Die steigende Zahl von elektronischen Steuergeräten und die zunehmende Vernetzung des Fahrzeugs intern und mit der Fahrzeugumgebung führen zu hohen Anforderungen an die Vernetzungstechnologien im Auto. Inzwischen sind in Oberklassen-Limousinen rund 100 Steuergeräte verbaut, die ein immer größeres Datenvolumen generieren. Außerdem mutiert das Auto zunehmend zu einer rollenden Multimedia-Einheit: Mobile Endgeräte von Fahrer und Beifahrer sollen Zugang zum Fahrzeugnetz bekommen, um etwa Audiodaten von MP3-Playern über die Fahrzeug-Audioanlage abzuspielen oder Videoinhalte, wie Kinderfilme auf Displays für die Rücksitze, zu leiten. Umgekehrt könnten Audio-Inhalte, wie Internet-Radio über einen Internetzugang des Fahrzeugs auf mobile Geräte der Fahrzeuginsassen transferiert werden.

Diese und weitere Anwendungsfälle erhöhen die Anforderungen an die Bordnetze hinsichtlich Bandbreite, Integrierbarkeit, Flexibilität und Echtzeitverhalten im Vergleich zu bisherigen vernetzten Fahrzeuganwendungen. Neben ausreichender Bandbreite und einer hohen Verarbeitungs- und Signalqualität, spielen gleichzeitig Kosten-, Komplexitäts- und Gewichtsreduktion eine entscheidende Rolle. Deshalb ist man sich in der Automobilindustrie weitgehend einig, dass in den nächsten Jahren vermehrt die bestehende Bustopologie in eine Backbone Architektur auf Ethernet-Basis übergehen wird.

BroadR-Reach setzt sich immer durch

Ethernet erlaubt die Wiederverwendung von Komponenten, die sich im Einsatz außerhalb der Fahrzeugindustrie bewährt haben. Geht es nach den Analysten von ABI Research, dann sollen bis zum Jahr 2020 weltweit in 40 Prozent der Neuwagen Netzwerktechnologien und Standards wie Ethernet, WLAN und NFC zum Einsatz kommen. Nicht nur, um mobile Geräte wie Smartphones einzubinden, sondern auch für die Fahrzeugsteuerung, Sensoren und Infotainmentsysteme. Die Penetration des Ethernet-Standards in neuen Automobilen wird laut den Auguren von derzeit 1 Prozent auf 40 Prozent im Jahr 2020 ansteigen. Sie beziehen sich dabei auf den Ethernet-Standard „100 Mbps BroadR-Reach Automotive“, den die One-Pair Ether-Net Special Interest Group im Jahr 2011 definierte. Bei BroadR-Reach handelt es sich um ein Ethernet Physical Layer, der von Broadcom entwickelt wurde. BroadR-Reach setzt sich immer mehr als geeignete und wirtschaftliche Verkabelungstechnologie für das Kraftfahrzeug der Zukunft durch und wird daher aktuell als De-facto-Standard für 100 Mbit/s angesehen. Mit ihm ist es möglich 100 MBit/s Ethernet über ein einzelnes, ungeschirmtes Adernpaar zu übertragen.

Haupttreiber für den Ethernet-Einsatz im Fahrzeug sind aktuell kamerabasierte Fahrerassistenzsysteme. Bei Kameraanwendungen im Fahrzeug kam bisher die Technologie „Low Voltage Differential Signaling“ (LVDS) zum Einsatz. Die dort in der Regel verwendeten geschirmten Kabel sorgen zwar für die elektromagnetische Verträglichkeit, sind aber für Branchenverhältnisse teuer und in der Verlegung im Kraftfahrzeug wenig praktikabel. Die für diesen Zweck normalerweise verwendeten geschirmten Kabel sorgen für die notwendige Qualität der Datenübertragung und die gewünschte elektromagnetische Verträglichkeit.

Diese Art von Kabel ist aber für Branchenverhältnisse sehr teuer und benötigt auf Grund des größeren Querschnitts mehr Bauraum im Fahrzeug. Mit BroadR-Reach ist eine alternative 100 MBit/s schnelle Ethernet-Technik verfügbar, die auf eine Extraschirmung respektive Ummantelung verzichtet und als Datenleiter ein verdrilltes zweiadriges Kabel (UTSP: Unshielded Twisted Single Pair) vorsieht. Die BroadR-Reach-Technologie bietet, neben einer geeigneten Bandbreite zur Übertragung größerer Datenmengen und einer verbesserten Handhabung elektromagnetischer Störfaktoren (EMV), auch einen entscheidenden Kostenvorteil. Die gesteigerten Übertragungsraten in den Leitungen erfordern ein besonderes Augenmerk auf die Reduktion elektromagnetischer Störfaktoren (EMV), und die OEMs haben sehr konkrete Anforderungen an die einzusetzenden UTSP. So werden die genauen Abmessungen des verdrillten Endprodukts vorgegeben und deren exakte Einhaltung gefordert. Schlaglänge, Symmetriebetrachtungen und besonders die Länge der unverdrillten Leitungsenden sind entscheidend.

