Frank Knafla (rechts), ist bei Phoenix Contact Electronics als Fachleiter und Master Specialist Industrie 4.0 für die Erarbeitung und Umsetzung der entsprechenden Strategie verantwortlich. Arno Fast (mitte) arbeitet im Produktmanagement Steuerungstechnik und ist unter anderem für Proficloud verantwortlich. Mathias Weßelmann (links) ist Projektmanger Proficloud und begleitet die Entwicklung und Umsetzung der Proficloud auf der technologischen Seite.

Frank Knafla (rechts), ist bei Phoenix Contact Electronics als Fachleiter und Master Specialist Industrie 4.0 für die Erarbeitung und Umsetzung der entsprechenden Strategie verantwortlich. Arno Fast (mitte) arbeitet im Produktmanagement Steuerungstechnik und ist unter anderem für Proficloud verantwortlich. Mathias Weßelmann (links) ist Projektmanger Proficloud und begleitet die Entwicklung und Umsetzung der Proficloud auf der technologischen Seite. (Bild: Redaktion IEE)

2014 war die Proficloud für den Hermes Award der Hannover ­Messe nominiert. Was hat sich seitdem getan hat?

Mathias Weßelmann: 2014 haben wir die Proficloud als Konzeptstudie präsentiert und sehr viel Aufmerksamkeit erfahren. Mit der Nominierung für den Hermes Award ist die eigentliche Produktentwicklung gestartet worden. Inzwischen haben wir die Proficloud zur Serienreife entwickelt, mit allem was dazugehört, das heißt über die Services bis zur notwendigen Hardware. Das zeigen wir jetzt auf der Hannover Messe.

Das ist also der Grund, weshalb Phoenix Contact 2016 als Profi­cloud-Jahr ausruft?

Frank Knafla: Das Thema Cloud steht für uns im Kontext des Industrial Internet of Things. Proficloud ist im Grunde genommen ein Lösungsansatz, in diese Mechanismen einzusteigen. Und natürlich ist damit auch das Thema Industrie 4.0 verbunden.

Neben der Cloud steht die Digitalisierung ebenfalls sehr weit oben auf unserer Agenda. Nur wenn möglichst alle Daten digitalisiert in einer Cloud zur Verfügung stehen, können Anwender Business Intelligence-Lösungen implementieren, zum Beispiel die Berechnungen von Schlüssel­indikatoren. In die Cloud können dann beispielsweise bestimmte Prozesse ausgelagert werden, andere weiterhin lokal laufen. Das Spannende dabei ist, dass diese Funktionen je nach Bedarf und Know-how an spezialisierte Dienstleister ausgelagert und auch zurückgeholt werden können. Mit der Proficloud machen wir den ersten Schritt in diese Richtung.

Welche Szenarien haben Sie vor Augen?

Die Cloud stiftet in vielen Marktsegmenten Nutzen. Frank Knafla

Die Cloud stiftet in vielen Marktsegmenten Nutzen. Frank Knafla Redaktion IEE

Frank Knafla: Bei den Anwendungsszenarien haben wir viele Ideen und Szenarien mit Kunden und unseren Kollegen aus den Vertical Markets diskutiert, die sich mit Applikationen rund um bestimmte Schwerpunktindustrien befassen. Dabei haben wir eine Reihe interessanter Applikationen gefunden, die sich mit Proficloud besser umsetzen lassen als mit etablierten Lösungen.

Arno Fast: Der wesentliche Nutzen der Proficloud ist, die zwei Welten Automatisierungstechnik und Internet zusammenzubringen. Wir wollen das Internet of Things auf der Automatisierungsebene so abbilden, dass auch der SPS-Programmierer nicht nur die Ein/Ausgangsdaten der Maschinen nutzen kann, sondern auch Dienste aus dem Internet. Heute sind diese für ihn noch sehr weit entfernt, wenn nicht gar unerreichbar. Mit Proficloud stellen wir das ab.

Internet und Security fallen bei Kundengesprächen sicher in einem Atemzug?

Arno Fast: Das sind die Fragen, die immer zuerst kommen, wenn wir unsere Cloud-basierte Lösung erklären: Wo liegen meine Daten, ist das sicher? Ein Hauptaugenmerk bei der Entwicklung war für uns, so wenig Daten wie möglich zu speichern und dass unsere Applikationen dem deutschen Datenschutzgesetz unterliegen. Sämtliche Daten, die wir jemals im Rahmen unserer Cloud-Lösung bekommen sollten, liegen daher in Deutschland. Aktuell lassen wir gerade unsere Lösung von einem unabhängigen Institut prüfen. Ich bin überzeugt wir bestehen alle Security-Checks mit Bravur. Allerdings muss man unterscheiden zwischen der Verschlüsselung von Daten und ihrer Speicherung.

