Noch sehen viele Anwender die Verheißungen der LED-Lampen eher kritisch. Die Farbtreue versuchen die Hersteller von LED-Retrofitlampen in den Griff zu bekommen ebenso wie die störende Flimmerneigung und die eher begrenzte Rundum-Abstrahlung, die man von Ersatzbirnen in Schirm-, Wand-, Decken- und Reflektorleuchten erwartet, um Schatteneffekte zu vermeiden.

Günstig – aber bedenklich

Baumärkte, Einrichtungshäuser und Discounter haben die LED-Retrofit-Preise in die Größenordnung der Energiesparlampe gedrückt und die Effizienz wie auch die Lebensdauer sind inzwischen deutlich überlegen. Letztes Jahr kamen auch noch die ersten LED-Filament-Retrofitlampen hinzu, die bei Anmutung, Rundum-Abstrahlung, Effizienz und dem Preis kaum noch Wünsche offen lassen. Sie dürfen als bevorzugter Ersatz für die Glühbirne gelten, im Unterschied zur klassischen LED-Retrofitlampe mit integriertem Schaltnetzteil und mitunter massiven Kühlmanschetten.

Eckdaten

Die Vorteile der LED-Beleuchtung sind unübersehbar: insbesondere die Anwendungsvielfalt und neue Freiheitsgrade für ansprechende Designs bei unerreichtem Energieeinsparpotenzial. Wissenschaftler weisen allerdings seit Jahren auf Defizite und Risiken hin, die bei der Nutzung dieser Chancen beachtet werden sollten. Dazu zählen beispielsweise entstellte Farbwiedergabe, Störung des hormongesteuerten chronobiologischen Wach-/Schlaf-Rhythmus, Makula-Degenration und ein von sensiblen Individuen verspürter LED-Stress. Abhilfen sind aber auch schon verfügbar.

Aber bei der scheinbar idealen Ersatzlampe gibt es immer noch Defizite wie gesundheitliche Bedenken und andere Probleme, die man lösen muss, bevor man alle Glühbirnen gegen diese Lampen bedenkenlos austauschen sollte. Die Filamentlampen sind zum Beispiel nicht herkömmlich dimmbar und haben wie alle LED-Lampen einen schmalen Blaulicht-Peak im weißen Spektrum, den man nicht bewusst wahrnimmt, da das Auge von der überlagernden gelben Fluoreszenz der Phosphor-Konversionsschicht getäuscht wird und die Mischung als weißes Licht empfindet.

Dieser Blau-Peak stört die Farbtreue und birgt gesundheitliche Risiken. Das ist seit fast zehn Jahren bekannt, aber mangels Alternativen spielt die Leuchtmittelindustrie diese Erkenntnisse im Zweifelsfall herunter.

Kritischer Massenmarkt

Dass sich gerade unter dem Druck des ultimativen Glühlampenverbots aktuell ein breiter Massenmarkt für die LED-Retrofitlampen auftut, ist unübersehbar. Allerdings ist die LED-Fertigung überwiegend in China angesiedelt, sodass auch prominente Marken eher Importware anbieten. Das trifft in besonderem Maße auf die neuen LED-Filament-Retrofitlampen zu, die man in minimal umgerüsteten und längst abgeschriebenen Fabriken für die geächteten Glühbirnen weiter fertigen kann und die sich so trotz des aufwändigen Fertigungsprozesses durchaus kostengünstig herstellen und exportieren lassen.

Der Großhandelspreis liegt bei zirka einem US-Dollar pro Watt Lampenleistung, wobei eine LED-Filament-Birne mit etwa 4 W eine 40-W-Glühbirne ersetzt. Höhere Wattagen gehen auf Kosten der Effizienz und der Lebensdauer, weil hier aus Platzgründen ein linearer Strombegrenzer-IC die Temperatur im Schraubsockel in die Höhe treibt. Grundsätzlich könnte man den Wechselstrom im Eingang zwar verlustlos mit einem Hochvolt-Folienkondensator begrenzen, aber der würde nicht zusammen mit dem Hochvolt-Puffer-Eletrolytkondensator zur Flimmersiebung und zur Absorption des Einschaltimpulses in den E27-Schraubsockel nebeneinander passen.

Erwärmung bremst Effizienz aus

Der lineare Strombegrenzer-IC verheizt aber zirka 20 % der eingespeisten Leistung, die den LED-Filamenten für eine durchgehend hohe Effizienz letztlich verloren geht und die Lebensdauer des Puffer-Elektrolytkondensators im Sockel durch Erwärmung begrenzt.

