20EE-Kolleg 06-Jubiläumstorte

(Bild: Marisa Robles)

The Wall Street Journal jubelte, wenn auch verhalten: „Endlich kommt die SMT zum Laufen!“ Die New Yorker Tageszeitung wundert sich in ihrer Ausgabe vom Freitag, den 13. September 1985 gehörig darüber, warum lediglich die Uhrenindustrie die Vorteile der SMT-Fertigung bereits seit 1975 für die Herstellung digitaler Uhren verwendet.

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Dr. Hans Bell, Forschungsleiter von Rehm Thermal Systems, moderiert durch die zweitägige Konferenz. Marisa Robles

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1977 wird James Bond „digital“: Erstmals stattete Seiko den Filmhelden im Film „Der Spion, der mich liebte“ mit einer Uhr aus – eine der ersten Digitaluhren überhaupt: die Seiko DK001. Seiko

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Die G757 Sports 100 von Seiko, trug Roger Moore in “Octopussy”. Die damals ultimativ hippe Digitaluhr war im James-Bond-Streifen mit einem Peilempfänger ausgestattet. Seiko

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Referenten des ersten Tages (v.l.n.r.): Rolf Aschenbrenner Fraunhofer IZM Günter Grossmann (EMPA), Stefan Baur (BMK Group), Dr. Hans Bell (Rehm Thermal Systems) und Alexander M. Schmoldt (Murata Europe). Marisa Robles

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Referenten des zweiten Tages (v.l.n.r.): Dr. Ralf Kleiber (Max-Planck-Institut für Plasmaphysik), Karl-Heinz Gaubatz (Dräxlmaier Elektrik- und Elektroniksysteme), Prof. Dr. Ute Geißler (TU Wildau), Prof. Dr. Jolanta Janczak-Rusch (EMPA), Eike Kottkamp (Innome), Dr. Hans Bell (Rehm Thermal Systems) und Felix Eberli (Supercomputing Systems). Marisa Robles

Mit Pulsar P1 wurde im Jahr 1971 die erste digitale Armbanduhr von Hamilton der Weltöffentlichkeit präsentiert. Sie hatte ein LED-Display und kostete sagenhafte 3950 Dollar, was seinerzeit dem Preis eines Kleinfahrzeugs entsprach. Und selbst James Bond konnte sich des digitalen Fortschritts der zeigerlosen Uhren am Handgelenk nicht entziehen: In „Der Spion, der mich liebte“ trägt Bond eine Uhr von Seiko, genauer gesagt eine Seiko DK001. In fünf Filmen kommen weitere Seiko-Digitaluhren (insgesamt acht Mal) zum Einsatz: Unter anderem die Seiko SFX003 in „Moonraker“ (1977), die Seiko WHV005 in „In tödlicher Mission“ (1981) und die Seiko SPR007 in „Im Angesicht des Todes“ (1985) – allesamt mit interessanten Gadgets wie ein telexähnlicher Fernschreiber, integrierter Peilsender oder mit Handy-Funktion.

Dass dem Journalisten Dennis Kneale ein kleiner Lapsus unterlief, da es die erste digitale Uhr bereits 1971 gab, ist unerheblich. Bemerkenswert ist jedoch: „Bis zu diesem Artikel 1985 hat 10 Jahre gebraucht, bis die Elektronikfertigung endlich gemerkt hat, was für ein wahnwitziges Potential die SMT birgt“, bekräftigt Günter Grossmann von EMPA, in seinem Rückblick „20 Jahre EE-Kolleg – 20 Jahre Surface Mount Technology“. Seit der ersten digitalen Uhr im 1971 gelten noch immer die gleichen Vorteile wie „mehr Leistung in weniger Platz und für weniger Geld“, führt Grossmann aus. Anfang der 1970er Jahre sind Digitaluhren kaum bezahlbare Prestigeobjekte, die ihrem Träger mehr Aufmerksamkeit garantieren als später das erste Iphone von Apple.

Und galten so manche Gadgets des 007-Agenten damals noch illusionär, so waren mit der SMT-Fertigung Innovationen in der realen Welt kaum Grenzen gesetzt. Verschiedene Hersteller, vor allem japanischer Provenienz, entwickelten die digitale Uhr rasch zum Multifunktionssystem, beispielsweise ausgestattet mit einem Taschenrechner (Citizen Quartz Crystron Calculator, 1976), als Fernsehuhr mit walkmangroßen Receiverset (Seiko DXV002, 1982), die Computeruhr mit 2000 Zeichen Speicherkapazität und drahtloser Dateneingabe über ein kleines Keyboard (Seiko Data 2000, 1984), als funkgesteuerte Armbanduhr (Junghans Mega 1, 1990) oder als Herzfrequenzuhr für ein sportliches Hightech-Lifestyle (Polar Vantage NV, 1995).