Denkt Phoenix Contact auch darüber nach, die komplette Datenspeicherung, Daten-Aggregation für Kunden zu übernehmen?

Arno Fast: Wir schaffen für Kunden die Möglichkeit, an solche Daten zu kommen, und diese dann selbst oder mit einem Dritten zu analysieren.

Mathias Weßelmann: Proficloud sieht sich zunächst nicht als Anbieter von Big Data-Technologien und -Services. Wir liefern Endkunden, Anlagenbauern oder dem Servicetechniker, der die Anlage betreibt, eine Schnittstelle und die Komponenten, so etwas zu tun ‒ noch dazu einfach handhabbar. Der Betreiber integriert den Koppler in seine Infrastruktur und kann solche Dienste ohne großen Konfigurationsaufwand nutzen.

Sie sehen Proficloud gewissermaßen als Hub, als Middleware für Maschinen, Anlagen und Produktionsunternehmen, um von da aus an andere Clouds anzudocken?

Mathias Weßelmann: Absolut. Wir stellen als Phoenix Contact Lösungen bereit, um Aufgaben kostengünstig und optimiert innerhalb der Cloud ausführen zu lassen, beispielsweise komplexere Berechnungen oder das Einspeisemanagement von Energie. All das läuft aktuell auf dezentralen Servern, die irgendwo vorgehalten werden. Das kann man in der Cloud zentralisieren, um einen Kommunikationsweg zu und Zugriff auf möglichst vielen Daten zu haben. Mit der Masse lassen sich dann präzisere Resultate erzielen. Und unter ökologischen Aspekten ist es zudem effizienter.

Frank Knafla: Daten sind ein entscheidender Punkt. Wem gehören diese Daten? Über Profi­cloud stellt der Anwender seine Informationen aus seinen Anwendungen anderen Applikationen in der Cloud zur Verfügung. Für uns ist wichtig, dass der Anwender entscheiden kann, wie er die Daten nutzen will und wem er sie zugänglich macht.

Mathias Weßelmann: Dazu lassen sich die Proficloud-Mechanismen soweit reduzieren, dass etwa nur Querkommunikation möglich ist. Hinsichtlich Funktionalität entspricht das einer Fernwartungslösung über Cloud-Mechanismen. Wichtig dabei ist: Proficloud lässt sich jederzeit erweitern, wenn das Zutrauen in die Technik gewachsen ist und beispielsweise die Prozessoptimierung über entsprechende Datenfreigaben und Algorithmen in der Cloud implementiert werden soll. Und fehlt dem Kunden die Expertise, kann er einen Partner einbinden und ihm die Zugriffsrechte auf diese Daten geben. So behält der Anwender die Kontrolle über seine Cloud-Anwendungen und was mit seinen Daten passiert.

Das heißt, Sie bieten von der Proficloud heraus Schnittstellen in andere Cloud-Strukturen, andere Datenbanksysteme an?

Der Anwender behält die Kontrolle über seine Daten. Mathias Weßelmann

Der Anwender behält die Kontrolle über seine Daten. Mathias Weßelmann Redaktion IEE

Mathias Weßelmann: Das ist so geplant, zum Produkt-Launch aber noch nicht umgesetzt. Wir werden im Laufe des Jahres Software Development Kits bereitstellen, die Anwender in die Lage versetzen, eigene virtuelle Proficloud-Devices zu programmieren. Die nutzen dann natürlich den Proficloud-internen Kommunikationstreiber. Ein virtuelles Device könnte beispielsweise dann auch nur ein Bindeglied zwischen Proficloud und anderen Clouds sein und dazu MQTT als Mechanismus nutzen.

Sie haben gerade MQTT genannt. Was ist mit OPC UA?

Mathias Weßelmann: Es spricht überhaupt nichts dagegen, ebenso OPC UA einzusetzen. Die Schnittstellen sind im End­effekt lediglich eine Frage der Implementierung. Was die Entwicklung der Proficloud angeht, sind wir offen.

Frank Knafla: Wir haben das Ecosystem mit Absicht im ersten Schritt relativ klein gehalten, auch wenn es schon eine ganze Menge kann. Wir wollen die Anwender erst mal damit spielen und Ideen entwickeln lassen. Und auf dieses Feedback werden wir innerhalb der Entwicklung reagieren.