Dieses Manko wäre zu beheben, indem man den linearen Strombegrenzer-IC durch einen verlustlos wechselstrombegrenzenden Hochvolt-Folienkondensator ersetzt. Dieser müsste hohl gewickelt sein, damit der Hochvolt-Elektrolytkondensator in dem hohlen Folienkondensator verschwinden kann. Anders würden beide nicht zusammen in den Schraubsockel passen. So wäre auch mit gesteigerter Effizienz und einer deutlich verlängerten Lebenserwartung ein veritabler Ersatz für die 60-W-Allgebrauchsglühlampe mit einem vergleichbaren Lichtstrom von zirka 800 lm und vermutlich mehr als 100 lm/W realisierbar.

Solche Lichtleistungen möchte man auch dimmen. Zwar vertragen sich die linear begrenzten oder auch die kapazitiven Lampen-Netzteile im Schraubsockel nicht mit herkömmlichen Phasenschnitt-Dimmern aber auch dafür gibt es eine Lösung. Diese bringt sogar noch Effizienzgewinn statt der bisherigen Effizienzverluste der dimmbaren Retrofits bei der Phasenschnitt-Dimmung, nämlich ein variabler Eingangskondensator in Form von umgeschalteten Hochvolt-Kondensatoren, die durch die verlustlose Dimmung die LEDs immer effizienter und ausdauernder werden lassen.
Glühlampen sind bei höherer Belastung immer effizienter, allerdings auf Kosten der Lebensdauer, die bei stromgedrosselten LEDs zunimmt. Der Dimmer mit fein abgestuft umgeschalteten Kondensatoren ließe sich mittels Schraubenzieher gegen den installierten Phasenschnitt-Dimmer oder einen Lichtschalter austauschen. Weitere Defizite und Verträglichkeitsprobleme betreffen prinzipiell alle LED-Lampen:

  • Farbwiedergabe (Rendering-Index) bzw. Farbverfälschungen
  • Flimmeranteil: stroboskopische Effekte, Beeinträchtigungen
  • Hormonelle chronobiologische (zirkadiane) Rhythmus-Störung
  • Makula-Degeneration: Netzhautschädigung, Blue-Light-Hazard
  • LED-Stress: hochpenetrierende Emission (nach Kernbach)

Farbwiedergabe

Wie schon erwähnt, wird beim weißen LED-Licht aus einem schmalen blauen LED-Spektrum und einem breiter gelb fluoreszierenden Phosphor das Auge prinzipiell betrogen. Das gelingt auch nur, weil der hier unterbelichtete grüne Farbanteil auf die höchste spektrale Empfindlichkeit der Netzhaut trifft aber auch nur beim Blick auf die Lichtquelle oder einen neutral-weißen Hintergrund.

Auch der rote Farbanteil wird unterbelichtet, aber hier ist das Auge nicht mehr so empfindlich und teilweise kompensieren dies zusätzliche rote LEDs. Sobald das Licht auf farbige Objekte trifft, bewertet das Auge sie farblich anders als im Tages- oder Glühlampenlicht. Es entsteht ein fahler Farbeindruck. Hier hat sich zwar schon einiges getan, um diese Effekte zu minimieren, aber es gibt Vorbehalte aus der Textil- und Lebensmittelbranche und beim Beleuchten von Kunstwerken in Galerien und Museen.

Flimmeranteil

Ein hoher 100 Hz-Flimmeranteil des Lichts erzeugt stroboskopische Effekte, die Film- und Videoaufnahmen entstellen und bei der Bedienung schneller Maschinen gefährliche Zeitlupen-Täuschungen verursachen. Bei Epileptikern können sie Anfälle auslösen aber auch bei Dauereinwirkung anderen Individuen Kopfschmerzen verursachen.

Es gibt zwar Normen zur Messung und Bewertung aber noch keine Begrenzungsvorschriften für die Leuchtmittelindustrie. Maßnahmen zur Eindämmung sind relativ einfach und unaufwändig. Eine kapazitive Dimmung treiberloser LED-Retrofitlampen dämpft allerdings auch deren Flimmeranteil beziehungsweise die Lichtwelligkeit.

Zirkadianer Rhythmus

Genetisch ist der Mensch so konditioniert, dass der Blaulichtanteil des Lichts (dieser liegt um die 460 nm) die Wachphase durch bevorzugte Ausschüttung des Nebennierenhormons Cortison stimuliert. Wenn dieser Anteil sinkt und eher Orangetöne im Licht vorherrschen, leitet das Melatonin als sedierendes Hormon die Schlafphase ein.

