Im Grunde ist das neue HS Kairo von Hoerbiger nichts anderes als ein optischer Kabelersatz. Da die Datenpakete nicht über Lichtwellenleiter übertragen werden, sondern über die Luft, gehört das Gerät in die Kategorie der FSO-Systeme (Free Space Optical Communication) oder des VLC (Visible Light Communication). Einer der entscheidenden Unterschiede zu den auf Laser basierten Kommunikationssystemen ist die eingesetzte LED-Technik. Es lassen sich zwar nicht solche hohen Übertragungsgeschwindigkeiten und großen Reichweiten erreichen wie beim Einsatz von Lasern. Aber es sind keine Zertifizierungen nach Laserschutzklassen notwendig, eine Feinjustierung der Geräte entfällt und aufgrund der LED-Technik sind die Kosten geringer. Die optische Datenübertragung ist lizenz- und gebührenfrei. Bei der Datenübertragungsrate hält sich Hoerbiger an den heutzutage üblichen Fast-Ethernet-Standard von 100 MBit/s, in den Seriengeräten ist ein Anschluss für das Netzwerkkabel integriert. Weil zwei verschiedene Wellenlängen für die Kommunikation verwendet werden, ist Vollduplexbetrieb möglich. Die maximale Reichweite beträgt zurzeit 30 m. Bei einem Abstand von unter 3 m lässt sich die Information über einen Winkel von 360° senden und empfangen. In der Endausbaustufe sind Übertragungsraten bis zu 1 Gbit/s und eine Sendedistanz bis zu 1 km geplant.

Ein wesentlicher Bestandteil der Optik ist das Übertragungssystem. Je nach Anwendung kann der ausgesendete Lichtstrahl durch geeignete Linsen im Sender stark gebündelt oder sehr aufgeweitet werden.

Ein wesentlicher Bestandteil der Optik ist das Übertragungssystem. Je nach Anwendung kann der ausgesendete Lichtstrahl durch geeignete Linsen im Sender stark gebündelt oder sehr aufgeweitet werden.Hoerbiger

Ein wesentlicher Bestandteil der Optik ist das Übertragungssystem. Je nach Anwendung kann der ausgesendete Lichtstrahl durch geeignete Linsen im Sender stark gebündelt oder sehr aufgeweitet werden. Die im Empfänger eingesetzte Optik bewirkt eine Verstärkung des einfallenden Lichtes. Des Weiteren ist sowohl die Helligkeit der LEDs als auch die Sende- und Empfangsempfindlichkeit der Geräte einstellbar. Alles zusammen bestimmt den maximalen Übertragungsabstand und Öffnungswinkel. Generell gilt: Je weniger Fremdlicht auf den Empfänger trifft, desto besser kann das optische Signal verarbeitet werden. In geschlossenen Räumen funktioniert das System deswegen am besten. Denn die Raumbeleuchtung hat kaum einen negativen Einfluss. Eventuelle elektromagnetische Schwingungen von Leuchtstoffröhren stören die Datenübertragung nicht, da diese mit einer viel höheren Frequenz abläuft. Das Fremdlicht an sich wird durch spezielle, schmale optische Bandpassfilter ausgefiltert.

Da sich die Sendeleistung der LEDs und die Empfindlichkeit des Empfängers einstellen lassen, können ein gewisser Verschmutzungsgrad, spiegelnde Fensterscheiben oder andere Störquellen ausgeglichen werden. Generell bleibt aber die wichtigste Anforderung, dass die ganze Strecke vom Sender zum Empfänger durchsichtig sein muss. Da das Übertragungssystem im sichtbaren Bereich arbeitet, kann der Anwender direkt sehen, ob das gesendete Licht auch tatsächlich beim Empfänger ankommt. Zur einfachen Kontrolle sind beide Geräte mit einer LED ausgestattet, die bei einer konstanten Verbindung leuchtet.

Einsatz in der Automobilindustrie und darüber hinaus

Ausgangspunkt für die Entwicklung des HS Kairo waren die ständig wachsenden Anforderungen bei der Datenübertragung bei den Prüf- und Diagnosesystemen von Hoerbiger, die bei allen deutschen sowie einigen amerikanischen Automobilproduzenten zum Einsatz kommen. In der Produktion von Personenwagen, Nutzfahrzeugen und Landmaschinen muss die Funktion der gesamten verbauten Fahrzeugelektronik mit speziell entwickelten Systemen geprüft werden. In modernen Fahrzeugen sind beispielsweise weit über 100 elektronische Steuergeräte verbaut: Motoren- und Bremsensteuerung, Klimaanlagen, Fensterheber und Fahrzeugsitze sind nur ein kleiner Ausschnitt der ganzen Palette. Schließlich muss auch die Software der einzelnen Steuergeräte in jedem Fahrzeug verifiziert und unter Umständen neu aufgespielt werden. Dieser komplexe Prüfvorgang darf dabei nur wenige Minuten dauern. Hinzu kommt, dass die ganze Prüfung während der Montage und im Fluss des Fertigungsprozesses abläuft. Aus diesen Gründen setzt die Automobilindustrie fast ausschließlich auf drahtlose Übertragungstechnik. Herkömmliche Lösungen wie Wlan-Netzwerke stoßen bei diesen Anforderungen an ihre Grenzen. Je mehr Datenpakete gleichzeitig über die Funkstrecke übertragen werden, desto langsamer wird der Datentransfer. Des Weiteren erfordert die permanente Bewegung des Prüfobjekts entweder große Wlan-Netze mit vielen Repeatern oder aber einen ständigen stationsübergreifenden Wechsel des Netzwerkes, was auch Probleme mit sich bringt.

Die im Empfänger eingesetzte Optik bewirkt eine Verstärkung des einfallenden Lichtes.