Der Koppler ist letztlich ein Ethernet-Gateway. Die meisten Steuerungen haben bereits Ethernet an Bord. Was spricht dagegen, den Cloud-Koppler als Software in die SPS zu implementieren?

Arno Fast: Dagegen spricht nichts. Das ist auch einer unserer nächsten Schritte. Ausschlaggebend ist, dass die Steuerung eine entsprechende Leistung vorhalten muss, um den Koppler rückwirkungsfrei zu ersetzen. Im ersten Schritt haben wir uns für einen Standalone-Koppler entschieden, auch um das Ganze in der Handhabung einfach zu halten.

Frank Knafla: Ein weiterer Vorteil ist, dass wir den Koppler in Fremdsysteme einbringen und bestehende Anlagen damit erweitern können. Wir leben den Retrofit-Gedanken und wollen ebenfalls existierende Anlagen in die Proficloud heben. Aktuell sind wir selbst gerade dabei, die ersten Koppler in eigenen Anlagen zu installieren.

Stichwort Retrofit und Altanlagen: Brauchen Sie nicht auch Koppler, die Profibus, Ethercat oder auch noch Interbus unterstützen?

Arno Fast: Technologisch können wir das. Es gilt allerdings zu klären, ob man Zukunftstechnologien wie Cloud Automation dann mit einem seriellem Bus direkt verheiraten will. Das werden die Anforderungen aus dem Markt zeigen.

Frank Knafla: Nur weil es Cloud-Lösungen gibt, wird nicht jede Altanlage eingebunden. Zuvor steht immer die Frage im Raum, welchen Mehrwert bringt es. Auch wir haben Anlagen im Unternehmen stehen, die schon länger in Betrieb sind und nicht mit Profinet automatisiert wurden. Ist der Nutzen einer Cloud-Anbindung nachgewiesen, dann ist es technisch kein Problem, die Cloud-Anbindung über einen Proxy und den Proficloud-Koppler zu realisieren.

Sie sprechen von virtuellen Geräten und Third Party-Produkten. Gibt es schon konkrete Ansätze, Kooperationen?

Wir liefern mit Profi­cloud das Vehikel für Big-Data- und IoT-Ansätze. Arno Fast

Wir liefern mit Profi­cloud das Vehikel für Big-Data- und IoT-Ansätze. Arno Fast Redaktion IEE

Mathias Weßelmann: Wir bekommen gerade viel Feedback von potenziellen Partnern und stehen Kooperationen sehr aufgeschlossen gegenüber. Das ist ein wichtiger Punkt auf unserer Roadmap. Auf der Hannover Messe zeigen wir zusammen mit einem Partner ein Beispiel, wie wir dessen System an unsere Proficloud anbinden können, und vor allem wie einfach das geht.

Frank Knafla: Alleine wird Phoenix Contact den Proficloud-Gedanken nicht in dem gewünschten Umfang etablieren können. Umso wichtiger sind uns Kooperationen, beispielsweise mit
der Firma Zühlke, mit der wir erste Applikationen in Hannover zeigen werden.

Was wird auf der Hannover Messe in Sachen Proficloud auf dem Phoenix-Stand zu sehen sein?

Mathias Weßelmann: Mehrere Aspekte werden dort präsentiert. Zum einen stellen wir eine Anlage zur automatischen Montage von Printklemmen auf, die mit der Proficloud verbunden ist. Über den Koppler stehen Smart Devices diverse Prozessdaten zur Verfügung. Die Funktionsfähigkeit demonstrieren wir anhand einer Smartwatch, die dem Bediener Alarme und Statusmeldungen anzeigt. Zudem haben wir Produktionsanlagen am Standort Bad Pyrmont eingebunden und rufen über die Cloud Live-Daten ab.

Arno Fast: Bis zur Hannover Messe haben wir zwei virtuelle Geräte verfügbar, die den Gedanken des Cloud Computings widerspiegeln und indirekt eine Kopplung mit Third Party Clouds darstellen. Zum einen ist das ein Wetter-Device über die wir das aktuelle oder prognostizierte Wetter zu einem beliebigen Zeitpunkt abrufen und als Prozessdatum in Profinet integrieren können. Dann gibt es ein Kalkulations-Device, mit dem wir komplexere Berechnungen in die Cloud verlagern und dort ausführen lassen.

Frank Knafla: Das ist eins der konkreten Vertical Market-Beispiele, von denen es im nächsten Jahr noch einige mehr geben wird.

Hannover Messe 2016: Halle 9, Stand F40

(sk)

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