Bei der Kranapplikation eines chinesischen Anbieters wurde eine feldorientierte Regelung mit Luenberger-Beobachter für verschiedene Motortypen implementiert.

Bei der Kranapplikation eines chinesischen Anbieters wurde eine feldorientierte Regelung mit Luenberger-Beobachter für verschiedene Motortypen implementiert.ZUB

Bei Krananwendungen hat ein Versagen des Antriebsreglers fatale Folgen – den Absturz der Last. Um das zu vermeiden, sollten Antriebsregler für Kräne ein umfangreiches Anforderungsprofil beherrschen, hinter dem sich anspruchsvolle reglungstechnische Herausforderungen verstecken:

  • Abrupte Lastwechsel von 0 bis zum doppelten Nennmoment müssen ohne Reglerinstabilitäten beherrscht werden, um kritische Schwingungen der Last zu vermeiden.
  • Aus Kosten- und Sicherheitsgründen muss der Antriebsregler auch ohne einen zusätzlichen Geschwindigkeitssensor eine hohe Präzision und Robustheit in allen Geschwindigkeitsbereichen ermöglichen.
  • Beim Lastwechsel darf nur ein geringer Drehzahleinbruch auftreten. Ziel ist es, ein Absacken der Ladung beim Lösen der Bremse zu unterdrücken.
  • Der Antriebsregler sollte den Betrieb bis zur doppelten Nenndrehzahl beherrschen.
  • Für ein sanftes Heben, Absenken und zielgenaues Aufsetzen der Ladung muss der Profilgenerator eine parametrierbare Ruckbegrenzung unterstützen.
  • Fliegender, ruckfreier Wechsel von Geschwindigkeits- auf Drehmomentregelung und zurück unter Last.

Die Performance-Messung mit einem 37 kW-Motor zeigt fast kein Unterschied: ­ Lösen der Bremse bei Nennmoment mit Geschwindigkeitssensor...

Die Performance-Messung mit einem 37 kW-Motor zeigt fast kein Unterschied: ­ Lösen der Bremse bei Nennmoment mit Geschwindigkeitssensor...ZUB

Als Motoren werden für Krananwendungen robuste und dynamische Asynchronmotoren mit hohem Kippmoment eingesetzt. Bei den Hafenkränen beträgt die Motorenleistung 37 kW. ZUB wurde als Engineering- und Consulting-Partner im Bereich Motion-Control und Leistungselektronik von dem chinesischen Hersteller, beauftragt die notwendige Regelungstechnik für die vorhandene Leistungs- und Steuerungselektronik zu entwickeln. Die Basis bildet eine CPU-Platine mit einem Microcontroller (TMS320F28335).

Regelungstechnik mit Anspruch ­­– feldorientiert und mit Beobachter

Die generell hohen regeltechnischen Anforderungen und der Betrieb ohne Geschwindigkeitssensor schließen die Verwendung einfacher Motormodelle aus. Daher kommt ein feldorientierter Ansatz (FOC, field orientated control) mit einem in sich gegengekoppelten Beobachter zum Einsatz. Dazu werden die gemessenen Phasenströme in ein mit der Frequenz des Rotors und dessen Schlupf (Geschwindigkeitsdifferenz zwischen Ständerdrehfeld und mechanischer Rotordrehzahl) rotierendes Koordinatensystem umgerechnet und mittels der so genannten Clarke-Park-Transformation in Gleichgrößen, sogenannte d- und q-Vektoren umgewandelt. Der q-Anteil des Phasenstroms ist dabei proportional zum Drehmoment, der d-Anteil proportional zum magnetischen Fluss. Durch diese Transformation der Motordaten in eine Drehmoment- und Feldkomponente lassen sich Asynchronmaschinen wie bürstenbehaftete Gleichstrommotoren regeln. Im Gegensatz zu Motoren mit Permanentmagneten (Synchronmaschinen) wird bei der Asynchronmaschine die Feldkomponente nicht auf 0 geregelt, sondern auf dem Nennfluss gehalten.