Erst Samsung gelang es im Jahr 2009 mit dem Modell S9110 eine Smartwatch mit einer echten Kombination aus Handy und Uhr – mit ihr kann man telefonieren. Genial waren diese Produkte nur zu ihrer Zeit.

Auch das vermag die SMT: einen mörderischen Preiskampf anzuzetteln. Auch dafür ist die Uhrenindustrie beispielhaft. Denn kostete Anfang 1972 die erste digitale Uhr eine Pulsar 1 noch knapp 4000 Dollar, so unterbot bereits drei Jahre später Fabrikant Litronix die 50-Dollar-Grenze und 1977 gab es bereits Modelle für 9,95 Dollar, die in Deutschland für 20 Deutsche Mark zu haben sind. Das einstige Statussymbol nahm schnurstracks den Weg zur Resterampe.

Rückblick für künftige Meilensteine

Bei einem Jubiläum bleibt der Rückblick nicht aus. Das weiß Dr. Hans Bell, Forschungsleiter von Rehm Thermal Systems und Moderator der zweitägigen Tagung: „Natürlich müssen wir auch wenig zurückblicken. Das Wesentliche ist jedoch der Blick in die Zukunft.“ Für den Blick über den Tellerrand hinaus sollte der Vortrag von Dr. Ralf Kleiber vom Max-Planck-Institut für Plasmaphysik sorgen. „Kernfusion, Forschung für die Energie der Zukunft“, ließ Bell darüber spekulieren, inwiefern die Menschheit in der Lage sein werde, in vielleicht 50 Jahren vernünftig mit Kernfusion umgehen zu können. „In jedem Fall wird dies zu sehr interessanten Diskussionen führen“, ist er sich da sicher. Zukunftsträchtige praktische Themen dürfen freilich nicht fehlen, weshalb Bell den Bogen über Nanoloten- und Nanomaterialien über Bondmaterialen bis hin zu Zukunftsperspektiven der SMT-Elektronik spannt.

Wie wichtig es ist, den Blick nach vorne gerichtet zu halten, untermauerte Rolf Aschenbrenner vom Fraunhofer IZM Berlin. In seinem Vortrag „Forschung für die Elektroniksysteme von morgen“ stellte er anschaulich dar, dass künftig Halbleiter und Leiterplatten immer mehr zusammenwachsen werden. Jüngstes Beispiel sei das Iphone 7 von Apple, das auf Waferleve-Packaging statt auf Leiterplatten aufsetzt: „Die Technologie zur Chip-Anbringung, die TSMC nutzt, wird Integrated Fan-Out Waferlevel-Packing, kurz InFO-WLP, genannt. Sie unterscheidet sich von der herkömmlichen Methode, bei der CPU oder SoC via Lötperlen auf Leiterplatten angebracht werden.“ Künftig wird sich auch das Panellevel-Packaging einen festen Stellenwert in der Elektronikfertigung erobern, ist er überzeugt.

Da für die Lithographie im FO-WLP keine sub-µm Strukturen notwendig sind, die für die enormen Kosten für die Umstellung auf 450 mm im CMOS verantwortlich sind, ist diese Möglichkeit durchaus beachtenswert. Ein anderer Ansatz ist die Verwendung von großflächigen Panels, die bereits in den Bereichen LCD, Leiterplatte und Solar eingesetzt werden. Eine Umstellung der FO-WLP-Fertigung auf solch große Formate stellt eine Chance zu niedrigeren Fertigungskosten dar. In einem Panel Level Konsortium wird die Fan-out Panel Level Packaging Technologie derzeit am Fraunhofer IZM mit Partnern der Wertschöpfungskette, sowohl Material- und Gerätelieferanten, OSATs als auch Endanwendern in die industrielle Massenfertigung überführt, berichtet Aschenbrenner. Leiterplattenhersteller seien seiner Ansicht nach künftig mehr denn je gefordert: „In der Vergangenheit haben viele Leiterplattenhersteller zu wenig in Forschung und Entwicklung investiert. Dadurch ist es schwierig, neue Technologien umzusetzen“, mahnt er.

