Herr Heugle, seit 2002 leiten Sie nun Austriamicrosystems, nach dem Sie zuvor in anderen Industriebranchen tätig waren. Wie ist Ihre Erfahrung in dieser nun erwachsen gewordenen Halbleiterbranche?

John A. Heugle: Sie bleibt eine spannende Branche und kann immer mehr dazu beitragen unser tägliches Leben zu erleichtern. Nimmt man zum Beispiel das Handy, die Automobilelektronik oder Medizingeräte, die nur durch Elektronik möglich sind.

Die großen Probleme dieser Tage weltweit, wie zum Beispiel die CO2 -Thematik, die Ernährungsfragen und die demografische Entwicklung sind Herausforderungen, die wir nur mit dem Einsatz von Mikroelektronik lösen können. Da sind die Innovationen aus der Halbleiterbranche gefragt.

Austriamicrosystems ist der einzige und wichtigste Halbleiterhersteller Österreichs. Wie sehen Sie die weitere Entwicklung und ihre Bedeutung für die Wirtschaft Österreichs?

John A. Heugle: Ihre Einschätzung ehrt mich sehr – aber wir dürfen die Aktivitäten von Infineon und NXP nicht übersehen. Infineon beliefert von Villach aus weltweit den Automotivbereich und NXP hat für den Smartcardbereich den Hauptsitz in Graz. Zusammen mit den Aktivitäten dieser Firmen hat austriamicrosystems eine weltweite Bedeutung, auch wenn wir nicht die Größten sind. Durch unsere Firmen und durch Universitäten haben wir ein starkes Umfeld und die Spezialisten für weitere Entwicklungen. Wir verstehen uns heute als globaler Player. Als wir an die Börse gegangen sind, lag über 80 Prozent unseres Geschäftes in Europa, heute sind wir da bei unter 50 Prozent und fast 40 Prozent vom Umsatz wird in Asien erwirtschaftet und auch USA ist stark steigend. Wir haben uns in den letzten Jahren als ein globaler Halbleiterhersteller etabliert. Mitarbeiter nach Graz zu bekommen ist kein Problem, wir haben Mitarbeiter aus 31 Nationen.

Sie haben einen beachtlichen Anteil von ICs für den Einsatz im Kfz in ihrem Portfolio, denkt man an ICs für LIN oder FlexRay oder auch an Sensorik. Wie hoch ist der Anteil der Automobilelektronik bei austriamicrosystems heute?

John A. Heugle: Der Anteil, den man als reine Automobil-IC bezeichnen kann, beträgt derzeit 13 Prozent. Aber es gibt Überschneidungen, viele IC können breit eingesetzt werden, so dass ich sagen kann, dass etwa 45 Prozent auch in die Industrieelektronik und Medizintechnik gehen und der Rest ist im Konsumerbereich und Kommunikation zu finden. Einen kleinen Prozentsatz machen wir auch noch mit Foundrykunden.

Wie sehen Sie die technologische Weiterentwicklung im Hinblick auf Hybrid- und Elektrofahrzeuge?

John A. Heugle: Wir haben uns als Unternehmen das Ziel gesetzt selbst CO2 neutral zu fertigen und haben unsere CO2-Emissionen durch Verbrennungsanlagen und andere Maßnahmen um 60 Prozent reduziert. Auf der Produktseite ist das Powermanagement bei uns schon lange ein Thema im Konsumer-, Kommunikations- und Automobilbereich. Im Auto sind wir im Batteriemanagement nicht nur für Hybridfahrzeuge tätig, sondern in den Steuergeräten für das Powermanagement des gesamten Fahrzeugs zu finden. Ich sehe eine kontinuierliche Entwicklung bei den Batteriezellen und der gesamten Steuerungselektronik.

Alle unsere Kunden arbeiten an diesen Themen, und wir selbst sind schon bei der dritten Generation von Batteriemanagementeinheiten sowohl für High-Side wie Low-Side. Damit bieten wir dem Entwickler mehr Flexibilität beim eindesign, zum Beispiel ist die Start- und Stop-Funktion eng damit verbunden. Im FlexRay-Bereich haben wir das breiteste Portfolio für diesen Markt und können erste Erfolge vermelden. Wir liefern für die nächste Automobil-Generation eines großen deutschen OEMs die FlexRay-Transceiver.

Sehen Sie Anwendungen von FlexRay in der Industrieelektronik, einer Branche in der Sie mit Sensorik erfolgreich tätig sind?

John A. Heugle: Heute werden fast 100 Prozent unserer FlexRay-Transceiver im Automobil eingesetzt. Wir werden die Entwicklung aber beobachten, FlexRay ist als schneller Bus ja auch vielleicht für andere Applikationen geeignet. Eine ähnliche Bewegung gab es ja auch beim CAN-Bus.