… und ohne Geschwindigkeitssensor. Da die Adaption der Rotorgeschwindigkeit über einen PI-Regler erfolgt, hinkt der Schätzwert in der Beschleunigungsphase etwas hinterher und die tatsächliche Ist-Geschwindigkeit ist etwas zu groß. Der Geschwindigkeitseinb

… und ohne Geschwindigkeitssensor. Da die Adaption der Rotorgeschwindigkeit über einen PI-Regler erfolgt, hinkt der Schätzwert in der Beschleunigungsphase etwas hinterher und die tatsächliche Ist-Geschwindigkeit ist etwas zu groß. Der GeschwindigkeitseinbZUB

Zentrales Element der Regelung bildet der so genannte Luenberger-Beobachter, ein kombiniertes Spannungs-/Strommodell der Asynchronmaschine: Mithilfe dieses mathematischen Ersatzschaltbilds ermittelt der Regelungsalgorithmus aus der Statorspannung den Statorstrom (Spannungsmodell) und im nächsten Schritt daraus das Rotorfeld (Strommodell). Da der Statorstrom auch als Messgröße vorliegt, können aus der Differenz zwischen gemessenem und dem mittels Modell errechneten Strom über eine Rückkoppelungsmatrix die Zustandsgrößen korrigiert werden. Der Beobachter agiert also als innerer Regelkreis, der permanent versucht, den Fehler zwischen dem idealen Modell und dem realen Motor zu eliminieren. Von dieser permanenten Korrektur profitieren auch die nicht messbaren Größen wie das Rotorfeld. Dieses ist wiederum für die Ermittlung von Drehwinkel und Rotorgeschwindigkeit die interessante Größe.

Beobachter funktionieren auch bei ­nicht­linearen Systemen

Luenberger-Beobachter werden üblicherweise für lineare, zeitinvariante Systeme verwendet. Die Asynchronmaschine stellt jedoch ein nichtlineares System dar, weil die Koeffizienten der Systemmatrix (A-Matrix) auch von der Rotordrehzahl abhängen. Will man trotzdem die Vorteile dieses Beobachter-Modells nutzen, bedeutet das zusätzlichen Aufwand: Jede Veränderung der Systemmatrix, zum Beispiel Geschwindigkeitsänderung erfordert eine Neuberechnung der System- und der Rückführungsmatrix (G-Matrix). Dabei muss der Beobachter, der selbst ein geschlossener Regelkreis ist, stabil bleiben und darf nicht schwingen. Die Berechnung der Koeffizienten der Rückkoppelungsmatrix erfolgt nach dem Verfahren von Hisao Kubota und Kuoki Matsuse aus dem Jahr 1994. Sofern die Maschinenparameter und die Kennlinien des Umrichters hinreichend genau bekannt sind, weist der Beobachter eine sehr gute Performance auf. Die Herleitung der Koeffizienten des Beobachters ist in ‚Vector Control of Three-Phase AC Machines‘ (N. P. Quang/J. A. Dittrich: Springer 2008) ausführlich beschrieben.

Drehmoment- und Drehzahlregelung – auch ohne Sensor präzise

Das Drehmoment resultiert aus dem Produkt der d-Komponente des Rotorflusses, der q-Komponente des Statorstroms sowie einer Konstanten als dritter Faktor. Der Schlupf wird aus dem Quotienten von Statorstrom und Rotorfeld ermitteln. Das berechnete Drehmoment ist die Rückführgröße des Drehmomentreglers. Den Drehwinkel erhält man durch Integration der Summe aus mechanischer Rotordrehzahl und Schlupf. Das dq-Koordinatensystem richtet sich dabei so aus, dass die q-Komponente des Rotorflusses verschwindet.

Die Position der Last wird auch bei Drehzahl 0 gehalten: Solange Schlupf vorhanden ist, das heißt, das Statorfeld sich dreht, wird auch im sensorlosen Betrieb eine Last auf der Position gehalten.