Sich Neuem zu öffnen, dazu animierte auch Alexander M. Schmoldt von Murata. Mit „Ozzie 4.0“ hatte er die über 150 Teilnehmer schnell in seinem Bann. Denn diese Katze hatte die enorme Distanz von Sidney (Australien) über London bis nach Nord-Irland hinterlegt. Wenngleich die Reisedetails nicht ergründen lassen, so zeigt dieses Beispiel anschaulich, welche Möglichkeiten Cyber-physikalische Systeme offerieren, lassen sich doch in einem RFID-Chip wichtige Daten wie Namen, Herkunft und Impfungen hinterlegen. Dass sich auch Leiterplatten mit RFIDs ausstatten lassen, ist sicherlich nicht neu, vor allem wenn es darum geht, die elektronische Baugruppe zu kennzeichnen und mit einem Kopierschutz zu belegen.

Doch lässt sich RFID auch für den gesamten Produktionsprozess verwenden und auf diese Weise eine lückenlose Traceability sicherstellen. Neben durchgeführten Projekten mit Cisco und Jabil stellte er mit EEECI ein aktuelles Projekt vor, das die gesamte Produktlebenszeit abzubilden vermag.

21. EE-Kolleg

Im kommenden Jahr wird das EE-Kolleg vom 21. März bis 25. März 2017 wie gewohnt auf Mallorca in Colonia de Sant Jordi stattfinden.

Materialien für die Zukunft für die Baugruppenfertigung

Jedes Jahr verdoppelt sich die Anzahl der Fügeverbindungen. Im Zuge der Miniaturisierung sind neue Fügematerialien sind gefragt, ist sich Prof. Dr. Jolanta Janczak-Rusch vom EMPA sicher. „Bereits im Jahr 2021 soll das offizielle Ende des Mooreschen Gesetzes erfolgen.

20EE-Kolleg 04-EE-Kolleg-Gründer

Das 20. Jubiläum EE-Kolleg auf Mallorca gäbe es ohne das Engagement der ersten Riege nicht (v.l.n.r.): Janos Tolnay (Zevac), Dieter Jenne (ehemals Mimot), Isabella Koenen (ehemals Koenen) und Johannes Rehm (Rehm Thermal Systems). Marisa Robles

20EE-Kolleg 05-Abschlussgruppenbild

Zum 20. Jubiläum des EE-Kollegs gab stellten sich die Veranstalter Christian Koenen (Christian Koenen), Georg Pollmann (Kolb Cleaning Technology), Josef Jost (Balver Zinn), Janos Tolnay (Zevac), Klaus Mang (Asys Group), Günter Schindler (ASM Assembly Systems) und Johannes Rehm (Rehm Thermal Systems) unter der Moderation von Dr. Hans Bell (Rehm Thermal Systems) einer Abschlussdiskussion über die Herausforderungen aber auch Perspektiven der elektronischen Baugruppenfertigung. Im Anschluss gesellten sich die Damen der Organisation für's Gruppenbild hinzu: Conny Miede (Kolb Cleaning Technology), Franziska Bell (TBB) und Nicole Egle (Asys Group). Marisa Robles

20EE-Kolleg 07-Johannes Rehm beim Tortenanschnitt

...die von einem der EE-Kolleg-Gründungsväter, Johannes Rehm, begeistert und nicht ohne Stolz angeschnitten wurde. Marisa Robles

20EE-Kolleg 08-Kaffeepause

Kaffeepausen ermöglichten angeregten Wissenstransfer unter den etwa 150 Teilnehmern. Marisa Robles

Die Einhaltung des Mooresches Gesetzes war nur dank gemeinsamen Anstrengungen aller Komponentenhersteller und der ständigen Material- und Technologieentwicklung einschließlich der Fügetechnologie möglich.“ Wie geht es weiter? 3D-CPU-Architekturen, gepaart mit einem modifizierten Mooreschen Gesetz werden verstärkt in den Fokus rücken, erläutert sie in ihrem Vortrag „Nanolote – Fügewerkstoffe der Zukunft?“ Nanoskalierte Fügewerkstoffe und nanotechnologische Fügeprozesse sind ihrer Ansicht nach die Zukunft und prägt dabei den Begriff von „Nanojoining“. Denn durch Nutzung der Nanoeffekte lassen sich besondere Eigenschaften erzielen und neuartige Prozesse entwickeln.

