs sowie SiC-Planar-MOSFETs der zweiten Generation eine höhere Robustheit gegenüber der Höhenstrahlung besitzen.

Auf der folgenden Seite zeigt ein Berechnungsbeispiel, wie die Ausfallraten in der Praxis bestimmt werden können.

Ein Berechnungsbeispiel

Um die zu erwartende Ausfallrate eines Leistungshalbleiters durch SEB aufgrund von Höhenstrahlung in einer konkreten Anwendung zu ermitteln, sind drei Schritte notwendig. Zunächst wird die in der Anwendung auftretende Spannungsbelastung ermittelt. Dies muss mit hoher Sorgfalt erfolgen, da die Ausfallraten durch SEB stark spannungsabhängig sind. Anschließend erfolgt die Berechnung der zu erwartenden Ausfallrate aus der Spannungsbelastung in der Anwendung und der spannungsabhängigen Ausfallrate des Halbleiterbauelements. Zuletzt ist der ortsabhängige Beschleunigungsfaktor für die lokale Neutronenflussrate zu ermitteln. Dieser Faktor ist abhängig von der Höhe des Einsatzortes und den geomagnetischen Bedingungen.

Bild 5: Beim Vergleich der Robustheit gegenüber SEBs abhängig von der Technologie zeigt sich, dass die Trench-SiC-MOSFETs von Rohm die geringsten Ausfallraten besitzen.

Bild 5: Beim Vergleich der Robustheit gegenüber SEBs abhängig von der Technologie zeigt sich, dass die Trench-SiC-MOSFETs von Rohm die geringsten Ausfallraten besitzen. Rohm

Tabelle_1

Tabelle 1: Fallbeispiel eines Inverters im Elektrofahrzeug: Relativer Zeitanteil der jeweiligen Batteriespannung und erwartete Ausfallraten zweier Leistungsbauelemente. Rohm

Ein Anwendungsbeispiel verdeutlicht, wie diese Methode angewandt wird, und zeigt, wie die Robustheit gegenüber höhenstrahlungsinduziertem SEB in der Applikation zu evaluieren ist. Als Beispiel dient hier ein Elektrofahrzeug, dessen Antriebsstrang aus einer Hochvolt-Batterie mit einer Nennspannung von 800 V gespeist wird. In Abhängigkeit des Ladezustands (State of Charge, ) der ist die Batteriespannung in einem gewissen Bereich variabel. Diese variable Batteriespannung stellt die Eingangsspannung des Antriebsinverters und somit die Spannungsbelastung für die Halbleiterbauelemente dar. Tabelle 1 zeigt eine mögliche zeitliche Verteilung der auftretenden Spannungen, die für die hier gezeigte Betrachtung angenommen wurden, sowie die auf dieser Basis zu erwartenden Ausfallraten durch SEB für zwei Bauelemente.

Auf Basis der Daten aus [9] ist für den SiC-Trench-MOSFET unter den hier getroffenen Annahmen mit keinen Ausfällen auf Grund von SEB zu rechnen. Die Berechnung der gesamten zu erwartenden  Ausfallrate der SiC-Schottkydiode erfolgt durch Addition der Produkte aus Zeitanteil der Batteriespannung und der jeweils zugehörigen Ausfallrate (0,30 x 2,34 FIT/cm² + 0,35 x 10,36 FIT/cm² + 0,10 x 21,04 FIT/cm² = 6,43 FIT/cm²). Anschließend ist die Ausfallrate noch mit der eingesetzten Chipfläche zu skalieren. Weiterhin ist unbedingt zu berücksichtigen, dass Ausfälle nicht auftreten können, während die Halbleiterbauelemente leiten, wodurch sich die Ausfallrate entsprechend verringert.

Da sich die hier angegebenen Ausfallraten auf den Referenzstandort New York City beziehen, ist ein standortabhängiger Belastungsfaktor für das Einsatzgebiet des Fahrzeugs mit dem Inverter zu ermitteln. Der erhebliche Unterschied zwischen den spannungsabhängigen Ausfallraten unterschiedlicher Leistungshalbleiter zeigt, wie wichtig es ist, eine Abschätzung unter Berücksichtigung der Bauteildaten und der auftretenden Belastungen durchzuführen.

Referenzen

[1]          J. Blümer, „Partikel in der Pampa,“ Physik Journal, Bd. 9, Nr. 6, pp. 31-36, 2010.

[2]          W. Kaindl, „Modellierung höhenstrahlungsinduzierter Ausfälle in Halbleiterleistungsbauelementen,“ Diss., TU München, 2005.

[3]          „JEDEC STANDARD JESD89A Measurement and Reporting of Alpha Particle and Terrestrial Cosmic Ray-Induced Soft Errors in Semiconductor Devices,“ 2006.

[4]          H. Kabza, H. J. Schulze, Y. Gerstenmaier, P. Voss, J. W. W. Schmid, F.. Pfirsch und K. Platzoder, „Cosmic radiation as a cause for power device failure and possible   countermeasures,“ in Proceedings of the 6th International Symposium on Power Semiconductor Devices and ICs, 1994.

[5]          H. Matsuda, T. Fujiwara, M. Hiyoshi, K. Nishitani, A. Kuwako und T. Ikehara, „Analysis of GTO failure mode during DC voltage blocking,“ in Proceedings of the 6th International Symposium on Power Semiconductor Devices and ICs, 1994.

[6]          H. R. Zeller,, „Cosmic ray induced breakdown in high voltage semiconductor devices, microscopic model and phenomenological lifetime prediction,“ in Proceedings of the 6th International Symposium on Power Semiconductor Devices and ICs, 1994.

[7]          C. Weiß, „Höhenstrahlungsresistenz von Silizium-Hochleistungsbauelementen,“ Diss., TU München, 2015.

[8]          H. Asai, I. Nashiyama, K. Sugimoto, K. Shiba, Y. Sakaide, Y. Ishimaru, Y. Okazaki, K. Noguchi und T. Morimura, „Tolerance Against Terrestrial Neutron-Induced Single-Event Burnout in MOSFETs,“ IEEE Transactions on Nuclear Science, Bd. 61, pp. 3109-3114, Dec 2014.

[9]          C. Felgemacher, S. V. Araújo, P. Zacharias, K. Nesemann und A. Gruber, „Cosmic radiation ruggedness of Si and power semiconductors,“ in 28th International Symposium on Power Semiconductor Devices and ICs (ISPSD), 2016.

Christian Felgemacher

(Bild: Rohm)
Application Engineer Power Systems Department bei Rohm Semiconductor

Mineo Miura

(Bild: Rohm)
SiC Power Device Engineer bei Rohm Semiconductor

(na)

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