Die Position der Last wird auch bei Drehzahl 0 gehalten: Solange Schlupf vorhanden ist, das heißt, das Statorfeld sich dreht, wird auch im sensorlosen Betrieb eine Last auf der Position gehalten.ZUB

Eine Forderung des Kranbauers ist sie sensorlose Regelung. Ohne Geschwindigkeitssensor fehlt die Information über die mechanische Rotordrehzahl. Diese wird adaptiv geschätzt – vereinfacht ausgedrückt über eine Multiplikation des Schätzfehlers der q-Komponente des Statorstroms mit der d-Komponente des Rotorflusses. Dieses Produkt ist eine zum Schätzfehler des Drehmoments proportionale Größe. Die Integration des Drehmoments führt wiederum zu einem der Winkelgeschwindigkeit proportionalem Ergebnis. Bei der adaptiven Schätzung der Rotorgeschwindigkeit wird also der Schätzfehler des Drehmoments so lange integriert, bis im Beobachter die Differenz zwischen gemessener und geschätzter q-Komponente des Statorstroms gegen Null konvergiert. Dieser Fall tritt ein, wenn die durch Integration ermittelte Rotordrehzahl mit der tatsächlich vorhandenen übereinstimmt. Zur Integration verwendet man ein PI-Glied. Da es sich bei der Geschwindigkeitsadaption um einen Regelkreis handelt, ist für dessen Stabilität ein Proportionalanteil notwendig. Die nachgeschaltete Regelung funktioniert dann wie bei einem Betrieb mit Geschwindigkeitssensor: Das Integral der Summe aus Schlupf und Rotordrehzahl ergibt den Drehwinkel für die Koordinatentransformation.

Auch hier gilt: Genaue Maschinenparameter und präzise Hardwarekennlinien sind noch wichtiger als beim Betrieb mit Geschwindigkeitssensor. Sind die bekannt, funktioniert das Verfahren überaus gut: und erlaubt einen Betrieb mit zweifachem Nennmoment bis etwa 0,5 Hz. Noch niedrigere Drehzahlen lassen sich ohne zusätzliche Maßnahmen im Beobachter und in den äußeren Regelkreisen nicht erreichen.

Hardware-Kalibration ist Pflicht

Der Beobachter ermittelt aus der Statorspannung und den Maschinenparametern den Statorstrom und das Rotorfeld. Im Stillstand beziehungsweise bei niedrigen Drehzahlen ist die Statorspannung gering. Dadurch steigt der Einfluss von Spannungsfehlern des Umrichters und Änderungen des Statorwiderstands aufgrund von Erwärmung. Eine Beispiel verdeutlicht das Problem: Die Statorspannung resultiert aus den Einschaltzeiten der Halbleiter und der Zwischenkreis-Spannung des Umrichters. Eine Differenz von lediglich einem Volt zwischen der effektiv vorhandenen Statorspannung an der Wicklung und Ud am Beobachter sieht bei einer Zwischenkreis-Spannung von 575 V zunächst nach nicht viel aus, führt im Stillstand aber zu einem Fehler von 12,5 A oder 40 % des Magnetisierungsstroms (Statorwiderstand: 80 mΩ). Gerade beim Anfahren unter Last nach dem Lösen der Bremse ist aber ein genau eingestellter Magnetisierungsstrom wichtig. Große Asynchronmotoren mit niedrigen Wicklungswiderständen erfordern daher zwingend eine gute Kenntnis und Korrektur der Spannungsfehler des Umrichters. Andernfalls funktioniert eine beobachtergestützte Regelung im Stillstand und bei niedrigen Drehzahlen nicht.

