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Stetig steigende Leistungsdichte bedeutet für die Leistungselektronik eine Gratwanderung: Die Entwickler müssen das Optimum finden aus der technologisch machbaren Verbesserung der Wirkungsgrade, der vertretbaren Erhöhung der Temperaturen an den Halbleitern und den ökologischen Aspekten beim Einsatz neuer Technologien. Mit dem Schritt von der aktuellen Technologie hin zur nächsten Generation von Leistungshalbleitern reicht es nicht mehr, das Halbleiterelement allein zu betrachten. Stattdessen ist für die Baugruppe der Zukunft ein ganzheitlicher Ansatz gefragt, der neue Chiptechnologien, darauf abgestimmte Verbindungstechnologie, Gehäusematerialien, Kühlmodalitäten und das thermische Management als untrennbare Einheit zusammenfasst. Wie gut dieser Ansatz funktionieren kann, verdeutlicht ein von Infineon entwickelter Umrichter mit einer Leistungsdichte von 20 kVA/dm³.

Bild 1: Der Größenvergleich der vier IGBT-Generationen und SiC für gleiche Stromtragfähigkeit belegt, welches Potenzial in dem Halbleitermaterial steckt. Allerdings steigen damit die Temperaturen.

Bild 1: Der Größenvergleich der vier IGBT-Generationen und SiC für gleiche Stromtragfähigkeit belegt, welches Potenzial in dem Halbleitermaterial steckt. Allerdings steigen damit die Temperaturen.Infineon

Wenn man als charakteristische Größe die Stromtragfähigkeit pro Fläche heranzieht, dann ist die IGBT-Technologie in den vergangenen 20 Jahren um mehr als 60 % gewachsen. Bild 1 zeigt, dass Bauelemente aus SiC die Option bieten, einen weiteren Faktor 2 zu gewinnen. Um das Potenzial dieses Werkstoffes vollständig auszuschöpfen, muss unweigerlich die Chiptemperatur steigen. Ein großer Teil des Zugewinns geht auf diese Temperaturerhöhung zurück; es werden daher zusätzlich neue Technologien notwendig, die dem erhöhten Stress durch thermische Belastung standhalten. Das oben genannte Projekt sollte zeigen, was hier erreichbar ist.

Ein großer Vorteil des SiC-Materials ist seine hohe Schaltgeschwindigkeit und die damit einhergehende Minimierung der Schaltverluste. Ein Umrichter profitiert von höheren Schaltfrequenzen, da passive Bauteile der Netzfilter mit steigender Schaltfrequenz kleiner werden. Obwohl die Relation nicht linear ist, kommt dies der Leistungsdichtesteigerung entgegen.

Wahl der Topologie

Bild 2: Das Blockschaltbild des Matrix-Umrichters zeigt, dass diese Topologie ohne temperaturempfindliche Kondensatoren auskommt.

Bild 2: Das Blockschaltbild des Matrix-Umrichters zeigt, dass diese Topologie ohne temperaturempfindliche Kondensatoren auskommt.Infineon

Für einen besonders kompakten Umrichter empfehlen sich SiC-Halbleiter. Damit sind automatisch höhere Temperaturen verbunden – nicht nur im Leistungshalbleiter, sondern auch in seiner Umgebung. Für den gesamten Aufbau des gewünschten Umrichters kommen daher nur Bauelemente in Frage, die sich für hohe Umgebungstemperaturen eignen. Die stärkste Limitierung stellen hierbei Kondensatoren dar, wie sie üblicherweise in Zwischenkreisen herkömmlicher Umrichter zu finden sind. Als Elektrolytkondensatoren weisen sie häufig nur eine zulässige Temperatur von 105 °C oder weniger auf. Metall-Papier-Kondensatoren (MPK) erreichen zwar höhere Werte, sind aber in den notwendigen Kapazitäten zu voluminös. Eine Topologie, die ohne Zwischenkreiskondensatoren auskommt, wäre besonders wünschenswert; sie würde sowohl die thermisch empfindlichen Komponenten eliminieren als auch das nötige Bauvolumen reduzieren: zum Beispiel ein Matrixumrichter, wie in Bild 2 als Blockschaltbild dargestellt.

Bild 3: Leistungshalbleitermodul mit Schaltermatrix aus 36 SiC-JFets und Shunts zur Strommessung.

Bild 3: Leistungshalbleitermodul mit Schaltermatrix aus 36 SiC-JFets und Shunts zur Strommessung.Infineon

Die zentrale Schaltermatrix besteht hier aus 3×3 Schaltstellen, von denen jede in Summe aus vier SiC-Dies aufgebaut ist. Zwei SiC-JFet-Elemente sind in Anti-Serienschaltung verbunden und je zwei dieser Stränge parallel geschaltet, um die notwendige Stromtragfähigkeit zu gewährleisten. Jedes dieser Elemente formt einen bidirektionalen Schalter, der Strom in beide Richtungen führen und Spannung in beide Richtungen blocken kann. Da diese Topologie in verfügbaren Leistungsmodulen nicht zu finden ist, hat Infineon eigene Prototypen gefertigt. Auf Basis eines Econopack-3-Moduls wurde im Projekt die gesamte Schaltermatrix auf einem Träger aufgebaut. Bild 3 zeigt, dass es die aus Low-Power-Modulen bekannte Kontaktierung mit Pins ermöglichte, die große Anzahl an Kontaktstellen zu bewältigen.