Nun kann das LED-Licht mit seinem spektralen Blaupeak (um die 445 nm) die Wachphasenstimulation weiter aufrechterhalten: Man denke an eine LED-Arbeitsplatzleuchte zur Überstundenzeit, die zu einer fortgesetzten Wachphasen-Überdehnung führt. Das äußert sich wie ein Dauer-Jetlag und führt zu Erschöpfungszuständen, Schlaf- und Essstörungen, also Burnout-Symptomen mit Schwächung des Immunsystems.

Auf Dauer kann das chronische Erkrankungen nach sich ziehen. Hier hilft etwa ein Dim-to-Warm-Konzept. Dieses sogenannte Sunset-Dimming verfügt etwa über zusätzliche rote LEDs, die wegen ihrer flachereren Kennlinie bei Drosselung des Stroms gegenüber den blauen LEDs im Farbton die Oberhand gewinnen.

Makula-Degeneration

Die Makula ist das hochauflösende aber auch entsprechend empfindliche Zentrum der Netzhaut. Blaulichteinfall (um die 440 nm) lässt sie mit der Zeit degenerieren. Deshalb heißt sie auch altersbezogene Makula-Degeneration (AMD). Sie erzeugt einen verwaschenen Fleck mitten im Gesichtsfeld.

Ebenso wie das Sonnenlicht schädigt der Blaupeak der weißen LED die empfindlichsten Sehzapfen. Insbesondere wenn das Licht als Punktlichtquelle erscheint und nicht über eine Mattierung, einen Lampenschirm oder indirekt abgestrahlt wird. Hier wirkt nicht das Farbmischungsverhältnis wie im Störfall der biologischen inneren Uhr sondern die flächenbezogene Intensität. Auch UV-Licht (um die 270 nm) kann das Auge schädigen im Sinne von Schneeblindheit etwa in hohen Gebirgslagen. Nur um die 350 nm herum zwischen 320 und 380 nm gibt es eine harmlose Lücke im Spektrum.

Effiziente UVA-Lichtquelle

In diese Lücke stößt seit dem letzten Jahr eine hocheffiziente UVA-Power-LED von LG-Innotek mit 365 nm, die einen spektral ausgewogenen Mischphosphor zum Leuchten anregen könnte – am besten als Remote-Phosphor zur möglichst verlustarmen Lichtstreuung oder, noch besser, eine Breitbandmischung von Quantum-Dots, wie sie bereits in TV-Geräten für brilliantere Farben sorgen – hier allerdings nur in Rot-Grün-Blau, um damit jede additive Mischfarbe als abgestrahltes Pixellicht zu erzeugen.

Für die neutrale Beleuchtung farbiger Objekte wären die Quantum-Dots mit ihren schmalen Spektralbanden so dicht aneinander zu reihen, dass sich die Randbereiche ergänzend überlappen also sich auch das Mischungsverhältnis auf die Beleuchtungssituation abstimmen lässt.

Damit wäre das Problem der Farbtreue, des zirkadianen Biorhythmus und der Makula-Degeneration behoben. Leider kosten die 5-W-UVA-LEDs von LG-Innotek noch über 100 US-Dollar, da die Produktion nur in begrenzten Stückzahlen für fotolithografische Zwecke auf kleinen Saphirwafern erfolgt. Für Beleuchtungszwecke könnte man sie auf größeren Saphirscheiben herstellen und auch mit dort herausgeschnittenen Filamenten eine höhere Ausbeute erreichen, wodurch sich der Preis eines 1-W-Filaments auf das Niveau der heutigen von 20 bis 30 US-Cents über eine entsprechende Marktskalierung einpendeln sollte. Das wäre eine machbare Alternative.

LED-bedingter Stress

Soweit scheinen alle angeführten Probleme lösbar; bis auf eines: LED-Stress, der ist zwar schwerer zu greifen, lässt sich aber auch nicht länger ignorieren, weil sensible Individuen teils massiv darunter leiden – das geht bis zu allergieartigen Attacken. Aber nicht nur Menschen reagieren, auch Motten, die als nachtaktive Insekten sonst eher von Licht angelockt werden, aber LED-Licht meiden. Ein LED-Laternenhersteller wirbt beispielsweise damit, dass die lästigen Fehlalarme durch größere Motten im nachts beleuchteten Gefängnishof seit der LED-Umrüstung ausgeblieben sind.