Akkurater Verdrillprozess

Um ein stabiles und qualitativ hochwertiges UTSP herzustellen, ist eine genaue Kenntnis über die generelle Produzierbarkeit und ein gezieltes Einwirken auf den Verdrillprozess unabdingbar, denn die qualitativ hochwertige Produktion von UTSP ist deutlich komplexer, als es auf den ersten Blick scheint. Viele von den OEMs gewünschten Produkteigenschaften und Abmessungen beeinflussen sich gegenseitig. Als einfaches Beispiel sei hier die Abhängigkeit von Schlaglänge und Länge der unverdrillten Kabelenden genannt: Je kürzer die Länge der unverdrillten Leitungsenden, umso geringer fallen die Übertragungsfehler aus. Die Stärke der jeweiligen Beeinflussung hängt zudem vom Außendurchmesser des Kabels selbst ab.

Hinzu kommen mechanische Restriktionen, die sich durch die Kombination von UTSP und der Produktionsmaschine selbst ergeben. So ist es klar, dass ein Greifer zum Halten eines Leiterendes auch Platz benötigt und dies im Zusammenhang mit gewünschten Abisolierlängen, Crimpkontakten, Tüllenpositionen und der Länge der unverdrillten Kabelenden steht. Zudem muss sichergestellt sein, dass es während der Produktion zu keiner Kollisionen in der Maschine kommt, welche die Maschine oder den UTSP beschädigen würden. Nicht jedes UTSP ist gleich gut beziehungsweise überhaupt produzierbar, so dass großer Wert auf ein fertigungsgerechtes Produktdesign zu legen ist. Eine Konsistenzprüfung, die eine generelle Produzierbarkeit des gewünschten UTSP berechnet, ist daher ein unverzichtbares Instrument, sofern maximale Produktionsgenauigkeit auf hohem Qualitätsniveau gefordert wird. Die besten Resultate lassen sich zudem erzielen, wenn nicht nur der Verdrillprozess an sich, sondern auch die Quereinflüsse durch das vorherige Ablängen, Abisolieren, Tüllenbestücken und Kontaktanschlagen in die Betrachtungen zur Produzierbarkeit miteinfließen. Daher ist auch eine integrierte, vollautomatische UTSP-Produktion vielen kleinen Insellösungen vorzuziehen.

Ist die Produzierbarkeit gegeben, so steht einer zuverlässigen Herstellung von UTSPs nichts mehr im Wege. Ein tiefes Verständnis des Verdrillprozess hilft bei der Optimierung auf höhere Produktionsgeschwindigkeit und/oder -genauigkeit. Zu diesem Zweck sind in Abhängigkeit von Kabeltyp, Kabelmaterial und Kabelverhalten bestimmte Parameter zubetrachten und es sollte die Möglichkeit zur kontrollierten Steuerung des Verdrillprozess gegeben sein. Um beim Verdrillen auftretende Fliehkräfte zu minimieren und zu einer sehr gleichmäßigen Verteilung der Schläge zu gelangen, ist es nötig, bei der Produktion ein Vorverdrillen zu berücksichtigen und entsprechend festzulegen. Im nächsten Schritt lassen sich sodann die Kabel mit einer festzulegenden Maximalgeschwindigkeit verdrillen. Ein dedizierter Elastizitäts-Parameter muss es dabei ermöglichen, ein Überverdrillen mit anschließendem Entdrillen sehr genau zu definieren, um die gewünschte und dauerhafte plastische Verformung des Kabelprodukts zu erhalten.

Zuverlässige, standardisierte UTSP-Produktion

Komax Wire hält dafür den Verdrillvollautomaten Alpha 488 S bereit, der die vollautomatische Verarbeitung von zwei Einzelleitungen als Meterware mit anschließendem Verdrillen und zahlreichen integrierten Qualitätskontrollen ermöglicht. Der modulare Aufbau macht das Systems sehr flexibel: Das Maschinenlayout erlaubt den Aufbau von bis zu sechs Verarbeitungsstationen. Dabei lassen sich Leitungsquerschnitte von 2 × 0,22mm² (AWG24), optional ab 2 × 0,13mm² (AWG26), bis 2 × 2,5mm² (AWG14) verarbeiten. Zudem ist es möglich, die Anlage für die Verarbeitung von zwei maßgleichen, unverdrillten Einzelleitungen einzusetzen. Das System ist in Ausführungen von 4, 7 und 10 m erhältlich. In Verbindung mit den Crimpmodulen mci 722 und mci 712 und dem Tüllenbestückungsmodul mci 765 C, den Schnellwechselsystemen sowie den integrierten Qualitätsüberwachungen will Komax sowohl hohe Prozesssicherheit als auch Verarbeitungsqualität und kürzeste Umrüstzeiten sicherstellen.

Der Verdrillkopf mit AC-Servoantrieb ist das Herzstück der Alpha 488 S und bringt die nötige Dynamik. Die integrierte TFA-Überwachung (Twist Force Analyzer) kontrolliert die Kräfte während des Verdrillprozesses und regelt die Nachstellbewegungen des Verdrillkopfs. Damit ist ein regelmäßiger und präziser Verdrillvorgang sichergestellt. Die lineare Kabeleinzugseinheit mit integrierter DLA (Delta Length Analyzer) ermöglicht ein schonendes Einziehen der Leitungen und eine hohe Längengenauigkeit. Die hohe Ausbringleistung der Anlage wird durch die Parallelverarbeitung von zwei Leitungen sowie der Aufteilung des Verarbeitungszyklus in drei optimal synchronisierte Hauptprozesse erreicht. Schonende und genaue Kabelbehandlung wird durch die Transferbrücke mit motorisierten Achsen erreicht. Diese ermöglicht es ebenfalls, gewisse Einrichtungsabläufe zu automatisieren.

Marisa Robles Consée

ist freie Redakteurin Productronic

(mrc)

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Komax AG

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