Strommessung mit Shunts

Zusätzlich sind in dem Modul Shunts zur Strommessung enthalten. Dafür gibt es zwei Gründe. Zum ersten sind Stromwandler, die den Hall-Effekt zur Messung nutzen, für dieses Projekt zu groß, zum zweiten ist ihr Arbeitsbereich bezüglich thermischer Aspekte meist nicht hinreichend. Von untergeordneter Bedeutung ist, dass Shunts in Kombination mit galvanisch trennenden A/D-Wandlern eine zuverlässige und preisgünstige Variante darstellen.

Bild 4: Clamping-Kreis aus 12 SiC-Schottky-Dioden im Easy-750-Gehäuse.

Bild 4: Clamping-Kreis aus 12 SiC-Schottky-Dioden im Easy-750-Gehäuse.Infineon

Als weitere wichtige Komponente, die für die sichere Funktion des Umrichters unabdinglich ist, ist die Gleichrichteranordnung. Sie dient zur Dämpfung von Spannungsspitzen während der Kommutierung und bei einer Notabschaltung. Die Gleichrichteranordnung ist ebenfalls nicht als Standardbauelement verfügbar. Sie aus zwölf diskreten Dioden aufzubauen ist aus Platzgründen keine Option, zweckdienlich ist vielmehr der kompakte Aufbau in einem gemeinsamen Gehäuse. Zwölf SiC-Schottky-Dioden sind notwendig, um die schnellen Gleichrichter zu bestücken; diese Baugruppe passt in ein Gehäuse der Baureihe Easy 750. Wie kompakt ein solcher Aufbau ist, verdeutlicht Bild 4.

Kraftzwerg

Infineon treibt in einem Projekt die Leistungsdichte von Frequenzumrichtern auf die Spitze, um das Potenzial der SiC-Technologie zu ergründen. Um das gesteckte Ziel von 20 kW/l zu erreichen, war es notwendig, alle Aspekte eines Umrichters zu betrachten und jeden möglichen Gewinn zu nutzen. Neben den verwendeten Halbleitermaterialien sind dies die Topologie des Umrichters, die Optimierung passiver Komponenten und insbesondere das thermische Management.

Ansteuerelektronik auf kleinstem Raum

Mit den gefertigten Prototypen stehen zwar die für den Leistungsteil benötigten Bauelemente zur Verfügung, wichtig sind aber auch der Aufbau und das Bauvolumen der Ansteuerelektronik und der Netzfilter. Auf Grund der Topologie sind insgesamt 18 voneinander unabhängige Gatesignale und sechs voneinander galvanisch getrennte Versorgungsspannungen für die Schaltmatrix notwendig. Zusätzlich ist wegen der verwendeten Shunts eine galvanisch trennende Strommessung unabdinglich, deren Versorgung aus den Spannungsquellen für die Treiberbausteine erfolgt. Die gesamte Steuerung des Umrichters übernimmt eine Kombination aus Mikrocontroller und FPGA, hier fiel die Wahl auf den Tricore TC1797 und den Logikbaustein A3P250 von Actel. Um das Bauvolumen nicht unnötig in die Höhe zu treiben, war für den Entwurf die maximale Größe für Platinen auf 60 x 120 mm² beschränkt. Diese Dimensionen ergeben sich aus der Größe des Econo-Moduls, das die Schaltmatrix beinhaltet.

Bild 5: Treiberboard mit 18 Kanälen sowie Stromerfassung aller drei Ausgangsphasen. Kernkomponente ist der neue 2ED020I12FA.

Bild 5: Treiberboard mit 18 Kanälen sowie Stromerfassung aller drei Ausgangsphasen. Kernkomponente ist der neue 2ED020I12FA.Infineon

Die Herausforderung, 18 Gatetreiber und drei Strommessstellen auf dieser kleinen Fläche und unter Berücksichtigung aller Luft- und Kriechstrecken zu gestalten, ließ sich nur mit einem innovativen Ansatz bewältigen. Zum Einsatz kommt ein neu gestalteter, zweikanaliger IGBT-Treiber vom Typ 2ED020I12FA in Kombination mit einer externen, bipolaren Ausgangsstufe. Das IC in der Gehäuseform PG-DSO-36 birgt zwei voneinander unabhängige Treiberkerne, die sowohl voneinander als auch von der gemeinsamen Logikseite galvanisch getrennt sind. Bild 5 zeigt das Treiberboard mit den neun ICs der Ansteuerung sowie den Baugruppen zur Strommessung.

Hohe Schaltfrequenz

Bild 6: Fertiger SiC-Matrix-Umrichter mit einer Leistungsdichte von  20 kW/l. Abmessungen (B,L,H)  60 x 120 x 117 mm³, Gewicht 1,7 kg.