Es muss also ein biologisch wirksamer Effekt von den LEDs ausgehen. Dr. Serge Kernbach von der Universität Stuttgart nennt es High-Penetrating-Emission weil die Wirkung sogar durch Wände und Decken aus Stahlbeton dringt. Er kann es mit einem elektrochemischen Doppelschicht-Sensor aufspüren aber nicht beliebig reproduzieren und nicht exakt messen, weil der Sensor extrem temperaturempfindlich ist und weil er durch wiederholte Tests überdies degradiert. Erschwerend kommt hinzu, dass man den massiven Sensor nur stationär betreiben und nicht mobil um eine LED-Lampe herumführen kann, um etwa die Ausbreitung der Emissionen nachzuvollziehen.

Der Verdacht liegt nahe, dass es sich bei dem Phänomen um Phononen handelt, die statt der gewünschten Photonen aus Fehlrekombinationen (Auger-Rekombination) der Ladungsträger unter dem Druck höherer Stromdichten als Kristallgitter-Schwingungs-Quanten vermehrt auftreten und zwar unter erhöhter Wärmeabgabe. Durch zurückbleibende Narben im Kristallgitter verschlechtern sich Effizienz und Lebensdauererwartung, was zu einer galoppierenden Degradation und schließlich zum vorzeitigen Ausfall führt.

Für dieses Problem scheint es eine Lösung zu geben: ein modifizierter GaN-Aufdampf- und -Dotierungsprozess kann laut einer Forschergruppe aus den USA die Bandübergänge grüner, blauer und ultravioletter LEDs so entschärfen, dass man damit die Phononenemission eindämmen kann, um so die LEDs effizienter und langlebiger zu machen.

Noch befindet sich dieser Vorschlag im Simulationsstadium, aber sofern er fertigungstechnisch realisierbar ist, sollte er ebenso für die unbedenklichen UVA-LEDs taugen, um so gesundes LED-Licht zu erzeugen, das dann womöglich auch das LED-Stress-Problem entschärft.

Verträgliche OLED

Nach Aussagen Betroffener scheinen OLEDs diesbezüglich deutlich verträglicher zu sein. Bei flächigen OLED-Lampen hat sich zuletzt auch einiges getan bezüglich Effizienz und Lebensdauer.

Trotzdem schätzen die Auguren von IHS-Technology in ihren Mitte Januar veröffentlichten Top-10 LED-Lighting-Trends für 2015 unter Punkt 5 die Situation wie folgt ein:
Da Quantum-Dot-Leuchtdioden (QD-LEDs) noch manche Herausforderung zu überwinden haben, wird der Markt wohl kaum größere Mengen kommerziell erhältlicher Produkte in 2015 oder 2016 sehen. Allerdings könnten mittel- bis langfristig QD-LEDs den OLED-Display-Markt vernichten und einen gravierenden Umbruch im Beleuchtungsmarkt als Ganzes bewirken. Weiter unter Punkt 7 heißt es: LED-Filament-Lampen, die die Vorteile von LED-Lampen mit dem gewohnten Design der Glühbirne verbinden, bevorzugt von Traditionalisten, beginnen gerade auch bei anderen LED-Vorzügen aufzuholen bezüglich Effizienz, Preis und Farbtreue. Letztlich wird es beim Verbraucher liegen, ob die Filamentlampe gegen Ende 2015 ihren Durchbruch erleben wird.

LED-Lampen mit enormem Potenzial

Grundsätzlich ist es richtig, dass die ersten LED-Filament-Retrofillampen zunächst als dekorative Nostalgie-Lampen zu Premium-Preisen auf den Markt kamen, aber diese sanken schnell auf Energiesparlampenniveau und diverse überlegene Eigenschaften machen sie zu erstrangigen Kandidaten als Ersatz für die Glühbirne. Wir dürfen demzufolge also gespannt sein, wie sich die Solid-State-Lighting-Industrie unter dem Druck der Straße bis zum Ende dieses Lichtjahrs 2015 entwickelt oder zum Ende nächsten Jahres, wenn die Kommision der EU endgültig ernst macht mit dem Glühlampenverbot.

Vermutlich muss sich die Leuchtmittelindustrie auf Nischenmärkte wie Architektur-Projekte, Straßen- und Automobilbeleuchtung zurückziehen, um halbwegs profitabel zu überleben oder sich mit einer Forschungs- und Entwicklungs-Initiative für gesundes, effizientes und nachhaltiges Licht an die Spitze der Bewegung setzen und die Chinesen gegebenenfalls in Lizenz bessere LED-Lampen fertigen lassen, denn unsere hiesigen Kostenstrukturen würden die Lampen deutlich teurer machen als die ungeliebte Energiesparlampe.

Hans Diesing

ist Business Development Consultant des Standby-Lab in Schöngeising.

(rao)

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