Georg Fahrenschon,  Bayerischer Staatsminister für Finanzen.

Georg Fahrenschon, Bayerischer Staatsminister für Finanzen.

Als Bauwerke des so genannten Historismus, die weltweit einzigartig sind, sind sie im Spannungsfeld des 19. Jahrhunderts zwischen der Industrialisierung und beginnenden Technisierung einerseits, und den Fluchten König Ludwigs II. in seine Gegenwelten andererseits, entstanden. Trotz seines inneren Konfliktes und einer gewissen Ablehnung der neu entstehenden Gesellschaft des ausgehenden 19. Jahrhunderts bediente sich Ludwig II. zur Realisierung seiner Träume den neusten technischen Errungenschaften. Der Mythos, dass König Ludwig II. technikbegeistert war, ist dabei allerdings nur begrenzt richtig. Er hat die Technik nicht um ihrer selbst willen gefördert, was folgender Ausspruch belegt: „Ich will nicht wissen, wie es gemacht wird, ich will nur die Wirkung sehen“, soll er gesagt haben.

Dennoch war die Technik entscheidend für die Verwirklichung von Ludwigs Traumwelten und hat einen unverzichtbaren Beitrag zur Realisierung seiner Vorstellungen geleistet.

Ludwig II. war Vordenker und Pionier im Erschließen der Nutzungsmöglichkeiten für neue technische Errungenschaften, wie vor allem der Elektrizität. So ließ er auf Schloss Linderhof, im Maschinenraum der Venusgrotte, wohl das erste autarke Kraftwerk der Welt errichten. Bereits 1878 wurde eine umfangreiche Stromerzeugungsanlage mit insgesamt 24 Dynamos gebaut. Die Anlage in Linderhof gilt auch als erstes ständiges Kraftwerk der Welt. Die 24 Generatoren lieferten Strom für 24 Bogenlampen, die die gewünschte lichtstarke Beleuchtung der Venusgrotte überhaupt erst ermöglichten. Angetrieben wurde das System von einer Dampfmaschine. So wurde die Beleuchtung der Oberlichte im Maurischen Kiosk genauso ermöglicht, wie eine zeitweise Beleuchtung der Springbrunnen im Park. Viel entscheidender war jedoch, dass der Wunsch des Königs nach strahlenden Farben in der Venusgrotte ohne elektrische Beleuchtung nicht zu erfüllen war. Um diese Farbtiefe sichtbar zu machen, ließ er diese technischen Innovationen auf Linderhof errichten. Aber er bediente sich der Elektrizität nicht nur zur Beleuchtung der Venusgrotte in Linderhof, sondern er nannte wohl auch das erste elektrisch beleuchtete Fahrzeug sein Eigen. Der prachtvolle Puttenschlitten König Ludwigs II., der durch echte Glühbirnen mit Platinfaden bereits um 1880 beleuchtet war, stellt eine weitere technische Innovation dar. Die Glühbirnen wurden mit einer Batterie betrieben, die in einem geräumigen Kasten unter dem Sitzkissen untergebracht war. Da Edison seine Kohlefadenglühlampe erst 1879 erfunden hatte und sie mit Generatoren und nicht mit Batterien betrieb, der Schlitten aber zu dieser Zeit elektrifiziert wurde, ist zu vermuten, dass es sich um eine besonders frühe Anwendung der Glühbirne gehandelt habe. Der König nutzte den Schlitten für nächtliche Ausfahrten. Diese nächtlichen Schlittenfahrten im elektrifizierten Puttenschlitten erregten große Aufmerksamkeit. Zur Realisierung seiner Träume hat er im Zuge dessen wohl das erste illuminierte Fahrzeug der Welt bauen lassen.

König Ludwig II. hat seine Schlösser erbaut, um sich zurückzuziehen, um in der Abgeschiedenheit des Graswangtals oder der Insel Herrenchiemsee oder auf Neuschwanstein, fern von den politischen Geschäften in München, seinen Träumen nachzugehen. Nichts desto trotz findet sich eines der ersten überhaupt gebauten Telefone auf Neuschwanstein. Es erscheint befremdlich, dass König Ludwig II., der gerade die Einsamkeit suchte, eines der ersten dieser damals sehr modernen Kommunikationsmittel besaß. Bereits 1885 war Neuschwanstein wohl entsprechend ausgestattet worden. Da Bayern sich in der Verfassung des Deutschen Reichs von 1871 die Zuständigkeit für das Post- und Fernmeldewesen als Reservatrecht erhalten hatte, kann König Ludwig II. auch hier durchaus als Vordenker und Vorreiter der Telekommunikationstechnik in Bayern gelten. Zur technischen Revolution hat auch die erste deutsche Elektrizitätsausstellung gehört, die im Münchner Glaspalast im Jahr 1882, die München durch das Wirken Oskar von Millers zur führenden deutschen Stadt auf dem Gebiet der Elektrotechnik machen sollte. Als Meilenstein dieser Ausstellung gilt, dass das erste Mal Strom über eine längere Strecke, d.h. von Miesbach nach München übertragen wurde.

Bereits 1883 beleuchtete die Edison-Gesellschaft die Bühne des Residenztheaters und auch des königlichen Hoftheaters. Es folgten die Landtagsgebäude, das Odeon, Vergnügungsstätten und Restaurants. 1885 bereits wurde das Oktoberfest von 16 Bogenlampen erhellt. Später dann wurden immer mehr Teile der Innenstadt Münchens beleuchtet.

Auch die Telekommunikation war nicht aufzuhalten. Im Jahre 1883 umfasste das Netz in München 145 Teilnehmer. Ähnlich wie heute, wo sich das Problem durch das Aufstellen von Mobilfunkmasten stellt, regten sich damals starke Widerstände gegen das Aufstellen von Leitungsstützpunkten auf den Dächern der Häuser zum Aufbauen des Telefonnetzes.

Auch das Verkehrswesen wurde mehr und mehr verbessert. In den Städten fuhren dampfbetriebene, später elektrische Straßenbahnen. Der Ausbau dieser Verkehrsnetze ermöglichte Bayern schon damals sich zu einem Tourismusland zu entwickeln, das es bis heute geblieben ist. Und es bleibt festzuhalten, dass auch dabei die Schlösser Ludwigs II. nach wie vor ein Pfund darstellen, das seines Gleichen sucht. Die Schöpfungen König Ludwigs II., die zu seinen Lebzeiten als Verirrungen betrachtet wurden, erweisen sich heute als historischer Glücksfall. Der Freistaat Bayern erkennt heute an, was König Ludwig II. für den Freistaat geleistet hat, woran er persönlich gescheitert ist und was er heute symbolisiert. König Ludwig II. hat mit seinen Bauprojekten dem Freistaat Bayern ein einzigartiges Erbe hinterlassen und damit einen unschätzbaren Beitrag zur Attraktivität aber auch zur Identität des Freistaats Bayern geleistet – nicht zuletzt mit der Realisierung seiner Träume hat er die Entwicklung des Agrarlandes Bayern zum Technikstandort angestoßen.

(jj)

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