Auch Prof. Dr. Ute Geißler der Technischen Hochschule Wildau widmete sich den zukünftigen Materialien. Sie referierte über „Materialentwicklungen in der Bondtechnik“ und stellte dabei die jüngsten Materialentwicklungen im Bereich Dünndraht und Dickdraht vor. Schließlich erläuterte sie die Vorzüge von Aluminium-Scandium (AlX) als Bonddraht. Über gedruckte Nanomaterialien für die Mikro-Sensorik gab Eike Kottkamp von Innome Auskunft. Dabei gelte es, Kunststoff und Sensorik intelligent zu verknüpfen. Als Anschauungsbeispiel stellte er ein intelligentes Tatoo vor, bei dem Daten hinterlegt werden können und dass sich direkt auf die Haut applizieren lässt.

Verantwortung für die Zukunft

Durch die geballte Wissensexplosion sah sich die Elektronikfertigungsbranche in der Lage, beispielsweise Handies und später Smartphones produzieren können. Der technologische Sprung zwischen 1998 bis hin zu 2016 ist enorm. Das führt aber auch dazu, dass nicht nur fast jeder Weltbürger heutzutage ein Smartphone besitzt – die globale Abdeckung liegt bei über 70 Prozent – sondern auch, dass ausgemusterte elektronische Geräte irgendwann irgendwo entsorgt werden. Daraus resultiert ein gigantisches weltweites Müllwachstum. „Wir, die wie Verantwortung für Technologien der Zukunft besitzen, sollten im Hinterkopf behalten, welche Lebens- und Nutzungsdauer unsere Produkte haben sollten und was mit diesen beim End-of-Live geschehen wird“, mahnt daher Dr. Hans Bell von Rehm mit Blick auf die endlichen Ressourcen.

Das wird umso klarer, wenn man sich vergegenwärtigt, was benötigt wird, um beispielsweise ein Smartphone herzustellen: 270 kg Rohöl, 22 kg teils gesundheitsschädigender Chemie und 1500 l Wasser. Hinzu kommen wertvolle Edelmetalle und sogenannte Seltene Erden. Auch fügt die Jagd nach immer größeren Rohstoffmengen der Natur massiven Schaden zu und kann dazu führen, dass manche Ressourcen schon bald erschöpft sind. Beachtlich ist zudem der massive Energieaufwand: In den vergangenen zehn Jahren verschlang die Smartphone-Produktion laut Greenpeace weltweit 968 tW/h Strom, das entspreche der kompletten jährlichen Energieversorgung Indiens. „Da sollte doch Recycling als alternative Rohstoffquelle ein attraktives Thema werden. All das was wir mit unserer Industrie tun, hat Auswirkungen auf unseren schönen blauen Planeten“, bekräftigt er weiter.

Wie also lässt sich eine Elektronikfertigung nachhaltig gestalten? Die Antwort lieferte Stephan Baur von BMK in seinem Vortrag „Auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit“. Und die beginnt bereits in den eigenen Werkshallen. So wurde beispielsweise die Hallenbeleuchtung auf LED-Technik mit Tageslichtsteuerung und Bewegungsmeldern umgerüstet, die Kälteerzeugung durch Stickstoffverdampfung erzielt und Druckluftreduzierung vorangetrieben. Die Motivation für eine Ressourcenstrategie reicht noch weiter, was Stephan Baur anhand von Windmühlen erklärt: „Im 17. Jahrhundert setzte sich ein Windrad aus lediglich drei Elementen, die heutigen Windräder jedoch aus 36 Elementen zusammen. Da können schnell Lieferengpässe entstehen.“ Zum Beispiel hat China ein reiches Vorkommen an Seltener Erden und sich damit eine Monopolstellung aufgebaut. Zudem forcieren verschiedene Gesetze und Richtlinien eine fundierte Rohstoffbewertung – Kritikalität genannt. Wie umfangreich dies ist und was alles zu berücksichtigen ist, erläuterte er dabei anschaulich.

Mit den Referenten Felix Eberli von Supercomputing Systems und Karl-Heinz Gaubatz von Dräxlmaier Elektrik und Elektroniksysteme bekamen die Teilnehmer einen Einblick in die jüngsten Entwicklungen der Fahrerassistenzsysteme und den Fortschritten im Bereich des autonomen Fahrens. Die zweitägige Konferenz schloss mit einer besonderen Expertenrunde: Die Geschäftsführer von ASM Assembly Systems, Asys Group, Balver Zinn Josef Jost, Christian Koenen, Kolb Cleaning Technology, Rehm Thermal Systems und Zevac diskutierten über die neuesten und zukünftigen Entwicklungen in der SMT.

Die redaktionelle Überarbeitung dieser Diskussionsrunde wird in der nächsten Productronic-Ausgabe nachzulesen sein.

Zur Bildergalerie mit Eindrücken der Jubiläumsveranstaltung.

Marisa Robles

Chefredakteurin Productronic

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