Den Wachstumsmarkt LED-Treiber haben Sie bereits im Visier. Wie sieht hier Ihre Strategie im Vergleich zu den „Riesen“ in der Halbleiterbranche aus?

John A. Heugle: Austriamicrosystem war bei LED-Treibern schon sehr früh dabei und ist auf diesem Gebiet ein führender Anbieter. Unser Marktanteil bei LED-Hinterleuchtung von Displays bei Fernsehgeräten liegt bei 30 Prozent. Unsere Lösungen sind durch Patente geschützt, sie haben den Vorteil der Programmierbarkeit. Derzeit haben wir den 3D-Fernseher fest im Blick und bieten Lösungen für alle Beleuchtungsarten, also Direkt-, Kanten- und Backlight, 2D, 3D und andere, außerdem das ganze Menü an Software-kompatiblen Halbleitern. Generell bieten wir LED-Treiber für Ströme von 300mA bis 2A und haben Applikationen wie Allgemeinbeleuchtung, Funbeleuchtung, Handy und Blitzlicht im Visier. Und auch die Straßenbeleuchtung, da dort noch viele diskrete Lösungen verwendet werden.

Im Bereich Wireless kann man bei RFID für LF und UHF eine gewisse Stärke bei austriamicrosystems erkennen. Wie sieht die weitere Entwicklung in diesem Bereich neben der Kooperation mit NXP aus?

John A. Heugle: Graz ist eine Hochburg von RFID, hier gibt es diese Partnerschaft mit NXP bei Tags mit der führenden Firma im Etikettenbereich Avery Dennison und mit austriamicrosystems im Leserbereich. So aufgestellt sind wir ein unschlagbares Team, das vielen Kunden eine Gesamtlösung anbieten kann.

Austriamicrosystems ist als Hersteller von ASICs und Vollkunden-ICs bekannt. Wie hoch ist dieser Anteil? Wie hoch ist der Anteil der bei TSMC gefertigten Halbleiter? Wie sehen die Pläne für das „Schloss“ aus?
Was versprechen Sie sich von der Lizenzierung der sparsamen ARM Cortex M-O Cores?

John A. Heugle: Im Moment machen wir etwa 50 Prozent Standard und 50 Prozent ASICs. In Asien ist viel ASIC-Kompetenz gewünscht, im Konsumerbereich dagegen verwendet man lieber Standardprodukte, da man nicht die Zeit hat sich mit ASICs zu beschäftigen. Im Encoderbereich sind wir mit unserer Hall-Sensorik stark mit Standard-Produkten vertreten, die viel in Industrie- und Automobilapplikationen eingesetzt werden. Seit 2002 haben wir einen Technologietransfer zu TSMC und fahren denselben Basis-CMOS-Prozess. Auf diesen Basis-Prozess sind unsere Sonderprozesse in einem so genannten Overflow-Modell modular aufgesetzt, sowohl bei TSMC wie auch bei uns. Damit können wir, da wir Einzellieferant für eine Vielzahl von Kunden sind, diese von beiden Fabriken aus bedienen. 30 Prozent unserer Wafer kommen derzeit von TSMC. Unsere Hauptprozesse fahren wir mit Strukturen bei 0,8 µm und 0,35 µm. Seit zwei Jahren gibt es zusätzlich eine Kooperation mit IBM für eine gemeinsame 0,18-µm-Hochvolt-Technologie, die dann in Burlington installiert wurde.

Obwohl wir ein Analoghersteller sind, haben wir über viele Jahre Erfahrung aufgebaut bei der Prozessorentwicklung für Komplementärprodukte zu unseren Analogfrontend-ICs. Wir haben jahrelange Erfahrung mit ARM zum Beispiel mit Sensorikkunden, die nach mehr Leistung für die Sensor-Auswertung nachgefragt haben. Wir setzen aber auch unseren eigenen auf 8051 basierten Mikrocontrollercores ein.

Es gab in letzter Zeit einen starken Trend zu fabless, was ist ihre Meinung dazu?

John A. Heugle: Wir glauben nicht an diese Strategie von fabless oder fablight, wir steuern genau dagegen und sehen darin besonders im Analogbereich eine starke Verbindung zu unseren Innovationen. In sehr vielen Bereichen gab es in den letzten zwei Jahren Lieferengpässe und da hatten wir kein Problem. Als Hersteller bieten wir eine hohe Liefertreue und haben diese auch in den vergangenen zwei Jahren halten können.

Wir sehen, und hören es von unseren Kunden, die auch von anderen Herstellern beliefert werden, dass es 2011 bei denen weiter Engpässe geben wird. Durch unsere proaktive Investitionspolitik, die wir aus unserem Cashflow selbst finanzieren, sind wir gut gerüstet für 2011 und für weiteres Wachstum.

Herr Heugle wir bedanken uns für dieses Gespräch.

 

Siegfried W. Best

: ist Chefredakteur der AUTOMOBIL ELEKTRONIK

(sb)

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