Bild 6: Fertiger SiC-Matrix-Umrichter mit einer Leistungsdichte von 20 kW/l. Abmessungen (B,L,H) 60 x 120 x 117 mm³, Gewicht 1,7 kg.Infineon

Die mit 50 kHz recht hoch angesetzte Schaltfrequenz ist der Schlüssel für die Minimierung der netzseitigen Filterkomponenten. Der kapazitive Anteil des verwendeten LC-Filters schrumpft auf 1 µF Phase-Phase, ein Wert der aus keramischen Hochleistungskondensatoren in SMD-Bauform ebenfalls auf einer Platine aufgebaut ist. Die Nutzung externer Kondensatoren lässt sich durch diese Optimierung vermeiden. Der induktive Anteil des Filters besteht aus speziell für diesen Umrichter gewickelten Spulen, deren Induktivität wegen der hohen Schaltfrequenz auf 12,5 µH sinkt. Im Stern geschaltet ergeben sich zwischen zwei Phasen somit 25 µH. Die Wickelkörper und -kerne für die Spulen sind so gewählt, dass ihre Aneinanderreihung die Dimension der vorgegebenen Grundfläche von 60 x 120 mm² ausnutzt, ohne sie zu überschreiten. Im Foto aus Bild 6 sind die Wicklungen des Netzfilters gut auf dem fertig zusammengesetzten Gerät zu erkennen. Im Bild sind noch weitere Zusammenhänge erkennbar:

  • Der Leistungshalbleiter ist auch in diesem extrem kompakten Design nicht das allein größenbestimmende Element, er nimmt etwa 14,5 % des Bauvolumens in Anspruch.
  • Trotz der massiven Reduktion der Filterkomponenten gehen etwa 30 % des Volumens zu Lasten der Netzdrosseln.
  • Etwa 20 % des Bauraumes wird vom optimierten Kühlkörper eingenommen.
  • Mit 35 % stellt in einem solchen Ansatz die Steuerelektronik den größten Teil des Designs dar.

Thermisches Management

Wo immer Halbleiter in Gebrauch sind, entstehen Schalt- und Durchlassverluste. Mit dem Einsatz von SiC-Halbleitern verbessert sich die Situation bei den Schaltverlusten erheblich, diese schlagen im vorliegenden Projekt bei Nennleistung nur mit etwa 40 W zu Buche. Bei den Durchlassverlusten macht sich für SiC dessen ohmsche Charakteristik bemerkbar, in der der Strom quadratisch zur Verlustleistung beiträgt. Zusätzlich vergrößert sich der Kanalwiderstand der Chips bei höherer Temperatur, so dass die Verlustleistung stärker als quadratisch mit dem Strom wächst.

Bild 7: Gefräster Kupferkühlkörper mit eingelassenen Lüftern für bestmögliche Entwärmung.

Bild 7: Gefräster Kupferkühlkörper mit eingelassenen Lüftern für bestmögliche Entwärmung.Infineon

Beim Maximalstrom von 36 A, getrieben von einem dreiphasigen 400-V-Netz, beträgt der Anteil der Vorwärtsverluste 583 W. Ein Kühlkörper, der die entstehende Wärme abführen kann, muss bei Nennstrom des Umrichters etwa 620 W abführen, die Kerntemperatur der Halbleiter hat dabei unterhalb von 200 °C zu bleiben. Bei einer Umgebungstemperatur von bis zu 40 °C bedeutet dies einen Wärmetransfer von nicht mehr als 0,25 K/W. Dieser Wert passt zu einem typischen Kühlkörper aus Aluminiumprofil. Leider hat dieser Kühlkörper ein Volumen von etwa 800 cm³ und ist deshalb keine Lösung – an dieser Stelle half der Wechsel von Aluminium zu Kupfer. Ein speziell angefertigter Kupferkühler, der in den Außenmaßen mit dem Econo-Modul identisch ist, sorgt für die Wärmeabfuhr. Die für die Zwangskühlung notwendigen Lüfter sind volumenneutral bündig in diesen Kühler eingelassen. Der für dieses Projekt aus dem Vollen gefräste Kühlkörper ist in Bild 7 zu sehen. Die Vermessung unter Laborbedingungen ergab einen thermischen Koeffizienten von 0,2 K/W, womit die geforderten 0,25 K/W noch um 20 % unterboten wurden.

Runde Sache

Um einen besonders kompakten Umrichter zu entwickeln, müssen Ingenieure einen umfassenden Ansatz wählen. Vom passenden Halbleitermaterial über eine geeignete Topologie und den passiven Bauteilen bis hin zur Entwärmung spielen alle Komponenten eine tragende Rolle. Dass damit satte 20 kW/l möglich sind, hat Infineon in dem beschriebenen Projekt bewiesen.

Dr.-Ing. Martin Schulz

: Arbeitet im Application Engineering bei Infineon Technologies in Warstein.

Dr. Liliana De Lillo und Dr. Lee Empringham

: Wissenschaftliche Mitarbeiter der Universität Nottingham.

(lei)

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