Die im Empfänger eingesetzte Optik bewirkt eine Verstärkung des einfallenden Lichtes.Hoerbiger

Das Hoerbiger Kommunikationssystem der ersten Generation, das CAN-Kairo, nutzt deshalb das infrarote Licht zur Übertragung der CAN-Botschaften zwischen dem Auto und dem Prüf-PC. Der CAN-Kairo-Slave wird mit einem Saugnapf an der Innenseite der Windschutzscheibe befestigt, während jede Station an der Decke einen fest montierten CAN-Kairo-Master sitzt. Somit wird an jeder Station automatisch eine Verbindung zwischen Prüf-PC und Auto hergestellt. In den Werken von Mercedes Benz sind über 800 CAN-Kairo-Geräte im Einsatz. Allerdings wurde eine Weiterentwicklung dieses Datenübertragungssystems erforderlich, nicht zuletzt wegen des Trends hin zu infrarot-gedämmten und beheizbaren Windschutzscheiben. Das war die Initialzündung für die Ingenieure von Hoerbiger das Spektrum des sichtbaren Lichts zur Übertragung der Datenströme zu nutzen. Denn eine Autoscheibe wird das sichtbare Licht niemals filtern: Blaulicht von Rettungsfahrzeugen oder die Ampelsignale müssen immer zu erkennen sein. Gleichzeitig wurde die Übertragungsrate erhöht und TCP als Übertragungsprotokoll gewählt, sodass das neue Kairo-System den Fast-Ethernet-Standard erfüllt. General Motors arbeitet bereits mit dem neuen LED-Übertragungssystem, auch Mercedes Benz ist interessiert und hat bereits Teststrecken aufgebaut.

Die Vorteile des Lichts

Auch außerhalb der Automobilindustrie könnte sich das Übertragungssystem durchsetzen. Zum Beispiel hat die Logistik mit der Datenübertragung über Wlan die gleichen Probleme wie die Automobilindustrie: große Datenmengen, viele Netze, viel Bewegung. Das Datenübertragungssystem könnte hier zu einer Alternative für Wlan-Netze werden. Bei Umschlagplätzen für Waren wie Güterverkehrszentren, Güterzugstationen oder Logistik-Hubs fallen außerdem dauerhaft große Datenvolumen an. Diese gilt es, schnell und sicher parallel zur Warenkette und den Gütern zu transportieren. Es ist auch ein Einsatz in Krankenhäusern und Kliniken denkbar. Insbesondere in sensiblen Bereichen wie Operationssälen ist Wlan aufgrund der möglichen Störungen empfindlicher Medizingeräte verboten. Über Licht ließen sich nicht nur Informationen auf einen Bildschirm übertragen, sondern auch der Operationstisch und die Medizinroboter steuern.

Überall dort, wo Kabel einer hohen mechanischen Belastung durch ständiges Biegen ausgesetzt sind, ist das Übertragungssystem eine verschleißlose und flexible Alternative. In der Industrierobotik brechen oft die Kabel aufgrund der hohen mechanischen Belastung und müssen ausgetauscht werden. Die Datenübertragung über Licht würde dieses Problem lösen. In explosionsgefährdeten Umgebungen sind stromführende Leitungen generell ein Sicherheitsrisiko. Die Übertragung mit sichtbarem Licht ist allerdings laut der Atex-Norm erlaubt.

Schwer zugängliche Räume, wie Chemie- und Biologielaboratorien oder auch Reinräume, lassen sich nachträglich ohne größeren Aufwand mit einer zusätzlichen Datenleitung ausstatten, wenn zwei HS-Kairo-Geräte an beiden Seiten des Sichtfensters angebracht werden. Insbesondere in der Halbleiterindustrie besteht die Gefahr, dass einfallendes UV-Licht während des Fertigungsprozesses integrierte Schaltkreise zerstört. Deshalb wird in den Reinräumen der Blauanteil der Beleuchtung gefiltert, es erscheint alles gelb. Dies ist für das Übertragungssystem aber kein Problem. Da die heutige LED-Technik das ganze sichtbare Spektrum des Lichts generieren kann, lassen sich auch Rot und Gelb für die Vollduplexkommunikation nutzen. Ansonsten kommen eher Rot und Blau zum Einsatz, da diese Wellenlängen die größte Differenz zueinander haben.

Das Licht als Übertragungsmedium ermöglicht zudem weitere Anwendungen. Man kann sich zum Beispiel eine Art Hub-Funktion vorstellen. Ein HS Kairo wird als Master konfiguriert, der mit mehreren Slaves Daten austauscht. Das ist vergleichbar mit einem USB-Hub, über den man an nur einen USB-Eingang des PCs unterschiedliche Peripheriegeräte anschließen kann. Dabei bekommen alle Slaves gleichzeitig die vom Master gesendete Information und können sie ohne Zeitverzögerung verarbeiten und weiterleiten. Die Kommunikation von jedem Slave zum Master besteht aber immer noch. Ein ganz anderer Aspekt betrifft die Daten- und Abhörsicherheit. Heutzutage gehören VLC-Systeme zu den sichersten Kommunikationsmöglichkeiten. Dies beruht darauf, dass sich ein fokussierter Strahl, im Gegensatz zur Funkverbindung, nicht zu den Seiten hin ausbreitet. Da sich Sender und Empfänger in direktem Sichtkontakt befinden müssen, wird das Abhören erschwert. Dies führt dazu, dass jeglicher Abhörversuch ein aktiver Eingriff in den Datenstrom ist. Dies wird sofort bemerkt und vom System mit einem Alarm in der Leitstelle quittiert.

Jochen Kamp

ist Key Account Manager bei der Hoerbiger Elektronik GmbH in Ammerbuch.

(mf)

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