Bei der Umrechnung des Statorspannungs-Sollwertes vom dq- in das alpha-beta-Koordinatensystem werden Ud und Uq quadratisch addiert. Wenn beide Größen auf 1 normiert sind, kann für die Statorspannung im Extremfall ein Sollwert von 1,41 (√2) auftreten. Das ist mehr als der Umrichter aus der Zwischenkreisspannung erzeugen kann. Dann entsteht sogenanntes Clipping – die Ausgangsspannung wird abgeschnitten. In dessen Folge versagt die Koordinatentransformation, die auf rein sinusförmigen Größen basiert. Ein Lösungsansatz ist es, im Motorbetrieb das Feld und im Generatorbetrieb das Drehmoment möglichst lange aufrecht zu erhalten und die jeweils andere Statorspannungskomponente zu begrenzen. Was in der Theorie und im Labor gut funktioniert, hat sich in der Praxis in einigen Situationen als gefährlich erwiesen: Kritisch wird es, wenn der Regler mehr Spannung fordert als der Umrichter bereitstellen kann. Dies tritt vor allem bei hohen Drehzahlen auf, also genau dann, wenn der Regelkreis aufgrund von Ungenauigkeiten der Maschinenparameter, Diskretisierungsfehlern im Beobachter und des Umstands, dass der Kubota-Ansatz eine Näherung darstellt, bereits an der Stabilitätsgrenze arbeitet. Wenn dann durch die Spannungsbegrenzung entweder im Drehmoment- oder im Feldregelkreis eine harte Limitierung auftritt, entstehen leicht Instabilitäten. Besser ist es, den Drehmoment- und Feldsollwert abhängig vom Verlauf von Ud, Uq und der Drehzahl intelligent zu begrenzen. Im konkreten Anwendungsfall wurde der Einsatzpunkt der Feldschwächung oder der Drehmomentbegrenzung so verschoben, dass die Spannungsbegrenzung des Umrichters nicht erreicht wird. Eingriffe in den Regelkreis sind bei hohen Drehzahlen zu vermeiden.

Interner Aufbau des Beobachters und der Geschwindigkeitsanpassung

Interner Aufbau des Beobachters und der GeschwindigkeitsanpassungZUB

Der Regelkreis – ein interessanter Cocktail

Insgesamt gibt es zwei kaskadierte Regelkreise mit insgesamt fünf PI-Reglern. PI-Regler erlauben während der Inbetriebnahme eine Einstellung von Hand, beginnend bei den beiden Stromreglern des Statorstromes. Ein reiner Zustandsregler eignet sich dagegen nur schlecht für Inbetriebnahmen.

Da es unpraktisch wäre, für jeden Motortyp alle Regler neu parametrieren zu müssen, hat sich die Entwicklung eines Algorithmus aufgedrängt, der die Proportional- und Integralverstärkungen der einzelnen Regler ermittelt. Die Basis für die Berechnungen bilden die Motoren- und Hardwareparameter sowie ein bei der Projektierung oder Inbetriebnahme einstellbarer Faktor für die Steifigkeit des Reglers.

Regelung funktioniert nicht nur bei Asynchronmotoren

Der Algorithmus zur Berechnung der Reglerparameter basiert auf dem Prinzip der Polfestlegung, einem einfachen Verfahren. Von Nachteil ist, dass sich die Phasenreserve des Regelkreises – ein Maß für die Reglerstabilität – nicht bestimmen lässt. Dies zwingt zu einer konservativen Regler-Auslegung. Man sollte diese Schwäche der Polfestlegung aber nicht überbewerten. Andere Verfahren führen in der Theorie zwar zu robusteren Resultaten, basieren letztlich aber ebenso auf den ermittelten Maschinenparametern. Lassen sich diese nur ungenau messen – bei der Streuinduktivität und beim Rotorwiderstand ist das oft der Fall – wiegt man sich bezüglich der Stabilität des Regelkreises in falscher Sicherheit.

Die Algorithmen und Reglerstrukturen wurden im konkreten Kundenprojekt für Asynchronmotoren implementiert und optimiert. Die Regelungsstrategie eignet sich jedoch prinzipiell für alle Motorarten, vom Asynchronmotor über den bürstenlosen Servoantrieb bis zum Schrittmotor. Beim Schrittmotor bietet die Vektor-orientierte Ansteuerung einen akustisch sehr ruhigen Motorlauf ähnlich wie ein bürstenloser Servomotor bei deutlich geringeren Motorkosten. Im Hinblick auf die Versorgungsspannung der Antriebe sind ebenfalls keine Einschränkungen vorhanden. Das Regelungsprinzip kann für leistungsstarke Antriebe (400-V-Technik, mehrere 10 kW), wie auch für Kleinantriebe (typisch 12 bis 48 V) eingesetzt werden.

Peter Kutzelmann

ist Leiter Leistungselektronik bei der ZUB ­Machine Control AG in Kastanienbaum, Schweiz.

(sk)

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